Das Raps-Paradoxon

Blühende Rapsfelder gehören in vielen Regionen zum frühlingshaften Landschaftsbild. Die Anbaufläche der Kreuzblütler ist aber massiv zurückgegangen.

Eine Biene auf einer Rapsblüte
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Es ist ein plakatives Beispiel für komplexe Zusammenhänge: Weil einige Wirkstoffe im Verdacht standen, bienengefährlich zu sein, wurden sie nicht mehr zugelassen. Nun fehlen der Landwirtschaft die notwendigen Insektizide, um gerade betreuungsintensive Kulturen vor Fressfeinden zu schützen. Beim Raps resultiert daraus binnen zehn Jahren ein Rückgang der Anbauflächen um fast die Hälfte auf zuletzt bundesweit nur noch 28.000 Hektar. Er fehlt nun auch als Tracht für die Bienen, was die Imkerei frisch vor Herausforderungen stellt. Denn die gelb leuchtenden Felder sind eine frühe und ertragreiche Honigquelle.

„Der Raps hat ein echtes Imageproblem und wurde als Bienenfriedhof verleumdet“, erinnert die oberösterreichische Agrarlandesrätin Michaela Langer-Weninger an harte Diskussionen in den vergangenen Jahren. Dabei sei die Kultur eine gute Tracht für die Imker, ein gesundes Lebensmittel und eine gute Eiweißquelle für die Tierhaltung. Auch die Wirkung in der Fruchtfolge ist positiv. Die Rapspflanzen bedecken den Acker für zehn Monate – von der Aussaat Ende August bis zur Ernte Anfang Juli des Folgejahres – und schützen so vor Erosion. Sie bilden ein kräftiges Wurzelsystem aus, das den Boden auflockert, und können Düngergaben gut ausnützen. „Es ist daher Zeit, mit Mythen und Vorurteilen aufzuräumen“, so Langer-Weninger.

Straffe Kulturführung

Entstanden sind diese, weil der Raps neben all seinen Vorzügen auch eine anstrengende Seite hat. Er braucht eine straffe Kulturführung und die begleitende Hand seines Bauern. Ihn lieben nicht nur Bestäuber, sondern auch andere Insekten wie der Erdfloh, der Rapsstängelrüssler und der Rapsglanzkäfer. Um diese in Schach zu halten, braucht es eine ausgeklügelte Pflanzenschutzstrategie. „Ein einziger kleiner Biss bringt die Pflanze schon zum Umfallen“, erzählt Franz Lettner. Er ist der „Bauer zu Tobra“ in Perg im nördlichen Machland und freut sich aktuell über die Pracht auf seinen Feldern: „Die Blüte ist die schönste Zeit für einen Rapsbauern – gleich nach der Ernte.“ 

Lettners Sorgen sind aber nicht weniger geworden: „Es handelt sich ohne Zweifel um eine anspruchsvolle Kultur. Und unser Werkzeugkoffer wird immer leerer.“ Statt den Saatgutbeizen, die punktgenau gewirkt haben, müsse man nun mehrere flächendeckende Behandlungen mit Insektiziden machen. Die sind laut Lettner aber oft nur eine Feuerwehrmaßnahme. Mit der Ausdünnung der zugelassenen Wirkstoffgruppen besteht auch die Gefahr, dass die Schädlinge schneller Resistenzen entwickeln. In Kombination mit den, im Vergleich zu anderen Kulturen zuletzt bescheidenen Preisen, schmeißen nicht wenige Landwirte den Hut auf den Rapsanbau. „Die Bevölkerung sieht uns nicht gerne mit der Spritze fahren. Da muss man sich schon fragen, ob man sich das antut.“

Auch die Bienen leiden

Unter dem Rückgang leiden letztlich auch die Honigbienen, deren Wohlergehen man mit den strengen Vorschriften beim Pflanzenschutz bewahren wollte. „Die Erwerbsimkerei wird schon alleine aufgrund des Klimawandels immer schwieriger“, bestätigt Fabian Mayr vom Bienenhof Mayr in Pasching. Gerade beim Raps seien aber große Erntemengen möglich und er biete zu einem sehr frühen Zeitpunkt im Jahr eine attraktive Nahrungsquelle. Mayr hat seine Bienenstöcke im gesamten Bundesland verteilt stehen, auch am Feld des Tobrabauern. „Wir dürfen vor den Gefahren der Pflanzenschutzmittel nicht die Augen verschließen. Umso wichtiger ist es, dass Landwirtschaft und Imkerei gut zusammenarbeiten“, meint Mayr. Spritzungen müssten zum Beispiel in der Nacht erfolgen, wenn keine Insekten fliegen. Er rede sich mit „seinen“ Bauern zusammen, wann diese mit dem Pflanzenschutz fertig sind und er mit den Völkern in den Raps kann.

„Wir haben uns beim Thema Bienen und Raps vor zehn Jahren gegenseitig irrsinnig geschadet“, konstatiert der Vizepräsident der Landwirtschaftskammer Oberösterreich, Karl Grabmayr. Es wäre besser gewesen, manche Diskussion mit weniger Emotionen zu führen, meint er. „Gegen Insekten lässt sich manuell nichts machen. Das Thema zeigt eine Grundproblematik der Landwirtschaft auf.“ Für die Zukunft wünscht sich die Landwirtschaftskammer, dass vermehrt auf Synergien geschaut wird. So gibt es in Oberösterreich zum Beispiel eine Bienenwanderbörse, auf der die Bauern die Flächen angeben, die für die Bestäubung relevant sind und Imker gute Standorte finden können.

Das Bundesland hat sich auch als Ursprung hochwertige Rapsöle, wie sie zum Beispiel bei „Mühl4telöl“ in Mauthausen gepresst werden, etabliert. Aus 3.000 Tonnen Raps entstehen dort jährlich 2.000 Tonnen Rapsschrot, der zum Großteil von den Landwirten als Futtermittel zurückgenommen wird, und 1.000 Tonnen Öl. Die Hälfte davon wird zu Speisezwecken verwendet, ein Teil als Futteröl zur Staubbindung. Der Anteil an Treibstoffen ist stark zurückgegangen, so der Geschäftsführer des genossenschaftlichen Unternehmens, Johann Schöfl. „Wir vermarkten hochwertiges kaltgepresstes Rapsöl und bieten daneben ein Eiweißfuttermittel, das den Import von Soja ersetzen kann.“ Auch ihm ist es wichtig, das Thema Pflanzenschutz offensiv anzugehen: „Die Konsequenz wäre, dass bei uns nicht mehr angebaut wird und wir unsere Lebensmittel aus Südamerika beziehen müssen.“