Österreich liebt sein Bargeld. Dennoch ist das Zahlen mit Karte oder mit dem Smartphone genauso selbstverständlich geworden – im Geschäft und klarerweise beim Online-Shopping. Ob Google- und Apple Pay, Klarna, PayPal oder Visa und Mastercard – die Bezahlmöglichkeiten sind nicht nur vielfältig, sondern meistens auch ein Angebot von außereuropäischen Unternehmen. Eine Tatsache, die angesichts geopolitischer Umbrüche und der zunehmenden Digitalisierung den politischen Entscheidungsträgern und der Europäischen Zentralbank (EZB) Sorgen bereitet.
Um den europäischen Zahlungsverkehr zukunftsfit, wettbewerbsfähig und vor allem unabhängig zu machen, arbeitet das Eurosystem an den technischen Vorbereitungen zur Einführung eines digitalen gesetzlichen Zahlungsmittels für den Euroraum – als Ergänzung zu Bargeld und bestehenden digitalen Zahlungsmitteln. Mit dem bereits viel diskutierten „Digitalen Euro“ soll für Endkunden das Bargeldgefühl ins Digitale übertragen werden: Zahlungen sind damit im gesamten Euroraum einfach, sicher, kostenlos, EU-reguliert und mit gewohnter Privatsphäre – online wie offline.
„In der aktuellen geopolitischen Lage benötigen wir den digitalen Euro mehr denn je – denn er stärkt die Souveränität und Resilienz im Euroraum und somit auch Europas Wettbewerbsfähigkeit und Produktivität“, ist Robert Holzmann, Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB), überzeugt.
Banken prüfen EPI-Einstieg
Weniger euphorisch zeigen sich Stimmen aus dem Bankensektor: Neben einem passenden Rechtsrahmen fehle es noch an einem eindeutig erkennbaren Mehrwert für die Konsumenten, heißt es dort. Genauso uneindeutig sei die Finanzierung des digitalen Euro. Hier befürchtet man, dass die Kosten bei den Banken hängenbleiben, da die letztendlich die digitalen Euro ausgeben müssten.
Auch die Frage der Akzeptanz beim Kunden wird kritisch betrachtet: Derzeit sehen viele Banken keinen klaren Bedarf für ein weiteres Zahlungsmittel, solange bestehende Lösungen wie kontaktloses Bezahlen mit Karte oder Smartphone, Instant Payments sowie bewährte Online-Bezahldienste von den Konsumenten gut angenommen werden.
„Die Stärkung der europäischen digitalen Souveränität im Zahlungsverkehr ist ein wesentliches Ziel.“
Michael Höllerer
Trotz dieser offenen Fragen sehen viele Banken grundsätzlich Potenzial in einer einheitlichen europäischen Zahlungslösung. Eine europäische Alternative zu internationalen Anbietern wie Visa, Mastercard und PayPal zu schaffen, entspricht auch dem Interesse der Branche. „Die Stärkung der europäischen digitalen Souveränität im Zahlungsverkehr ist ein wesentliches Ziel – gerade vor dem Hintergrund aktueller geopolitischer Herausforderungen und der Dominanz außereuropäischer Anbieter“, betont auch Michael Höllerer, Generaldirektor der Raiffeisenlandesbank NÖ-Wien und Obmann der WKO-Bundessparte Bank und Versicherung.
So prüfen Österreichs Banken derzeit eine mögliche Beteiligung an der European Payments Initiative (EPI), ein Zusammenschluss führender europäischer Banken und Zahlungsdienstleister, die mit „Wero“ eine europäische Bezahllösung entwickelt hat. Wero ermöglicht es seit Juli 2024 in zahlreichen europäischen Ländern, Geld in Echtzeit einfach per Handynummer oder E-Mail innerhalb Europas zu senden, ohne dass eine IBAN erforderlich ist und unabhängig von US-Anbietern.
„Mit Wero von EPI besteht eine marktwirtschaftliche, von europäischen Playern getragene Alternative, die ein sicheres, einheitliches, bequemes und EU-weites Bezahlsystem bieten könnte“, sagt Höllerer.
Digitaler Euro als Sicherheitsnetz
Seitens der OeNB begrüße man prinzipiell alle neuen Zahlungsmöglichkeiten. Man geht sogar davon aus, dass sich viele lokale Lösungen etablieren werden. An den Plänen zur Einführung des digitalen Euro ändere das aber nichts. Vielmehr gehe es um ein Zusammenspiel öffentlicher und privater Lösungen: „Der digitale Euro wird auch dort verwendet werden können, wo bestehende Zahlungslösungen derzeit noch nicht hinreichen oder Kooperationspartner finden. Dank seiner universellen Akzeptanz und eingebetteter Schnittstellen wird er Interoperabilität ermöglichen und somit Brücken schlagen können zwischen verschiedenen Regionen, Zahlungslösungen und Anwendungsfällen“, erklärt Petia Niederländer, Direktorin der OeNB-Hauptabteilung Zahlungsverkehr, Risikoüberwachung und Finanzbildung.
Ein wichtiger, nicht zu unterschätzender Aspekt ist laut OeNB die Verankerung des digitalen Euro in europäische Standards wie dem einheitlichen Euro-Zahlungsverkehrsraum (SEPA) und den Echtzeitüberweisungen, auf deren Basis der Markt für weitere Innovationen und neue Anwendungsfälle sorgen kann.