Raiffeisen Steiermark bietet als erste Bankengruppe in Österreich nachhaltige Produkte an. Innerhalb kurzer Zeit wurden rund 200 Millionen Euro veranlagt. Was ist das Neue an diesen Produkten?
Martin Schaller: Das Jugendkonto und das Studentenkonto bei Raiffeisen in der Steiermark sind mit dem Österreichischen Umweltzeichen zertifiziert. Das bedeutet, dass die angelegten Gelder von Kunden für nachhaltige Projekte zweckgewidmet werden. Genauer gesagt, verpflichtet sich die Raiffeisen-Bankengruppe Steiermark dazu, ausschließlich in Projekte zu investieren, die die Umwelt schonen, zum Klimaschutz beitragen oder soziale Bedingungen verbessern. Dasselbe gilt für eine Variante des Online-Sparens (1 Jahr fix, Anm.).
Wie wurde dieser Schulterschluss möglich?
Ariane Pfleger: Im Wesentlichen ist es das Resultat einer guten Zusammenarbeit im Verbund und dem gemeinsamen Fokus auf die Bedürfnisse unserer Kunden. Die Raiffeisen-Landesbank Steiermark nimmt als Spitzeninstitut der Raiffeisen-Bankengruppe Steiermark eine führende Rolle bei der Entwicklung nachhaltiger Finanzprodukte ein. Ein zentrales Element ist das Fachgremium Nachhaltigkeit, das als Plattform für den Austausch von Wissen, Erfahrungen und Best Practices dient. Zudem haben wir in der RLB Steiermark dem Thema ESG ein eigenes strategisches Fokusprojekt gewidmet, um es zukunftsfit in der Kernbank zu verankern. Unser Nachhaltigkeitsmanagement treibt die Umsetzung voran und ist dabei Impulsgeber für die gesamte Bankengruppe. Ein wichtiger Teilbereich davon ist die Entwicklung und Planung nachhaltiger Produkte.
Welchen Vorteil hat das Pooling-Modell der grünen Produkte für die Teilnehmer?
Schaller: Dadurch übernimmt die RLB Steiermark als Lizenznehmerin die Koordination der Zertifizierung und die Kommunikation mit der Zertifizierungsstelle. Dadurch können die einzelnen Raiffeisenbanken auf die Umweltzeichen-Lizenz zugreifen und ihren Kunden zertifizierte Produkte anbieten. Besonders wichtig ist dabei die transparente Mittelverwendung: Alle Einlagen auf nachhaltigen Giro- und Sparkonten fließen ausschließlich in nachhaltige Finanzierungen. Die Gesamtaktiva und -passiva der RBG Steiermark werden im Rahmen des Poolings laufend überwacht und an die Zertifizierungsstelle gemeldet.
Die Einführung ist innerhalb kurzer Zeit erfolgt. Wie ist das abgelaufen?
Schaller: Bei der Umsetzung der nachhaltigen Produkte waren verschiedene Schlüsselbereiche im Haus eingebunden: Treasury, Nachhaltigkeitsmanagement, Banksteuerung sowie Unternehmenskommunikation und Marketing haben eng zusammengearbeitet, um die Entwicklung effizient voranzutreiben. Dieses Projekt zeigt, dass komplexe Themen mit einer klaren Struktur und bereichsübergreifender Kooperation erfolgreich umgesetzt werden können. Wir sehen, dass sich auch andere Bundesländer für die Vorgehensweise interessieren.
Was ist der Mehrwert für die Kunden?
Pfleger: Nachhaltigkeit ist für junge Menschen ein zentraler Wert. Mit der Zertifizierung des Jugend- und Studentenkontos tragen wir diesem Bewusstsein Rechnung. Gleichzeitig bieten wir mit Online-Sparen fix diese Möglichkeit auch anderen Zielgruppe an. Dadurch tragen wir bei, dass künftige Generationen eine lebenswerte Zukunft haben.
Wie ist die Nachfrage nach diesen Produkten?
Schaller: Unsere Erwartungen wurden deutlich übertroffen. Insbesondere Online-Sparen fix wurde von unseren Kunden sehr gut angenommen – in den genannten drei Produkten wurden wie bereits erwähnt rund 200 Millionen Euro veranlagt.
Mit wie viel rechnen Sie heuer?
Schaller: Wir setzen uns hier keine fixen Zielvorgaben, sondern richten uns nach den Bedürfnissen unserer Kundinnen und Kunden. Der Trend zeigt jedoch, dass das Interesse an nachhaltigen Investments weiter steigt, weshalb wir auch in diesem Segment ein Wachstum erwarten.
Ist eine Erweiterung der nachhaltigen Produktpalette angedacht?
Pfleger: Ja, wir entwickeln unsere nachhaltigen Produkte stetig weiter. Dabei orientieren wir uns an den Bedürfnissen unserer Kunden sowie an Rückmeldungen aus den Raiffeisenbanken. Im Mai 2023 wurde der erste Green Bond der Raiffeisen-Landesbank Steiermark emittiert. Unser Ziel ist es, sukzessive weitere nachhaltige Finanzprodukte anzubieten.
In welche Projekte fließen die Gelder? Wie werden die Projekte ausgewählt?
Pfleger: Unser Kriterienkatalog wurde gemeinsam mit der Zertifizierungsstelle entwickelt und umfasst zwei große Themenbereiche, die sowohl ökologische als auch soziale Kriterien umfasst. Die Gelder fließen einerseits in Projekte zur umweltfreundlichen Mobilität, in nachhaltigen Wohnbau oder in biologische Landwirtschaft. Andererseits werden auch soziale Projekte, die leistbaren Wohnraum schaffen oder die Grundversorgung mit sozialen Dienstleistungen unterstützen, finanziert.
Werden die nachhaltigen Produkte bzw. Investments auch extern kontrolliert?
Schaller: Ja, das ist ein zentraler Bestandteil unseres Nachhaltigkeitsansatzes. Die Einhaltung der Kriterien wird sowohl vom Revisionsverband als auch von der Zertifizierungsstelle des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie regelmäßig geprüft, um maximale Transparenz und Qualitätssicherung zu gewährleisten.
Was besagt das Umweltzeichen ganz konkret?
Pfleger: Das Umweltzeichen ist ein unabhängiges österreichisches Gütesiegel, welches umweltfreundliche Alternativen zu den am Markt gängigen Produkten auszeichnet. Umweltzeichen-zertifizierte Produkte erfüllen nach strenger Prüfung höchste ökologische und qualitative Anforderungen. Zudem werden bestimmte Branchen von vornherein ausgeschlossen. Dazu zählen Projekte im Zusammenhang mit Nuklearenergie, fossilen Brennstoffen, Waffen und Rüstung, Gentechnik sowie Tabakindustrie. Auch werden
Unternehmen von Finanzierungen ausgeschlossen, die gegen Menschenrechte, das Arbeitsrecht oder die Umweltgesetzgebung verstoßen.
Beim Thema Nachhaltigkeit ist eine gewisse Ernüchterung eingetreten – Stichwort Komplexität und Bürokratie. Wie sehen Sie diese Entwicklung?
Schaller: Die europäischen Vorgaben zur Nachhaltigkeit sind zweifellos komplex. Eine generelle Abschaffung dieser Regularien wäre jedoch nicht zielführend, da einheitliche Definitionen für Nachhaltigkeit und die Vermeidung von Greenwashing essenziell sind. Anpassungen und Nachjustierungen sind aber sinnvoll, um den administrativen Aufwand für Unternehmen handhabbar zu gestalten. Aktuell gibt es Bestrebungen der EU-Kommission zur Vereinfachung der Nachhaltigkeitsregulierungen im Rahmen des sogenannten Clean-Industrial-Deals und der Omnibus-Vorschläge. Diese beinhalten unter anderem die Anpassung der Schwellenwerte, ab denen Unternehmen berichtspflichtig sind, sowie eine Reduktion der zu meldenden Datenpunkte. Welche konkreten Anpassungen tatsächlich umgesetzt werden, bleibt abzuwarten, doch es zeigt sich, dass bei der Regulierung nachgeschärft wird. Entscheidend ist, dass Vereinfachungen Unternehmen entlasten, ohne die Nachhaltigkeitsziele aus dem Blick zu verlieren. Denn trotz geopolitischer Einflüsse bleibt der Wandel hin zu nachhaltigem Wirtschaften unumkehrbar.