Die Vergangenheit festhalten 

Adrian Goigingers neuer Film „Rickerl“ ist eine Hommage an den Austropop und an ein längst vergangenes Wien.

Voodoo Jürgens als Rickerl
Allem voran liegt Rickerl die Beziehung zu seinem Sohn Dominik am Herzen. © 2010Entertainment GigantenFilm

Du musst in der Gegenwart ankommen“, bekommt Erich „Rickerl“ Bohacek in Adrian Goigingers gleichnamigen Film „Rickerl. Musik is höchstens a Hobby“ von seinem Manager zu hören. Der bisher erfolglose Musiker, gespielt von Liedermacher Voodoo Jürgens, scheint wie aus der Zeit gefallen. Auf ein Smartphone kann er verzichten, seine Songs bringt er mit dem Bleistift oder allerhöchstens noch mit der Schreibmaschine zu Papier und auch seine Freunde sind allesamt eine Generation älter als er selbst. 

„Wir haben versucht, die Vergangenheit festzuhalten, damit deutlich wird, dass er sich in der Gegenwart unwohl fühlt. In der Stammtischrunde wird einmal ‚auf die Vergangenheit, wo alles noch weniger Oasch war‘ angestoßen. Das ist eine Art Leitsatz für die Figur geworden“, erklärt Goiginger. Eine letzte Verbindung zur Gegenwart verschafft ihm dabei sein sechsjähriger Sohn Dominik, der Rickerl an den Wochenenden besucht und ohne zu zögern mitgenommen wird ins „Beisl“ oder auch in den Erotikladen, in dem Rickerl arbeiten muss, nachdem er beim Friedhof gekündigt wurde. 

Abenteuer und Austropop

Diese durchaus nicht perfekte aber dennoch außergewöhnliche und herzerwärmende Vater-Sohn-Beziehung steht zu jeder Zeit im Zentrum des Films und beeinflusst die Taten des Protagonisten maßgeblich. Reicht Rickerls Einkommen – verdient durch abendliche Auftritte und Gelegenheitsjobs – zwar teils nicht einmal für einen Kinobesuch mit Dominik, so bedeutet das Leben seines Vaters als Freigeist und Künstler doch vor allem eins: Abenteuer. Nicht zuletzt deshalb, weil sein gewohnter Alltag in Wien Hietzing stattfindet, bei seiner Mutter Viki und deren neuen Freund – von Rickerl nicht ganz so liebevoll ein „gstopfter Piefke“ genannt. Während also zuhause der Rasenmäher nicht nur den Garten instand hält, sondern auch das Bier bringen kann, begibt sich Dominik mit Rickerl in eine völlig neue Welt. Ins „alte Wien“ sozusagen, in dem noch überall geraucht wurde und dabei auch vor dem Kinosaal nicht haltgemacht wurde. „Mit dem Film können wir ein Wien abbilden, das vom Aussterben bedroht ist – sowohl, was die Beisln, als auch die Sprache betrifft“, erzählt Voodoo Jürgens selbst und bezieht sich dabei nicht zuletzt auf den klassischen Wiener Dialekt, der dem Film eine prägende Authentizität verleiht. 

„Rickerl“ ist dabei nicht nur als Ode an das alte Wien zu verstehen, sondern ebenso als Huldigung des Austropop. Dessen Essenz filmisch einzufangen sei Goiginger schon seit vielen Jahren ein Anliegen gewesen. „Mein Ziel ist es, all die Emotionen zu wecken, die diese Musik nicht nur in mir, sondern auch in unzähligen anderen Menschen hervorruft“, erklärt der Regisseur. Ebendiese Emotionen löst auch die Musik von Voodoo Jürgens aus, die dem Film als Vorlage diente. „Dadurch, dass meine Lieder schon eine bildreiche Sprache haben, war es interessant, eine filmische Sprache für meine Musik zu finden“, erinnert sich der Musiker, der mit „Rickerl“ seine erste Hauptrolle im Film landete. So spiegelt sich Voodoo Jürgens’ eigene Lebensgeschichte nun nicht mehr nur in seinen Liedern wider, sondern auch im Film. Dennoch weicht die Handlung gerade so weit von der Realität ab, um nicht als Biografie verstanden zu werden.  

Von Vätern und Söhnen

Im Allgemeinen treffen Voodoo Jürgens und auch seine Filmfigur Rickerl genau den richtigen Sound für eine Geschichte von Vätern und Söhnen, die sich über Generationen hinweg schwertun, richtig füreinander da zu sein. Umso berührender zeigt sich daher Rickerls Versuch, diesen Jahrzehnte andauernden Kreislauf zu durchbrechen, hat er doch selbst ein schwieriges Verhältnis zu seinem Vater, dessen Prioritäten wohl schon seit jeher eher auf den Glücksspielautomaten lagen als auf seiner Familie. Nun möchte sich Rickerl lösen und ein besseres Vorbild für seinen Sohn sein. Doch auch das gestaltet sich schwierig, denn was damit einhergeht, ist Kraft und Selbstdisziplin. „Er glaubt lange, dass er nur mit seiner Musik Erfolg haben müsste und dann würde alles gut werden, bis ihm bewusst wird, was er eigentlich lernen muss, nämlich Verantwortung für seinen Sohn zu übernehmen und ein zuverlässiger Vater zu sein“, so der Regisseur. 

„Rickerl. Musik is höchstens a Hobby“ bewegt sich stets auf einem schmalen Grat zwischen Lebensfreude und Wehmut. Der Film lebt von der – vielleicht irrationalen – Nostalgie für eine Zeit in der scheinbar „alles besser“ war, zeigt gleichsam jedoch auf, dass es nie zu spät ist, sich von der Vergangenheit zu lösen und in eine bessere Zukunft zu schauen. Der Film ist ab 19. Jänner in den heimischen Kinos zu sehen.