Die österreichische Exportwirtschaft trotzt der anhaltenden Konjunkturschwäche und hat im Vorjahr die Warenausfuhren um 3 Prozent auf 200,55 Mrd. Euro gesteigert. Das Exportplus in die Europäische Union fiel mit 2,6 Prozent geringer aus als auf Drittmärkten (3,9 Prozent). Insgesamt legten die realen Warenexporte 2023 um 0,7 Prozent zu. In einem Umfeld einer auch global verhaltenen Industriekonjunktur ein respektables Ergebnis, das im Vorjahr in Europa nur von Griechenland und Frankreich übertroffen worden ist.
„Allerdings wurde dieser ,Erfolg’ auf Kosten der Profitabilität erkauft“, warnt Gunter Deuber, Raiffeisen-Chefökonom und Leiter von Raiffeisen Research, beim Exportfrühstück der Raiffeisen-Landesbank Kärnten. Denn die gestiegenen Kosten wurden von den Exporteuren nicht an die Abnehmer im Ausland weitergegeben, sondern auf „eigene Rechnung“ genommen. Damit sei die Profitabilität österreichischer Unternehmen deutlich gesunken. „Lange Jahre waren österreichische Unternehmen profitabler als die Konkurrenz im europäischen Ausland – das ist nun vorbei“, konstatiert Deuber.
Verschlechterte Wettbewerbsfähigkeit
Über kurz oder lang dürften sich die Kostenanstiege etwa bei Löhnen oder Energie in der Exportstatistik niederschlagen. So habe sich die preisliche Wettbewerbsfähigkeit österreichischer Industriebetriebe im Vorjahr so stark verschlechtert wie in keinem anderen westeuropäischen Land. Allein die Lohnkosten nahmen 2023 um 11,6 Prozent zu. Aber auch die nach wie vor höheren Energiepreise belasten die Unternehmen, wie eine Befragung von österreichischen Exportunternehmen durch die Oesterreichische Kontrollbank (OeKB) zeigt.
Demnach leidet eine knappe Mehrheit der Exporteure unter den hohen Energiepreisen, wenn auch die Dringlichkeit des Themas im Vergleich zu 2022 spürbar abgenommen hat. Viele Betriebe setzen bei diesem Thema auf Gegenstrategien: „Um die Abhängigkeit vom Energiepreis weiter zu reduzieren, planen 87 Prozent der befragten OeKB-Kunden in den nächsten drei Jahren Energiesparmaßnahmen“, teilt die Bank mit.
Noch dringlicher als die hohen Energiepreise sind für heimische Exporteure Probleme in den Lieferketten, zeigt die OeKB-Umfrage. Drei Viertel der Firmen sind in diesem Bereich mit Schwierigkeiten konfrontiert, ein gutes Viertel gab sogar an, „sehr“ betroffen zu sein. Der Großteil der Unternehmen will zur Entspannung der Lage zusätzliche oder neue Lieferanten suchen. Insgesamt sei der Spielraum, Kostenanstiege selbst zu schultern, kaum noch vorhanden, warnt Raiffeisen-Chefökonom Deuber. Zudem schränkt die gesunkene Profitabilität den Investitionsspielraum ein, was die langfristigen Wachstumsaussichten schmälert.
Hohe Resilienz der US-Wirtschaft
Aktuell arbeiten sich die Exportunternehmen aus dem Stimmungstief infolge der globalen Industrierezession wieder langsam heraus. „Die Wirtschaftsdaten sind leicht besser, als es die Stimmung hergibt“, so Deuber. Europa stecke noch in der Rezession, während die USA diese bereits hinter sich lassen konnte.
Für heuer wird für die Eurozone ein gesamtwirtschaftliches Wachstum auf Vorjahresniveau von 0,5 Prozent erwartet. Österreich könnte nach der vorjährigen Rezession von 0,8 Prozent wieder ein marginales Wirtschaftswachstum von 0,2 Prozent schaffen. Erstaunlich sei dagegen die hohe Resilienz der US-Wirtschaft, die im Vorjahr um 2,5 Prozent gewachsen sei. Heuer werden zumindest 2 Prozent erwartet. „Das trägt dazu bei, dass die Stimmung in der Weltwirtschaft nicht ganz so schlecht ist wie in Europa“, fasst Deuber zusammen.
Als interessante Wachstumsregionen für die österreichischen Exportunternehmen nennt der Finanzexperte neben den USA, dem mittlerweile zweitwichtigsten Exportmarkt für die heimische Wirtschaft, auch Südosteuropa, das heuer im Schnitt um 2,9 Prozent wachsen dürfte, und Zentraleuropa, wo das durchschnittliche Wachstum mit 2,7 Prozent ebenfalls deutlich über jenem der Eurozone liegen sollte. Zu den wachstumsstarken Volkswirtschaften in diesen zwei Regionen zählen unter anderem Serbien (3,5 Prozent), Polen (3,1 Prozent), Ungarn und Kroatien (beide 3 Prozent) sowie Rumänien (2,8 Prozent).
Neuer Schwung für heimische Exportunternehmen
Die weltwirtschaftliche Dynamik dürfte 2024 insgesamt aber nicht stärker ausfallen als im Vorjahr. Die positive Nachricht sei aber, dass die europäische Industrie im weiteren Jahresverlauf aus der Rezession herausfinden sollte, was letztlich auch den österreichischen Exportunternehmen neuen Schwung bringen dürfte.
Österreich besitzt in seiner Unternehmenslandschaft zwar kaum Großunternehmen von hohem Bekanntheitsgrad, dafür aber viele „Hidden Champions“ – also kleine bis mittlere Unternehmen, die in ihren Nischen Marktführer sind oder sogar über Alleinstellungsmerkmale verfügen, die einen gewissen Preisaufschlag rechtfertigen.
„Derartige Unternehmen haben es leichter, Kostenanstiege weiterzureichen als Unternehmen, deren Produkte leicht ,ausgetauscht’ werden können“, so Deuber. Um diese Alleinstellungsmerkmale zu erhalten, sich also weniger über den Preis, als über die Qualität zu definieren, seien Investitionen und höhere Ausgaben für Forschung und Entwicklung das Gebot der Stunde.
Geringerer Preisauftrieb
Eine deutliche Entspannung gab es zuletzt bei der Inflation. In der Eurozone dürfte der Preisauftrieb von 5,4 Prozent im Vorjahr auf heuer 2,6 Prozent deutlich abnehmen. Damit könnte das EZB-Ziel von etwas unter 2 Prozent 2025 in Reichweite sein. Dieser Entwicklung hinkt Österreich deutlich hinterher: Die Jahresinflation sollte von 7,7 Prozent 2023 auf 3,9 Prozent 2024 zwar ebenfalls spürbar abnehmen, aber immer noch deutlich über dem Schnitt der Eurozone bleiben. In Österreich habe sich das Inflationsproblem auch angesichts der relativ hohen Lohnsteigerungen verhärtet.
„Wir haben derzeit in Österreich ein Lohnwachstum zwischen 8,5 und 9 Prozent im Schnitt, die Eurozone steht bei 4,5 Prozent. Wir laufen bei den Lohnstückkosten Europa davon“, warnt Deuber mit Blick auf die sinkende Wettbewerbsfähigkeit des heimischen Standorts. Wenn sich dieser Trend so weiter fortsetze, werde das ein Problem, das die Industrie noch eher auffangen könne als andere Wirtschaftssektoren, die weniger stark rationalisieren können.
Eine Trendwende steht offenbar bei der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank bevor, die seit Juli 2022 eine dramatische Straffung vorgenommen hatte. „Wir erwarten, dass die EZB im Juni anfängt, die Zinsen zu senken. Es gibt viele Indikatoren, die das unterstützen“, so der Finanzexperte. Die Lockerung dürfte mit einem kleinen Schritt von 25 Basispunkten eher zögerlich beginnen.
Bis zum Jahresende 2024 prognostiziert Raiffeisen Research einen Rückgang des Einlagezinssatzes um 75 Basispunkte auf 3,25 Prozent und bis Ende 2025 auf 2,25 Prozent. „Das ist eine immer noch leicht restriktive Geldpolitik. Der Kapitalmarkt hat das mittlerweile sehr gut eingepreist. Die Volatilität am Zinsmarkt ist sehr stark zurückgegangen, derzeit gibt es solide planbare Bedingungen am Euro-Zinsmarkt, was in den letzten Monaten nicht immer der Fall war“, erklärt Deuber.
Hohes nominales Wachstum
Der Fokus von Ökonomen liege auf dem realen, also inflationsbereinigten Wirtschaftswachstum. Aktuell habe aber die Inflation „ein hohes nominales Wirtschaftswachstum seit sehr, sehr langer Zeit“ gebracht. Das zeige auch, dass einzelne Unternehmen und Branchen eine hohe Preissetzungsmacht haben und auch in diesem Umfeld gut agieren können, was sich auch in guten Unternehmensgewinnen an den Börsen widerspiegle. „Deshalb fühlt sich die aktuelle Krise nicht so dramatisch an“, analysiert Deuber. Die realwirtschaftliche Entwicklung sei eben besser als die Stimmung, weil sich viele Unternehmen gut an die widrigen Rahmenbedingungen anpassen können.
Neben der genannten Kostenproblematik ist sicherlich der bereits weit verbreitete Arbeitskräftemangel eine große Herausforderung in der Exportwirtschaft. Auf eine beim AMS als offen gemeldete Stelle in der Industrie kamen im März 2024 nur gut zwei arbeitslose Personen. Im März 2019 waren es drei – trotz besserer konjunktureller Lage.
„Das hat sicherlich auch mit dem allgemeinen Rückgang der Wochenarbeitszeit zu tun, der seit Corona stattgefunden hat. Im Durchschnitt ist die Wochenarbeitszeit der österreichischen Arbeitnehmer seit 2019 um 4 Prozent gesunken – insbesondere aufgrund des Anstiegs der Teilzeitarbeit“, so Deuber. Ein Wert, der europaweit fast seinesgleichen sucht. Würden alle Arbeitnehmer in Österreich im selben Ausmaß arbeiten wie vor der Pandemie, hätten wir auf einen Schlag 150.000 zusätzliche Vollzeitstellen. „Die fehlen vielleicht nicht jetzt, spätestens aber im nächsten Aufschwung“, so Deuber.
Kärnten mit positiver Bilanz
RLB-Vorstandssprecher und Gastgeber des Exportfrühstücks Manfred Wilhelmer betonte, dass der Export die wichtigste Säule der Kärntner Wirtschaft sei, die sich in den letzten Jahren „sehr gut“ geschlagen habe. „Wir zählen zu den vier Bundesländern, die eine positive Außenhandelsbilanz zustande gebracht haben. Im ersten Halbjahr 2023 ist es den Kärntner Unternehmen gelungen, einen Überschuss von 600 Mio. Euro zu erreichen. Angesichts der konjunkturellen Lage ist das eine gewaltige Leistung“, strich Wilhelmer hervor.
Gleichzeitig betonte der Banker, dass das Exportgeschäft mit vielen Variablen verbunden sei. „Die Einschätzung von politischen, wirtschaftlichen und auch währungstechnischen Risiken kann sehr schwierig sein. Es ist daher wichtig, sich darauf vorzubereiten. Allerdings gibt es dafür keine Lösung von der Stange, das muss man wirklich individuell machen“, so Wilhelmer. Raiffeisen sei mit den Netzwerkbanken der RBI in vielen CEE-Ländern vor Ort und damit bestens vernetzt.
„Wir sehen es als unsere Aufgabe an, als Brückenbauer für die österreichische Wirtschaft zu agieren“, resümierte Wilhelmer. Gemeinsam mit der Wirtschaftskammer Kärnten und den Kärntner Raiffeisenbanken wird auch heuer am 25. Juni der Exporttag Kärnten organisiert, wo österreichische Wirtschaftsdelegierte aus aller Welt für individuelle Gespräche zur Verfügung stehen.