„Jetzt ist schon wieder was passiert“, begann Roland Adrowitzer seinen Vortrag. Er zitierte den österreichischen Schriftsteller Wolf Haas, dessen Brenner-Romane fast immer mit diesem Satz beginnen. Und selten waren diese Worte zutreffender als nach der US-Wahl. „Wir haben mit der Wahl Donald Trump das größte Comeback seit Lazarus gesehen. Und gleichzeitig implodierte das deutsche Kanzleramt und mit ihm die Regierung des wirtschaftsstärksten Landes in Europa“, fasste Adrowitzer die Ereignisse zusammen.
Der ehemalige ORF-Journalist analysierte auf Einladung des Raiffeisenverbandes Salzburg (RVS) in der Bankenhalle vor zahlreichen Interessierten die geopolitischen Auswirkungen der US-Wahl. „Trump kommt in einer Zeit an die Macht, in der sich die Krisen in einer Anzahl häufen, die ich noch nicht erlebt habe.“ Und der gebürtige Salzburger, der von 1978 bis zu seiner Pensionierung 2023 als ORF-Journalist tätig war – davon 13 Jahre als Auslandskorrespondent – hat durchaus turbulente Zeiten erlebt. „Die alte Ordnung ist tot, es gibt aber noch keine neue. Das macht diese Zeit so gefährlich“, so Adrowitzer.
„Die US-Amerikaner haben mit dem Republikaner Donald Trump einen verurteilten Straftäter ins Weiße Haus gewählt“, sagte Adrowitzer. Trumps Anhänger nehmen diese Verfehlungen in Kauf. „Trump ist ein unglaublicher Wahlkämpfer, das muss man ihm lassen.“ Trumps Kontrahentin, die Demokratin Kamala Harris, habe bei der Wahl nie eine echte Chance gehabt. „Die Menschen wussten nicht, wofür Harris steht. Es reicht nicht zu sagen: Ich bin nicht Trump“, analysierte Adrowitzer. Da half es auch nichts, dass sich Prominente wie Taylor Swift für Kamala Harris einsetzten.
Laut Adrowitzer gab es vor allem zwei dominante Themen für die US-Wähler: Wirtschaft und Migration. „Die hohe Inflation wurde der Biden-Regierung angekreidet. Und die Millionen illegalen Einwanderer sorgten für Unmut.“
Lehre aus der US-Wahl
Aus dieser Wahl könne man die Lehre ziehen, dass „die Wahrheit an Bedeutung verloren hat“. Adrowitzer betonte: „Es geht immer mehr um starke Aussagen, ob sie nun wahr sind oder nicht.“ So erinnerte der renommierte Journalist an eine Stadt im US-Bundesstaat Ohio, die es zu zweifelhaftem Ruhm brachte, weil Trump behauptet hatte, dort würden Katzen und Hunde von Migranten aus Haiti verspeist. Nichts davon stimmte, aber die Meldung verbreitete sich wie ein Lauffeuer.
Und wie gefährlich wird Trump für die amerikanische Demokratie? „In der ersten Periode gab es Menschen, die ihn eingebremst haben. Man nannte sie die Erwachsenen im Raum“, so Adrowitzer. Diese Personen habe Trump fast alle gefeuert. Das einzige Kriterium, das bei einer Neueinstellung noch gelte, sei Loyalität. „Er hat nur noch Ja-Sager um sich. Das macht ihn gefährlicher.“
Mit Sorge schaut Adrowitzer auch auf den Konflikt im Nahen Osten. „Trump gilt als Freund von Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Im Prinzip hat dieser nun freie Hand, was eine große Eskalationsgefahr darstellt. Mit unabsehbaren Folgen.“
Unsichere Zeiten für die Ukraine
Auch für die Ukraine sei die Wiederwahl Trumps keine gute Nachricht. Mit dem Überfall Russlands ist der Krieg 2022 nach Europa zurückgekehrt. „Niemand weiß, wie weit Wladimir Putin zu gehen bereit ist. Trump kündigte an, den Krieg in 24 Stunden zu beenden“, sagte Adrowitzer. Das sei purer Zynismus, allerdings sei sicher, dass die Geldquellen und die Unterstützung für die Ukraine nicht mehr in diesem Maß fließen, wie sie es unter der Regierung Biden taten.
Auf Europa kommt laut Adrowitzer nun eine Zeitenwende zu. „Früher haben wir das Thema Sicherheit an die US-Amerikaner ausgelagert, das Thema Energie an die Russen und das Thema Wirtschaftskraft und Wachstum an die Chinesen“, sagte Adrowitzer. Das werde so nicht mehr weitergehen. „Die EU muss ihren Platz zwischen den Machtblöcken USA, China und Russland finden. Europa hat nur gemeinsam eine Chance. Die Kräfte müssen gebündelt und es muss in die gemeinsame Sicherheit investiert werden.“