Seit 2019 gab es in Österreich rund 73.000 Wildunfälle pro Jahr. In den meisten Fällen kollidieren Kraftfahrzeuge mit einem Reh (55 Prozent) oder mit einem Hasen (26 Prozent). Laut der Statistik des Kuratoriums für Verkehrssicherheit (KFV) ist in den vergangenen 16 Jahren die Anzahl der bei Verkehrsunfällen getöteten Rehe um 7 Prozent gestiegen, bei Rotwild gibt es ein Plus von 3 Prozent. Hasen wurden hingegen um 55 Prozent weniger getötet, bei Fasanen gibt es einen Rückgang von 63 Prozent.
„Eine Kollision mit einem Reh oder Hirsch bedeutet natürlich auch ein größeres Gefahrenpotenzial für die Menschen am Steuer“, weiß KFV-Direktor Christian Schimanofsky und gibt ein weiteres Beispiel: „Trifft man mit 50 km/h auf ein 80 kg schweres Wildschwein, wirkt ein Aufprallgewicht von zwei Tonnen auf Fahrzeug und Fahrer.“
Das höhere Gefahrenpotenzial von größeren Wildtieren macht sich auch in den Daten auf Bezirksebene bemerkbar, wie der KFV-Direktor erläutert: „Der Bezirk Neusiedl am See, wo deutlich mehr Hasen als Rehe überfahren werden, liegt zwar in der Fallwildstatistik mit durchschnittlich 3.030 Unfällen pro Jahr gleichauf mit Mistelbach an erster Stelle. Die meisten Wildunfälle mit Personenschäden passieren allerdings im Bezirk Amstetten, wo sich 4 Prozent aller Wildunfälle mit verletzten oder getöteten Menschen ereignen.“ In den letzten fünf Jahren wurden in Österreich insgesamt 1.586 Personen bei Wildunfällen verletzt und sechs Menschen getötet. Das sind durchschnittlich 317 Verletzte pro Jahr.
Hohe Gefahr in Niederösterreich
Mehr als 39 Prozent aller auf der Straße getöteten Wildtiere starben in den letzten fünf Jahren in Niederösterreich und 35 Prozent aller Wildunfälle mit Personenschäden ereigneten sich ebenfalls in diesem Bundesland. Erhöhter Pendlerverkehr – vor allem rund um Wien – und die generell stark ausgeprägte Verkehrsinfrastruktur würden zu dem überproportionalen Unfallaufkommen führen, wie Landesjägermeister Josef Pröll erklärt: „Wildtiere sind gerade in Niederösterreich damit konfrontiert, dass ihre Lebensräume von vielen Straßen zerschnitten sind und diese deshalb häufiger queren müssen.“
Bundesland, Jagdverband und die Land&Forst Betriebe Österreich arbeiten bereits intensiv zusammen und bringen Wildwarngeräte an den weißen Pflöcken entlang von Straßen an, die verhindern, dass Wild beim Herannahen von Fahrzeugen Straßen quert. „1.870 km Landesstraßen haben wir bereits damit ausgestattet. In manchen Revieren konnten wir das Unfallaufkommen um bis zu 70 Prozent reduzieren“, betont Pröll.
Dass es vermehrt Rehe trifft, sei unter anderem auch dem Klimawandel sowie der zunehmenden Freizeitnutzung geschuldet, sagt Pröll: „Wir beobachten, dass Rehwild auf der Suche nach wasserhaltiger Nahrung immer weitere Strecken zurücklegt. Dabei quert es zwangsläufig auch Straßen häufiger. Einer der Hauptauslöser für Wildunfälle dürfte aber auch der Druck durch Freizeitnutzer sein, die Wild aufscheuchen. Rehe flüchten dann oftmals über Straßen in die nächsten Einstände und Deckungen, während Niederwild auf seine Deckung vertraut und nur die Flucht ergreift, wenn sich Menschen weiter direkt annähern.“
Richtig reagieren
„Bitte seien Sie im Herbst wegen des früheren Dämmerungseinbruchs besonders achtsam, denn rund 47 Prozent aller Wildunfälle mit Personenschäden ereignen sich bei Dunkelheit und 10 Prozent bei Dämmerung“, appelliert KFV-Direktor Schimanofsky. „Und denken Sie immer daran, dass ein Ausweichmanöver in der Regel mehr Risiken birgt als ein möglicher Zusammenstoß.“
Wenn ein Wildtier vor dem Fahrzeug auftaucht, laute daher die Empfehlung des KFV: Abblenden, hupen, stark bremsen und das Lenkrad gut festhalten. Sollte die Kollision dennoch unvermeidbar sein, keinesfalls unkontrolliert ausweichen. „Ganz wichtig ist auch, sich beim Fahren immer auf das Verkehrsgeschehen zu konzentrieren und auf eine angepasste Geschwindigkeit zu achten“, mahnt Schimanofsky. Denn die häufigsten Unfallursachen bei Wildunfällen mit Personenschäden sind Unachtsamkeit und Ablenkung (54 Prozent) sowie eine nicht angepasste Geschwindigkeit (39 Prozent).
Nach einem Wildunfall gilt es, die Unfallstelle abzusichern, verletzte Personen zu versorgen sowie die Polizei und im Bedarfsfall auch die Rettung zu verständigen. „Jeder Unfall – auch wenn das Tier flüchtet – muss der Polizei gemeldet werden. Sie nimmt den Unfall auf und informiert die Jägerschaft, die die Bergung übernimmt“, sagt Pröll und betont, dass das Tier keinesfalls eingepackt und mitgenommen werden darf.