Weinbaupräsident Johannes Schmuckenschlager vergleicht es mit dem angekündigten Comeback von ABBA: Eine Rückkehr der 1970er-Jahre – so könne man die Erwartungen an den Weinjahrgang 2021 zusammenfassen. Denn die Lese wird heuer signifikant später starten und die Reife wird nicht ganz so hoch sein wie in den heißen Vorgängerjahren. Die Säuregehalte dürften durch die nach hinten verschobene Vegetation und die nun kühleren Nächte höher ausfallen. „Das wird insgesamt eine hohe Brillanz bringen“, erwartet Schmuckenschlager eine gute Harmonie zwischen den Inhaltsstoffen in den Beeren.
In den Worten der schwedischen Kultband gesprochen, wären die Weine dann „Dancing Queens“, also ein ganz klassisch-frischer Jahrgang, wie er früher einmal war. Ein goldener Herbst mit stabilen, warmen und trockenen Wetterphasen wird aber auch noch eine ausreichende Zuckereinlagerung möglich machen, sagt der Präsident. „Trotz des späten Jahrganges wird neben fruchtigen Weinen bis hin zu den Prädikaten alles produziert werden, was die heimische Weinlandschaft hergibt“, so der Präsident. Auch die Rotweinanlagen würden in eine gute Reife gehen.
Die kühle Witterung in der ersten Jahreshälfte und der spätere Austrieb der Reben hat Österreichs Weinbauern vor Spätfrostschäden wie in Teilen Frankreichs oder Italiens bewahrt. Dementsprechend spät blühten die Gescheine dann erst Mitte Juni. Einen Teil des Rückstandes holten die Reben aber dank konstant heißer Phasen wieder auf. Schwere Unwetter im Sommer brachten auch Verwüstungen in den Weingärten mit sich. Besonders wird dabei das Hagelgewitter am 24. Juni im Weinviertel in Erinnerung bleiben, bei dem rund 1.000 Hektar Reben schwer geschädigt wurden. Auch in vielen anderen Weinbaugebieten, wie in der Wachau, in Wien, im Mittelburgenland, in der Südsteiermark und im Vulkanland kam es zu Verlusten durch Eiskörner. Im Krems- und im Traisental brachte Starkregen Überschwemmungen mit sich. Während die Dürre im Frühsommer auf die Weinstöcke weniger Auswirkungen hatte als auf die restliche Landwirtschaft, bereitet der viele Regen in manchen Regionen seither den Weinbauern Kopfzerbrechen. Er sorgte gemeinsam mit hohen Temperaturen für großen Pilzdruck, dem nur mit aufwändiger Pflege beizukommen war. Allenthalben sind in den Rieden Weingärten zu finden, die von Krankheiten sichtbar gezeichnet sind.
„Insgesamt sind die Weingärten aufgrund der Feuchtigkeit aber vital“, so Schmuckenschlager, „es ist viel Laub vorhanden, das eine gute Photosyntheseleistung ermöglicht.“ In den meisten Regionen wurde mit der Lese ungefähr ab dem 20. August begonnen. Die Hauptlese wird dann zu Oktoberbeginn stattfinden. Aktuell wird vor allem rund um den Neusiedlersee, wo die Trauben stets früher reifen, für Sturm und Traubensaft geerntet. Unterm Strich steht trotz der Schädigungen ein mengenmäßig zufriedenstellender Jahrgang ins Haus. Der Weinbauverband geht von einer Menge von 2,4 Mio. Hektolitern aus – ähnlich der vorangegangenen Lese und nur etwas unter dem langjährigen Durchschnitt. Stabil zeigt sich nach Jahren von Schleuderpreisen auch der Traubenmarkt, auf dem lange ein sehr niedriges Niveau zu verzeichnen gewesen war. Wegen der späteren Lese sind laut Schmuckenschlager auch alterntige Fassweine noch gefragt und werden anständig bezahlt. Insgesamt konnten bei Basisqualitäten generell Marktanteile von den Nachbarländern zurückgewonnen werden. Eine Erfolgsgeschichte bleibt der Export. „Da ist es für die Versorgung unserer Märkte wichtig, dass wir wieder ausreichende Mengen hereinbringen können“, ist Schmuckenschlager zuversichtlich.
Generell war der Verkauf im letzten Jahr aufgrund von Corona herausfordernd. Wegen der Schließungen in der Gastronomie haben sich die Absatzmärkte verschoben. Einzelhandel, Ab Hof und Online konnten zulegen, der Konsum hochwertiger Weine im trauten Heim hat einen Teil der Einbußen außer Haus abgefedert. „Wir haben immer jene Kanäle unterstützt, die gerade offen waren“, berichtet der Geschäftsführer der Österreich Wein Marketing (ÖWM), Chris Yorke: „Es wurden so viele Kampagnen wie nie zuvor initiiert, wie etwa die größte Weintourismus-Werbung unserer Geschichte oder der Weinsommer als Ergänzung zum Weinherbst.“
Viele Verkostungen wurden virtuell übertragen, um den Kontakt zu den Abnehmern nicht abreißen zu lassen. So saßen beispielsweise heimische Winzer daheim in Büro, Keller oder Weingarten vor dem Laptop, potentielle Abnehmer hingegen mit einem Glas Wein in Moskau. Doch auch das physische Treffen kehrt zurück: In Zürich wurde vor kurzem die größte klassische Weinverkostung der Schweiz seit 18 Monaten mit 100 österreichischen Winzern und 400 Händlern durchgezogen. Chris Yorke ist zuversichtlich, dass der österreichische Wein trotz schwierigem Umfeld weiter gefragt sein wird: „Im ersten Quartal konnten wir kräftig zulegen. Auch die Zahlen für das zweite Jahresviertel, auf die wir gerade warten, werden sehr gut sein.“ Entscheidend für den weiteren Absatz werde die Skisaison: „Wir hoffen auf einen halbwegs normalen Winter, in dem im Westen österreichische Weine getrunken werden können.“