Die Landwirtschaft ist von Wetterextremen immer direkt betroffen. Ein Teil des Schadens bzw. der Ernteausfälle lässt sich mit Versicherungen abfangen. Momentan stellen sich viele die Frage, wann der Zeitpunkt gekommen ist, dass Wetterschäden nicht mehr versichert werden können. Denn nur, wenn das Prinzip des Zufalls gilt, macht eine Versicherung Sinn.
Mit umfassenden Daten zur globalen Wettersituation und verlässlichen Vorhersagen lassen sich wetterbedingte Katastrophen vorhersehen. Gerade die Versicherungsbranche ist auf solche Daten angewiesen. Sie sind essenziell, wenn es darum geht, die möglichen Schadenssummen sowie die Prämien zu errechnen. Was alleine die landwirtschaftliche Pflanzenversicherung betrifft, gibt Swiss Re, ein Schweizer Rückversicherer, der mit der Österreichischen Hagelversicherung zusammenarbeitet, den globalen Versicherungsmarkt mit 45 Milliarden Dollar an.
„Die Effekte des Klimawandels werden immer sichtbarer“, stellt Wetterexperte Andreas Weigel von Swiss Re fest. So verschieben sich etwa die Jahresmittelwerte – das Ansteigen der Jahresmitteltemperatur in Wien bringt ein erhöhtes Dürrerisiko mit sich. Die warmen Luftmassen sind in der Lage, größere Mengen an Flüssigkeit zu tragen, was wiederum zu Gewitterstürmen oder Starkregen führen kann. All diese Klima-Anomalien waren weltweit gesehen in den vergangenen Jahren gehäuft anzutreffen. Dass der Ursprung der Klimaerwärmung CO₂-Emissionen sind, ist für die Wissenschafter unbestritten.
Die Folgen von +2 Grad
Langfristige Klimavorhersagen sind schwierig, da sie abhängig vom Verhalten der Menschen sind. Wenn die globale Temperatur um nur 2 Grad wärmer wird, so wärmen sich laut Weigel der Mittelmeerraum und die Polargebiete überproportional auf. Was bedeutet das aber nun für die Landwirtschaft? Dazu kann man ein Pflanzenwachstumsmodell bemühen, bei dem alle Faktoren, wie Boden, Pflanzenart und Anbaupraxis, gleich bleiben und nur veränderte Wetterwerte eingesetzt werden. Beim Beispiel Mais zeigen sich starke Ertragsminimierungen in den süd- und osteuropäischen Ländern. Spanien kann als Hotspot Europas bezeichnet werden, was Dürreperioden betrifft. Bestimmte Anbauregionen werden sich nach Norden verschieben, eine vermehrte Bewässerung wird notwendig sein. Bleibt die Frage, ob dafür ausreichend Wasser zur Verfügung stehen wird.
Ein Phänomen, das in unseren Breiten immer öfter zu beobachten ist, sind Spätfröste. Da die Vegetationsperiode aufgrund der wärmeren Wetterverhältnisse um zwei bis drei Wochen früher als vor 40 Jahren beginnt, wirkt sich Frost besonders negativ aus. Betroffen sind hier speziell Wein- und Obstbauern. „Die Produktion in der Landwirtschaft wird immer fordernder. Daher bedarf es eines Rückversicherers für die Versicherung“, erklärt Kurt Weinberger, Vorstandsvorsitzender der Österreichischen Hagelversicherung. Zählte man Anfang der 1990er-Jahre noch 13 Hitzetage pro Jahr in Österreich, so sind es aktuell mehr als 50. In unseren Nachbarländern sind die Bedingungen ähnlich, wie Weinberger weiß. Er versichert nicht nur Landwirte in Österreich, sondern hat sein Geschäftsfeld auf sechs osteuropäische Länder ausgeweitet. In Slowenien ist er der einzige Versicherer für Frost, in Ungarn der einzige für Dürre.
Wie viel ist genug?
Verlässliche Wettervorhersagen können helfen, sich besser auf Unwetterereignisse vorzubereiten, aber auch die Anomalien zu dokumentieren und Prognosen zu erstellen. Die Frage, ob es in Österreich ausreichend viele Wetterstationen gibt, lässt sich nicht einfach mit „ja“ beantworten, wie Marcus Repnik, Direktor des SOFF-Sekretariats, zu bedenken gibt. Das UN-Programm SOFF (Systematic Observations Financing Facility) ist eine Kooperation mit der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) und hat sich zum Ziel gesetzt, ein vollständiges Messnetz über den Globus zu spannen, dieses zu finanzieren und somit für umfassende Wetterdaten zu sorgen.
Was haben Temperatur und Feuchtigkeit aber beispielsweise in Papua-Neuguinea auf der buchstäblich anderen Seite der Welt mit dem österreichischen Wetter zu tun? Sehr viel, weiß Michael Staudinger, ehemaliger Direktor von GeoSphere Austria (ZAMG) und Senior Consultant von SOFF. Denn um das Wetter in Österreich für bis zu drei Tage vorherzusagen, reichen die landeseigenen bzw. die Daten der Nachbarländer aus. Wenn man fünf bis sechs Tage in die Zukunft schauen möchte, benötigt man Daten des Atlantikraums. Und für eine seriöse Wettervorhersage von einer Woche muss man auch die Aufzeichnungen des Pazifiks als Grundlage haben.
Für eine genaue Erfassung der Daten, die von den Experten der WMO als allgemeines, öffentliches Gut angesehen werden und kostenfrei zur Verfügung stehen, müsste weltweit alle 200 Kilometer eine Wetterstation und alle 500 Kilometer eine Radiosonde installiert werden. Hier liegt noch einiges an Arbeit vor SOFF, der erste Schritt war die verbindliche Einigung der 193 teilnehmenden Länder.
Marokkanische Verhältnisse
Das Wetter ist also eine globale Angelegenheit, die eine Zusammenarbeit aller Länder erfordert – auch jener, die die finanziellen Mittel dafür nicht haben. Man sollte die Installation solcher Wetterstationen aber nicht als „Entwicklungshilfe“ einstufen, denn sie dienen auch uns selbst und unserer Wirtschaft. Es lohnt sich, darin zu investieren – Österreich hat diese Chance erkannt und spielt bei SOFF eine Vorreiterrolle. Erst kürzlich war GeoSphere im Südsudan unterwegs, um die Anzahl der nötigen Stationen zu ermitteln.
Entscheidend wird sein, das öffentliche Interesse für die Thematik des Klimawandels anzufachen. Eine herausfordernde Aufgabe, denn dieser wird vor allem die nächste Generation treffen, betont Staudinger. Sollte die Wende nicht gelingen, prognostiziert der Experte für das Wien der 2050er-Jahre marokkanische Wetterverhältnisse – ein Szenario, das sicher nicht nur Versicherungen vermeiden wollen.