So eine Welle der Euphorie erlebt Fußball-Österreich selten. Gerade einmal dreieinhalb Stunden dauerte es, bis das – immerhin 48.000 Zuschauer fassende – Happel-Stadion für das Qualifikationsspiel im Oktober gegen Belgien ausverkauft war. Rekordzeit! Und auch das Kontingent für das Auswärtsspiel in Schweden am 12. September war schnell vergriffen. Kein Wunder, hat sich die Mannschaft von Teamchef Ralf Rangnick mit zehn Punkten aus den ersten vier Qualifikationsspielen eine glänzende Ausgangsposition verschafft, um es zur Europameisterschaft 2024 nach Deutschland zu schaffen. Mit einem Sieg in Stockholm wären Arnautovic, Alaba & Co. so gut wie sicher qualifiziert, ein Scheitern wäre nur mehr eine theoretische Option. Und selbst bei einem Unentschieden müssten viele Faktoren zusammenkommen, damit die Qualifikation noch schiefgeht. Schließlich wurden die Skandinavier im Juni vor heimischem Publikum mit 2:0 besiegt.
„Ich wurde darin bestätigt, dass diese Spieler vor Mentalität, Gier und Siegeswillen nur so strotzen“, frohlockt Rangnick. Und verlangt jetzt von seinen Profis, auch in der zweiten Hälfte der Qualifikation keinen Deut nachzulassen. Eine Gefahr, die eher gering zu sein scheint. Denn einige Führungsspieler im Team haben sich im Sommer einer – teils radikalen – Veränderung unterzogen und neue Verträge bei Klubs unterschrieben, bei denen sie sich weiterentwickeln und den nächsten Schritt in ihren Karrieren machen können. So etwas schärft die Sinne und verhindert, dass man es sich in seiner Komfortzone zu gemütlich einrichtet.
Wir nehmen die sechs spektakulärsten Wechsel von Rangnicks Führungsspielern unter die Lupe und erklären, warum sie auch für das Nationalteam positiv sind:
Der Inter-Rückkehrer
Mit diesem Transfer hätten wohl die Wenigsten gerechnet. Erst wollte AS Roma mit Startrainer José Mourinho Marko Arnautovic verpflichten, gelungen ist der Coup aber dem italienischen Meisterschaftsmitfavoriten Inter Mailand. Der stellte den bereits 34-jährigen Rekord-Nationalspieler (108 Einsätze) mit einem animierten Video vor, das Arnautovic als Astronauten im Weltall zeigt – ein Zeichen dafür, wie groß die Wertschätzung für den Mann ist, der bereits 2010 für kurze Zeit das Trikot von Inter trug, sich damals beim amtierenden Champions-League-Sieger aber nicht durchsetzen konnte.
„Vor 13 Jahren war ich mehr Fan als Spieler. Heute komme ich, um mit dem Klub eine Trophäe zu gewinnen“, meinte „Arnie“ bei seiner Präsentation. Und ließ mit einem Assist in seinem allerersten Spiel den Worten gleich Taten folgen. Teamchef Rangnick wird es freuen, dass sein Schützling endlich bei einem ganz großen europäischen Top-Klub gelandet ist und dort auch eine entscheidende Rolle spielen soll.
Der stille Star
RB Leipzig, Bayern München, Manchester United – und jetzt Borussia Dortmund. Mittelfeld-Stratege Marcel Sabitzer hat mittlerweile viele europäische Spitzenklubs gesehen und soll nun dabei mithelfen, endlich den ersten Meistertitel seit 2012 ins Ruhrgebiet zu holen. Eine Mission, die nach dem dramatischen Saisonfinale zuletzt mit viel Druck verbunden ist. Doch genau daran soll Sabitzer wachsen, der zwar ein ruhiger Charakter ist, mittlerweile aber zu den unumstrittenen Führungsspielern beim ÖFB-Team zählt. „Ich will angreifen, ich will hier Spaß haben, wieder in der Liga mich so präsentieren, wie ich es in der Vergangenheit in Leipzig gemacht habe“, bläst der 29-Jährige zum Angriff. Und macht keinen Hehl daraus, dass eine EURO in seiner Wahlheimat mehr als nur eine kleine Portion Extramotivation darstellt.
Der Gewiefte
Viele schüttelten mit dem Kopf, als Tormann Alex Schlager Ende vergangener Saison verkündete, vom LASK zum Serienmeister Red Bull Salzburg zu wechseln. Wie kann man seine Chance, als Nummer 1 zur EM zu fahren, nur so leicht wegwerfen, lautete der Tenor. Schließlich ging man davon aus, dass für den 27-Jährigen hinter Philipp Köhn nur die Ersatzrolle bliebe. Doch weit gefehlt, entpuppte sich der Transfer doch als gewiefter Schachzug: Köhn wechselte nach Monaco und Schlager wurde zur fixen Nummer 1, die demnächst erstmals sogar in der Champions League ihren Mann steht. Beste Voraussetzungen also, auch im ÖFB-Team weiterhin der Fels in der Brandung zu sein. „Der Schritt fühlte sich für mich von Beginn an absolut richtig an und das ist für mich das Wichtigste“, sagt der Goalie. „Hier passt einfach alles perfekt für mich.“
Die Leipzig-Asse
Alleskönner Nicolas Seiwald gehört genau zu der Sorte Spieler, für die Ralf Rangnick eine Schwäche hat: dynamisch, aggressiv, schnell im Denken, präzise im Passspiel. Qualitäten, die der Youngster lange im Dress von Red Bull Salzburg gezeigt hat und die er nun in der deutschen Bundesliga bei Rasen Ballsport Leipzig in die Waagschale wirft. „Nici ist ein Musterbeispiel dafür, was mit einer Top-Mentalität möglich ist. Ein Spieler, der sich immer weiter verbessern möchte und alles aufsaugt, was ihn besser macht“, lobt Rangnick seinen „Sechser“ im Mittelfeld.
Ebenfalls nach Leipzig ging Christoph Baumgartner, der zuletzt mit seinem Doppelpack beim 2:0-Heimsieg über Schweden für Euphorie sorgte. Beim ostdeutschen Klub will er seinen Aufwärtstrend, den er zuletzt bei der TSG Hoffenheim zeigte, weiter und vor allem auf internationalem Niveau fortsetzen. Auch wenn ihn zu Saisonbeginn eine leichte Muskelverletzung stoppte, für das Spiel in Stockholm ist der torgefährliche Mittelfeldspieler bereit.
Der Abräumer
Bei seinem „Lieblings-Abräumer“ Konrad Laimer macht Rangnick auch verbal keine Kompromisse. „Ich halte Koni für den besten Balleroberer der Welt“, frohlockt der Teamchef. Das sieht offenbar auch der deutsche Dauer-Meister Bayern München so und verpflichtete den 26-Jährigen vom Konkurrenten RB Leipzig. Eine Aufgabe, an der der Blondschopf noch einmal wachsen und so zu einer entscheidenden Stütze mit Blick auf die Europameisterschaft werden kann. Denn dort, das hat Rangnick bereits angekündigt, möchte man nicht nur dabei sein, sondern auch eine gute Rolle spielen. Da braucht es Spieler wie Laimer, die mit ihrer internationalen Erfahrung und einer „Pfeif-mir-nix-Mentalität“ vorneweg marschieren.
Vor dem Match in Schweden gibt es am 7. September übrigens noch ein freundschaftliches Länderspiel in Linz, Gegner ist die Mannschaft der Republik Moldau. Tickets für die Raiffeisen Arena gibt es nur noch wenige – schließlich ist die Euphorie rund um das Nationalteam in ganz Österreich greifbar.