Beeindruckende Berge, malerische Dörfer und ein breites Freizeitangebot mit 80 Skigebieten und mehr als 3.400 Pistenkilometern: Nicht ohne Grund spielt der Tourismus in Tirol eine wesentliche Rolle für die Wirtschaft und die Gesellschaft. Das belegt nicht zuletzt die jüngste Tourismusstatistik des vergangenen Sommers mit 20,3 Millionen Nächtigungen.
Um dieser zentralen Rolle Rechnung zu tragen, lud die Raiffeisen-Bankengruppe Tirol Mitte Oktober zum zweiten Mal zu den Tiroler Tourismusgesprächen, dem bundeslandweiten Nachfolge-Event der vormaligen Seefelder Tourismusgespräche. Der Schwerpunkt der Veranstaltung lag diesmal auf dem Themenfeld Künstlicher Intelligenz (KI) und Digitalisierung und damit der Frage: Wie kompatibel sind digitale Erlebniswelten mit dem doch höchst analogen Erlebnis einer authentischen Gastfreundschaft?
Den grundsätzlichen Stellenwert des Fremdenverkehrs unterstrich Thomas Wass, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Raiffeisen-Landesbank Tirol, in seinem Eingangsstatement: „Der Tourismus hilft Tirol aktuell, das einzige Bundesland ohne Rezession zu bleiben.“ Insgesamt müsse der Wirtschaftsstandort jedoch attraktiver werden: „Hier müssen von politischer Seite unbedingt die Rahmenbedingungen verbessert werden.“
KI als aktiver Partner
Einen Einblick, wie die Rahmenbedingungen im Tourismus mit Unterstützung durch Künstliche Intelligenz künftig aussehen könnten, gab KI-Experte Thomas Jirku, Data Scientist bei IBM Österreich. KI sei nichts anderes als eine „Wortwahrscheinlichkeitsvorhersagemaschine“ und könnte gerade auch im touristischen Gewerbe unterstützen – etwa zeitlich aufwändige Routinetätigkeiten zu beschleunigen oder zur Gänze übernehmen.
„KI kann ein aktiver Partner in unserem täglichen Leben und unserer Arbeit sein“, betonte Jirku. Mit generativer KI ist man bereits jetzt in der Lage, das Urlaubserlebnis der Gäste individuell wie nie zuvor zu gestalten, wie er anhand seiner eigenen Urlaubsreise berichtete. Darüber hinaus sprach Jirku über die Möglichkeit, Besucherströme basierend auf Faktoren wie Wetter oder Auslastung effizienter zu steuern, indem etwa Attraktionen situationsabhängig gezielt beworben werden. Zugleich betonte der Experte: KI kann ein aktiver Partner sein und den Menschen ergänzen, aber niemals ersetzen. Gerade die Tourismuswirtschaft lebe auch von persönlichen Kontakten – Stichwort Gastfreundschaft.
Von den Vorteilen einer „diskreten KI“, die im Hintergrund läuft und die Effizienz menschlicher Abläufe steigert, zeigte sich auch Markus Schröcksnadel überzeugt. Der Vorstandsvorsitzende von Feratel nannte etwa die KI-gestützte Ein- und Ausstiegskontrolle bei Seilbahnen als Anwendungsgebiet.
Die Wichtigkeit von Datenschutz bei derartigen, von großen Datenmengen gestützten KI-Einsatzmöglichkeiten unterstrich hingegen Iris Eisenberger, Professorin für Innovation und Öffentliches Recht an der Universität Wien.
Erwartung der Jugend
„Die Technologie ist per se neutral, man braucht keine Angst davor haben“, war die Kernaussage von Matthias Lechner, Gründer von NFBrands.X, der ersten Full-Service-Marketing-Agentur für Web3- und Metaverse-Anwendungen im DACH-Raum. Er skizzierte das große Potenzial dieser Technologien und hob vor allem Blockchain als möglichen Gamechanger für den Tourismus hervor: Damit könne zum Beispiel der Verfall von Tickets obsolet werden, weil sie nicht mehr an eine bestimmte Person gebunden sein müssten. Ebenso könnte Betrug auf Buchungsplattformen dank eines digitalen Nachweises über Blockchain bald nahezu unmöglich werden. Generell könne man die Augen vor den vielfältigen neuen Technologien nicht verschließen, betonte Lechner, denn: „Die jüngeren Generationen – und damit die Gäste der Zukunft – wachsen damit auf und erwarten, dass das genutzt und angeboten wird.“
Diese Ansicht bestätigte Kathrin John, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Bayerischen Zentrum für Tourismus (BZT) – aus ihrer eigenen Erfahrung hätten junge Menschen zudem eine viel niedrigere Hemmschwelle, was die Herausgabe der eigenen persönlichen Daten anbelangt. Grundsätzlich hielt sie fest: „Es braucht eine gesunde Balance zwischen Mensch-KI- und Mensch-Mensch-Interaktion.“
Plädoyer für mehr Fokus
Für eine gesunde Balance im Umgang mit der digitalen Welt appellierte auch Anitra Eggler, die in ihrer Keynote einen bemerkenswerten Kontrast zu den anderen Referenten bot. Die Bestseller-Autorin war selbst 25 Jahre „an vorderster Digitalisierungsfront“, gibt sich aber geläutert: Mittlerweile gilt sie als Digital-Detox-Expertin und lebt ihr Leben nach dem Motto: „Digital abschalten können ist im KI-Zeitalter so erfolgsentscheidend wie Bremsen beim Autofahren.“ Beim vergeblichen Versuch, mithilfe jeglicher digitaler Hilfsmittel ihre Zeit möglichst effizient zu nutzen, sei sie schließlich zu dem Schluss gekommen: „Bessere Ergebnisse brauchen nicht mehr Zeit, sondern mehr Fokus.“ Sie plädiert deshalb für ganz bewusste, fokussierte Bildschirmzeit anstelle von reflexhaftem, ewigem Scrollen. Im Hinblick auf Künstliche Intelligenz brauche es Evolution statt Revolution, denn „das Betriebssystem sind wir“.
Ähnlich brachte es auch Thomas Wass auf den Punkt: Das Thema KI werde „kurzfristig überschätzt, mittel- und langfristig aber unterschätzt. Dennoch wird KI die persönliche Beziehung niemals ersetzen können.“