Die Aktuell-Gruppe feiert heuer das 35-jährige Jubiläum. Was sticht für Sie dabei heraus?
Sabine Ransböck: Aus einer Idee wurde in vielen Schritten einer der führenden Versicherungsmakler Österreichs. Gestartet sind wir klassisch als Inhouse-Broker und später ergänzend im Bankenvertrieb. Meilensteine waren vor allem die Akquisition der beiden Maklergesellschaften Aktuell im Jahr 2004 und Veritas drei Jahre später. Das hat uns geholfen, in die Top 5 in der Branche aufzusteigen. In den letzten 15 Jahren haben wir unser Prämienvolumen in der Maklerei von 55 Mio. Euro auf 130 Mio. Euro mehr als verdoppelt. Mit unserer Tochter RVB Raiffeisen Versicherungs- und Bauspar-Agentur, die die Raiffeisenbanken in Niederösterreich und die Stadtbank Wien serviciert, kamen wir im Vorjahr auf ein gesamtes Prämienvolumen von 350 Mio. Euro und erzielten damit auf Gruppenebene bereits zum dritten Mal hintereinander ein Rekordergebnis.
Was braucht es, um als Versicherungsmakler erfolgreich zu sein?
Ransböck: Sehr viel Know-how – insbesondere im Großkundengeschäft, wo es auf maßgeschneiderte Lösungen ankommt. Es ist als Makler unser Job, dass wir uns im Detail auskennen und die Produkte, aber auch die Versicherer bewerten und einordnen können. Dazu haben wir unser Wissen in Kompetenzcentern gebündelt und ausgebaut. Egal, ob es um eine Versicherung für Führungskräfte, eine Cyber- oder Industrieversicherung geht – wir haben Spezialisten, die wissen, was auf dem Versicherungsmarkt möglich ist. Ein Großkunde kann aus meiner Sicht nicht von einem Versicherer allein bedient werden – und das sollte er auch nicht, weil es wichtig ist, Produkte zu vergleichen. Darüber hinaus braucht es auch das Verständnis für das Geschäftsmodell eines Kunden. Ich kann ein Logistikunternehmen nicht gut beraten, wenn ich nicht weiß, wie sein Geschäftsmodell funktioniert. Mit dem Kunden ins Gespräch zu gehen, gute Fragen zu stellen und stark in der Kommunikation zu sein, schafft die notwendige Vertrauensbasis.
Welche Schwerpunkte haben Sie?
Ransböck: Im Privatkundengeschäft haben wir als RVB eine Exklusivkooperation mit der Raiffeisen Versicherung und als Vertriebspartner fungieren die niederösterreichischen Raiffeisenbanken sowie die Stadtbank Wien. Gemeinsam gestalten wir die optimalen Produkte und Prozesse für die Bankkunden und achten dabei auf das beste Preis-Leistungs-Verhältnis. Bei Aktuell und Veritas sind unsere Hauptkunden Finanzinstitute, Logistikunternehmen, der Raiffeisensektor und die Beteiligungen der Raiffeisen-Holding NÖ-Wien. Darüber hinaus haben wir auch ein Geschäft außerhalb des Raiffeisensektors aufgebaut. Wir sind also sehr breit aufgestellt.
Welche Bedeutung hat der Drittmarkt?
Ransböck: Rund die Hälfte unserer Kunden kommt aus dem Raiffeisensektor, die andere Hälfte aus dem Drittmarkt. Letzteres ist für uns besonders wertvoll, da wir neben den Erträgen auch für einen Know-how-Transfer in den Sektor sorgen. Wir sind etwa im Speditionsgeschäft oder im gemeinnützigen Wohnbau stark positioniert. Dass wir zur Raiffeisenfamilie gehören, ist für viele am Drittmarkt kein Thema, oft wird es auch als Qualitätsmerkmal angesehen – die Marke gibt uns Rückenwind. Dass wir mit den zwei Marken Aktuell und Veritas auftreten, liegt daran, dass beide sehr gut am Markt positioniert sind und eine lange Tradition haben, die wir weiter pflegen.
Aktuell ist nicht nur in Österreich tätig, sondern auch international. Was ist die Philosophie dahinter?
Ransböck: Unser Ziel ist es, unsere österreichischen Firmenkunden bei der Absicherung auch international zu begleiten. Dazu haben wir das globale Netzwerk Brokerlink als Partner, das in mehr als 130 Ländern mit 400 Büros präsent ist – seit 2021 sind wir hier auch als Shareholder beteiligt. Ganz nach dem Raiffeisen-Motto „Was einer nicht kann, das können viele“ haben wir über diese Partnerschaft den Zugang zu mehr als 45.000 Experten auf der ganzen Welt. Das können wir optimal einsetzen, um auf Wunsch auch passende Lösungen im Ausland zu konstruieren.
Die Wirtschaft kommt heuer nach zwei Jahren Rezession wieder in den Wachstumsbereich. Wie läuft es im Firmenkundengeschäft?
Ransböck: Aufgrund unserer breiten Aufstellung können wir am Markt sehr gut reüssieren. Im Bausektor sehen wir aufgrund der angespannten Wirtschaftslage Umsatzrückgänge bei unseren Kunden. Wir sind aber z. B. auch im gemeinnützigen Wohnbau tätig, wo die Geschäftsdynamik wieder zunimmt. Und im Logistikmarkt, wo wir mit unserer Tochter Veritas stark vertreten sind, läuft es positiv. Wachstum sehen wir vor allem bei den Finanzinstituten. Mit unseren Kompetenzcentern sind wir sehr kosteneffizient aufgestellt. Zudem achten wir darauf, dass wir Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit einer hohen Expertise haben. Damit schränken wir die Notwendigkeit ein, auf externes Know-how
zurückzugreifen, was seinen Preis hat.
Worauf kommt es beim Versichern an?
Ransböck: Wir suchen für unsere Kunden die beste Deckung ihres Risikos aus. Das hat im Wesentlichen zwei Komponenten: einerseits das Bedingungswerk und andererseits den Preis. Bei der Bewertung der Produkte ziehen wir auch die Präferenzen unserer Kunden mit ein, etwa wenn ausschließlich österreichische Versicherer gewünscht werden oder bestimmte Gesellschaften aufgrund negativer Erfahrungen ausgeschlossen werden. Wir legen nach intensiven Gesprächen dann eine Liste der maßgeschneiderten Lösungen vor und geben unsere Empfehlung ab. Entscheiden muss natürlich der Kunde. Ich vergleiche den Prozess gerne damit, wenn jemand ins Kaufhaus geht und eine schwarze Hose möchte. Man kann der Person alle schwarzen Hosen vorlegen. Ein guter Verkäufer wird aber genau jene drei Modelle herzeigen, die am besten zur Person passen, und eine entsprechende Empfehlung abgeben.
Was ist bei der Wahl eines Versicherers wichtig?
Ransböck: Man kann schnell etwas kaufen oder verkaufen, ausschlaggebend ist aber, wie sich eine Versicherung oder ein Berater im Schadensfall verhält. Für unsere Kunden ist es wichtig, dass sie im Fall der Fälle mit einer raschen Schadensabwicklung und Auszahlung von Versicherungsleistungen rechnen können. Dazu tragen auch wir bei, indem wir die Kunden umfassend begleiten. Sollte eine Versicherung die Auszahlung für einen Schaden unserer Meinung nach zu Unrecht ablehnen, kämpfen wir dafür im Sinne unserer Kunden. Das ist unser Job als Makler und das nehmen wir sehr ernst.

Niemand macht sich gerne Gedanken über Risiken, die einen treffen könnten. Wie kommen Sie mit Kunden ins Gespräch?
Ransböck: Sich permanent damit zu beschäftigen, ist nicht zielführend. Allerdings sollte man sich als Unternehmen, aber auch als Privatperson einmal strukturiert mit dem Thema auseinandersetzen und ausloten: Welche Risiken möchte ich abdecken und welche möchte ich eventuell in Kauf nehmen? Grundsätzlich: Ich bin kein Fan davon, alles absichern zu wollen, denn zu viel Versicherung ist teuer – zu wenig wird teuer, wenn etwas passiert. Das Schönste, was uns passieren kann, ist, dass wir empfohlen werden – und das passiert immer mehr. Prinzipiell ist der Österreicher ein loyaler Kunde. Wenn er zufrieden ist, bleibt er bei seinem Makler oder Versicherer.
Wo sehen Sie Wachstumsmöglichkeiten?
Ransböck: Unsere Branche ist überaltert. Es gibt einige Makler, die 60plus sind und keine Nachfolge haben. Auch geht der Markt immer mehr in Richtung Maklergruppierungen. Ich sehe hier für die Zukunft ein Riesenpotenzial für Wachstum, sowohl organisch als auch anorganisch durch Zukäufe. Wir schauen uns den Markt sehr genau an, etwas Konkretes gibt es noch nicht zu berichten.
In den letzten Jahren wurde sehr viel über Cyberversicherungen gesprochen. Wie virulent ist das Thema?
Ransböck: Vor ein paar Jahren war der Markt in bestimmten Segmenten sehr eng. Wir haben kaum Versicherer gefunden, die eine Cyber- oder auch eine Managerhaftpflichtversicherung, also eine D&O-Versicherung, angeboten haben. Nun kommt mehr Bewegung in den Markt, auch weil das Bewusstsein insgesamt gestiegen ist, etwa aufgrund der zunehmenden Vorfälle, die nicht mehr wie früher totgeschwiegen werden. Vor kurzem hat es ja auch einen Cyberangriff auf das Innenministerium gegeben – das zeigt, dass im Prinzip jeder betroffen sein kann. Die sogenannte DACH-Region, also Deutschland, Österreich und die Schweiz, gehört mittlerweile zu den am meisten angegriffenen Regionen in Europa. Die Wahrscheinlichkeit, dass man angegriffen wird, ist also sehr, sehr hoch.
Worauf kommt es im Schadensfall an?
Ransböck: Das Management muss extrem schnell reagieren. Wie geht es mit den oft einhergehenden Erpressungsversuchen um? Ist es gescheiter zu zahlen oder nicht zu zahlen? Da kann eine Cyberversicherung mit erfahrenen, deutschsprachigen Teams, die rund um die Uhr erreichbar sind, einen Riesenvorteil bieten. Das verstehen die Kunden auch immer mehr.
Während in vielen Bereichen Online-Abschlüsse mittlerweile zum Standard gehören, ist das im Versicherungsmarkt nicht üblich. Wieso?
Ransböck: Es passt nicht zur Mentalität der Österreicher. Versicherungen werden hierzulande zu weit unter 5 Prozent online abgeschlossen und es gab in diesem Bereich in den letzten zehn Jahren auch keine Entwicklung. Im privaten Bereich kann ich mir vorstellen, dass z. B. Kfz-Versicherungen in den nächsten Jahren zu einem höheren Anteil auch digital abgeschlossen werden. Wenn es aber um Pensionsvorsorge, um die Kranken- oder Unfallversicherung geht, wird man auch künftig Berater brauchen.
Sie kennen den Versicherungsmarkt aus vielen Perspektiven, haben lange in der Branche gearbeitet. Jetzt blicken Sie seit fünf Jahren aus der Maklerperspektive auf den Markt. Was hat sich verändert?
Ransböck: Als Versicherungsmakler ist man viel näher am Kunden dran, was sehr wertvoll ist. Damit sieht und spürt man das Kundenbedürfnis noch viel besser. Für mich gibt es nichts Schöneres als einen Termin beim Großkunden – auch wenn es um schwierige Themen geht.
Ich stelle mich gerne Herausforderungen, und in Führungspositionen ist man mit Challenges permanent konfrontiert. Das bietet uns aber auch die Chance, unsere Kompetenzen zu zeigen. Mit den Herausforderungen wachsen wir. Bei mir haben die Erfahrungen in der Versicherungsbranche das Verständnis für die Dreiecksbeziehung Kunde-Versicherer-Makler geschärft. Es funktioniert auf Dauer nicht, wenn nur eine Seite Vorteile hat, entweder der Versicherer, weil er immer nur Prämien kassiert und Schadensfälle als nicht gedeckt ablehnt, oder der Kunde bei häufigen Schadensfällen. Dieses Verständnis unterscheidet mich von anderen Maklerkollegen.
Ein Zukunftsthema, das bei vielen schon angekommen ist, ist die Künstliche Intelligenz (KI). Wie sehen Sie die Entwicklung?
Ransböck: Eine KI ist wie ein zusätzlicher Mitarbeiter. Sie ist heute im Alltag angekommen, viele digitale Anwendungen nutzen bereits KI und der Trend wird weitergehen. Gerade als Manager sollte man sich deshalb frühzeitig mit neuen Technologien auseinandersetzen. Je genauer und konkreter ich damit arbeite, umso besser werden die Ergebnisse sein. Wir ermöglichen aus diesem Grund derzeit rund 15 Kollegen – inklusive mir – die Absolvierung eines intensiven KI-Lehrgangs, der mit einem Hochschulzertifikat abschließt. Denn auch in diesem Bereich wollen wir echtes Expertenwissen direkt im Unternehmen aufbauen.
Sie sind seit fünf Jahren an der Spitze der Aktuell-Gruppe. Mit der Corona-Pandemie und den anschließenden turbulenten Zeiten waren es auch für Manager sehr fordernde Jahre. Wie sieht Ihre persönliche Zwischenbilanz aus?
Ransböck: Ich bin wahnsinnig stolz, wie wir das Vertrauen der Kunden in diesen herausfordernden Jahren erarbeitet haben und welches Standing wir haben. Das spiegelt sich auch in unseren Ergebnissen wider, die kontinuierlich nach oben zeigen. Ich bin überzeugt, wir haben auch einen zufriedenen Eigentümer. All das wäre ohne ein eingespieltes Team, das seine Arbeit mit großem Einsatz und Professionalität verrichtet, nicht möglich. Wir haben in dieser Zeit auch konsequent an unserer Unternehmenskultur gearbeitet. Sie ist heute mit jener von vor fünf Jahren nicht mehr vergleichbar. Eine Unternehmenskultur zu ändern, ist tagtägliche Arbeit und ich versuche, mit gutem Vorbild voranzugehen. Besonders wichtig war es in der Gruppe, das eingeschlichene Silo-Denken aufzubrechen und den Kunden in den Mittelpunkt unserer Tätigkeit zu rücken. Der Privatkunde hat genauso seine Bedürfnisse wie der Großkunde – und man darf in keinem Bereich nachlassen.
Für die Zukunft der Aktuell-Gruppe werden Sie nun gemeinsam mit Ludwig Schleritzko verantwortlich zeichnen. Was erwarten Sie sich von Ihrem neuen Co-Geschäftsführer?
Ransböck: Zuallererst freue ich mich wirklich sehr, dass wir die Zukunft der Aktuell-Gruppe nun gemeinsam gestalten können. Mit Ludwig Schleritzko gewinnen wir nicht nur einen erfahrenen Experten, sondern auch jemanden mit exzellentem Wissen über die Region, den öffentlichen Sektor und die Wirtschaft. Diese zusätzliche Kompetenz ist ein großer Gewinn für uns und wird unseren organischen Wachstumskurs nachhaltig stärken. Davon bin ich überzeugt!