Vertrauensanker Genossenschaft

Bei der heurigen IGA-Tagung in Innsbruck wurden neue Wege, Chancen und Herausforderungen für genossenschaftliche Organisationen in stürmischen Zeiten diskutiert und aufgezeigt.

Nach zweijähriger Absenz widmete sich die Fachtagung des Internationalen Instituts für Genossenschaftsforschung für den Alpenraum (IGA) der Rolle der Genossenschaften bei den aktuellen multiplen Herausforderungen sowohl für die Wirtschaft als auch Gesellschaft. „Klimakrise, Corona, Krieg – das sind Schlagworte, die uns lange Zeit begleiten und derer wir schon überdrüssig sind“, erklärte IGA-Vorstandsvorsitzender und Geschäftsführer Arnulf Perkounigg bei der Eröffnung der Tagung. So begleite etwa die Klimakrise die Gesellschaft bereits seit Jahrzehnten. „Es wird viel gesprochen, viel geplant, viel beschlossen und wenig umgesetzt“, fasste Perkounigg die bisherige Entwicklung zusammen. Mit der Pandemie sei die Klimakrise in den Hintergrund getreten und durch den Krieg auf dem europäischen Kontinent sei man „wortwörtlich erschlagen worden“. Seither habe sich die Welt verändert, wie man sich das nicht hätte vorstellen können. In diesem Umfeld stelle sich für Genossenschaften wieder einmal die Frage, ob sie in diesen vollkommen unvorhersehbaren Zeiten zum Vertrauensanker werden können? Denn die Genossenschaftsidee wurde aus Krisensituationen geboren, rief Perkounigg als Einleitung in Erinnerung. 

Reinhard Wolf, Generaldirektor der Raiffeisen Ware Austria (RWA) und Vorstandsmitglied der Baywa, widmete sich in seinem Vortrag der Versorgungssicherheit der Landwirtschaft und in weiterer Folge mit landwirtschaftlichen Produkten. Vorab stellte er aber klar: „Das, was wir derzeit haben und was wir in den letzten Jahren hatten, ist keine Krise. Das sind Verwerfungen, Herausforderungen, Anstrengungen, die wir in den Waren- und Finanzmärkten, aber auch im sozialen Zusammenleben in der Gesellschaft unternehmen mussten.“ Aber unter einer Krise müsse man sich etwas „viel, viel Heftigeres vorstellen“, etwa das, was die Menschen derzeit im Krieg in der Ukraine erleben. „Dass wir wieder beginnen müssen, Zinsen zu rechnen, mit der Ware hauszuhalten und Lieferketten nicht haben, wie wir sie bisher gewohnt waren, damit müssen wir lernen umzugehen“, so Wolf. Eine ganz wichtige Rolle bei der Krise spiele die Dauer. Kurzfristige Herausforderungen von einigen Wochen und Monaten seien überbrückbar. „Wenn etwas aber ein Jahr dauert, dann habe das ganz andere Dimensionen“, so Wolf. Sich darauf vorzubereiten, sei extrem schwierig. Außerdem mache es einen wesentlichen Unterschied, ob es regionale oder globale Krisen seien. Wichtig sei auch, mit welcher Resilienz man in solche krisenhafte Entwicklungen gehe.

Reinhard Wolf bei der IGA-Tagung 2022
RWA-Generaldirektor Reinhard Wolf strich die wichtige Funktion der Genossenschaften für die Versorgungssicherheit der Landwirtschaft und der Bevölkerung hervor. (c) Karin Prackwieser

Die Landwirtschaft sei im Moment sowohl national als auch europaweit und selbst global relativ gut versorgt. Wenn man sich die Szenarien für die Zukunft anschaue, dann müsse man allerdings zur Kenntnis nehmen, dass vor allem der Klimawandel enormen Druck auf die landwirtschaftliche Produktion mache. „Wir haben östlich von St. Pölten bis zum Schwarzen Meer normalerweise eine Ernte bis zu 10 Tonnen Mais pro Hektar, heuer waren es 3 Tonnen“, schilderte Wolf. Der Klimaeinfluss werde jedes Jahr stärker. Gleichzeitig steigt die Weltbevölkerung. Seit November leben über 8 Milliarden Menschen auf der Erde – Tendenz weiter steigend. Allerdings sind Boden und Produktivität in der Landwirtschaft nicht beliebig vermehrbar.

Wesentliche Funktionen

In krisenhaften Entwicklungen spielen Genossenschaften in der Versorgung der Landwirtschaft, aber auch der Gesellschaft mit landwirtschaftlichen Produkten eine wesentliche Funktion, vor allem bei der Logistik und dem Transport. „Da reden wir meist über Millionen Tonnen, die es zu lagern, zu transportieren, frisch zu halten und zu manipulieren gilt. Das ist eine Kernaufgabe der Genossenschaften in den letzten 120 Jahren, die wir hervorragend gelöst haben. Darauf sind wir eingerichtet und das können wir.“ Daneben sorgen Genossenschaften aber auch für Solidarität. Viele Unternehmen nutzen die Krise als eine Möglichkeit, um die Dinge auszuoptimieren. Das entscheide dann oft darüber, ob die Ware in der Region bleibe oder nicht. „Als Genossenschaft denken wir anders“, so Wolf. Als Diesel in Österreich knapp wurde, habe man die Mitglieder aliquot nach dem Bezug der letzten drei Jahre versorgt. „Diese genossenschaftliche Solidarität ist in der Krise ein nicht zu unterschätzender Faktor“, strich Wolf hervor.

In Österreich fehle es aber immer noch an Instrumenten, wie man für gewisse Produkte eine strategische Bevorratung installieren könne. Hier plädiert der RWA-Vorstandsvorsitzende für eine Zusammenarbeit zwischen der öffentlichen Hand und dem privaten Sektor in Public-Private-Partnership-Modellen. Als Lernfaktor aus der Pandemie und dem Krieg in der Ukraine und deren Folgen können man mitnehmen, dass es ein staatliches Krisenmanagement-System brauche, das privatwirtschaftlich, am besten genossenschaftlich, umgesetzt und organisiert werde. „Das ist ein Gebot der Stunde“, so Wolf. 

Genossenschaften müssen Aktivitäten hochfahren

Für Gerhard Walther, Vorstandsvorsitzender der deutschen VR-Bank Mittelfranken Mitte, sei in diesen unsicheren Zeit mit hoher Inflation, steigenden Zinsen und einem breiten Arbeitskräftemangel vor allem genossenschaftliche Aktivitäten noch stärker gefragt. „Gerade als Bank lautet das Credo in der Krise, Stabilitätsanker in der Region zu sein und zu bleiben. Wir brauchen daher profitables Wachstum bei den richtigen Kunden und letztendlich geht es um Mitgliederwachstum“, so Walther. Beim Thema Nachhaltigkeit sollten keine große Reden gehalten werden, sondern geschaut werden, was man wirklich machen könne. So habe die Bank ihre Berater im Bereich Wohnen und Bauen zu Modernisierungsberater ausgebildet, um in die Kundenbeziehung auch das Thema Nachhaltigkeit zu integrieren. Mit Nachhaltigkeitssparbriefen will man Klimakredite refinanzieren, was auch Anleger motiviert, Geld dafür in die Hand zu nehmen.

Gerhard Walther bei der IGA-Tagung 2022
Der deutsche Bankmanager Gerhard Walther zeigte auf, wie sich Genossenschaftsbanken im herausfordernden Umfeld stärker positionieren können. (c) Karin Prackwieser

„Wir haben 15 Jahre lang erklärt, dass Einlagen Geld kosten und daher unattraktiv sind. Jetzt haben wir wieder eine Einlagenseite“, beschrieb Walther die neuen Rahmenbedingungen. Um die müsse man sich nun wieder stärker kümmern. Dazu habe die Bank eine große Informationskampagne unter den Mitarbeitern gestartet, um das Wachstumsziel von 7 Prozent im kommenden Jahr zu erreichen. Es geht darum, dass den Kurs nicht der Wind bestimmt, sondern immer noch das Segel und damit der Steuermann, schloss Walther. Denn es werde auch eine Zeit nach der Krise geben und auf die müssen wir uns vorbereiten. Für Genossenschaften gelte, dass sie generell stark seien, besonders aber in Krisen. 

Fokus auf Nachhaltigkeit

Dass die Zeiten vor allem für Banken auf der Regulierungsebene nicht unbedingt leichter werden, skizzierte Michael Laminger, Generalrevisor im Österreichischen Raiffeisenverband (ÖRV), in seinem Ausblick auf die Entwicklung der Nachhaltigkeitsberichterstattung, die ab 2024 deutlich mehr Unternehmen betreffen werde. Bisher sind in Österreich 90 Unternehmen dazu verpflichtet, künftig werden es bis 2026 an die 2.000 werden. Die EU definiere aktuell in ihrer Taxonomie-Verordnung, welche wirtschaftlichen Tätigkeiten als ökologisch nachhaltig angesehen werden können (grün) und welche nicht (braun), um einheitliche Standards festzulegen. „Ich gehe davon aus, dass wir erst dann die wahre Regulierung erleben werden“, so Laminger. Braune Tätigkeiten dürften dann wohl bei der Kreditvergabe pönalisiert werden, das könnte bis zu Verboten gehen. 

Michael Laminger bei der IGA-Tagung 2022
ÖRV-Generalrevisor Michael Laminger gab einen Ausblick, was auf Banken und Unternehmen im Zusammenhang mit der Nachhaltigkeitsberichterstattung zukommt. (c) Karin Prackwieser

In der Berichterstattung über die Nachhaltigkeit werden künftig drei wichtige Kennzahlen eine Rolle spielen: der Umsatzanteil, der Investitionsanteil und die Betriebsausgaben mit ökologisch nachhaltigen Initiativen. Da komme auf die Unternehmen, die künftig unter die EU-Taxonomie fallen, einiges an Hausaufgaben zu. So werden diese etwa ihre Energierechnung analysieren müssen, um einordnen zu können, welcher Energieanteil aus erneuerbaren bzw. fossilen Energiequellen komme. Doch auch Unternehmen, die nicht unmittelbar unter die Regelung fallen, könnten mittelbar als Lieferanten oder im Zuge der Kreditvergabe verpflichtet werden, gewisse Kennzahlen über die Nachhaltigkeit liefern zu müssen, um für Transparenz zu sorgen. „Ich kann mir nicht mehr vorstellen, dass man in zehn Jahren noch einen zweistelligen Millionenkredit bekommt, wenn man keinen geprüften Nachhaltigkeitsbericht am Tisch hat“, so Laminger. Daher rät der Generalrevisor den Unternehmen sich frühzeitig mit dem Thema auseinanderzusetzen und dieses auch in die Geschäftsstrategie einfließen zu lassen. Unternehmen und Banken, die künftig unter die Taxonomie fallen werden, sollten zumindest ein Jahr davor freiwillig einen Nachhaltigkeitsbericht verfassen und den auch prüfen lassen, um einerseits eine Standortbestimmung zu machen und andererseits Erfahrungswerte zu sammeln.

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