Raiffeisenverband Tirol stellt Weichen für die Zukunft

Der Raiffeisenverband Tirol berichtet über positive Ergebnisse aller Mitgliedsunternehmen und ist durch eine Neuausrichtung auch selbst resilienter geworden.

„2023 gilt als Jahr des Umbruchs für die Wirtschaft und Gesellschaft“, fasst Raiffeisenverband-Tirol-Obmann Hermann Kuenz kurz zusammen. Negative Wirtschaftsentwicklung, hohe Inflation, gestiegene Leitzinssätze, große Volatilitäten und kräftige Lohnerhöhungen hätten die Verantwortungsträger im Vorjahr besonders stark gefordert. Tirols Wirtschaft habe sich in diesem Umfeld erstaunlich widerstandsfähig erwiesen, analysiert Kuenz beim diesjährigen Verbandstag in der Messe Innsbruck und führt dies auf die Sektorvielfalt aus Industrie, Handel und Tourismus sowie die positiven Beschäftigungszahlen zurück. 

Auch Raiffeisen Tirol hat sich im Vorjahr gut entwickelt und alle Mitgliedsunternehmen haben positive Ergebnisse erwirtschaftet, wie Verbandsdirektor Edwin Grubert berichtet: „Die Raiff­eisenbankengruppe Tirol hat eine gesunde Entwicklung und solide Basis.“ Die 42 Raiffeisenbanken und die Raiffeisen-Landesbank konnten im Vorjahr die Bilanzsumme um 1,3 Prozent auf 15,7 Mrd. Euro steigern. Auch die Ausleihungen sind um 1,7 Prozent auf 11,4 Mrd. Euro gestiegen. „Wenn man das wirtschaftliche Umfeld betrachtet, muss man selbst zu dem geringeren Wachstum gratulieren“, so Grubert. Die Einlagen sind auf 11,6 Mrd. Euro gesunken, das entspricht einem Rückgang von 0,8 Prozent – zum Vergleich: im Bundesschnitt sind die Einlagen um 4,8 Prozent rückläufig gewesen. Die Eigenmittelquote hat sich 2023 von 18,4 auf 19,8 Prozent erhöht und auch die harte Kernkapitalquote (CET1-Ratio) hat sich um 1,4 Prozentpunkte auf 19,7 Prozent verbessert. Die Raiffeisenbankengruppe Tirol verkörpere Sicherheit, Nachhaltigkeit und Regionalität, betont Kuenz, was im Ausnahmejahr 2023 auch zu einem neuen Rekord bei den Betriebserträgen geführt habe. 

Hermann Kuenz
Hermann Kuenz © RV Tirol/Franz Oss

„Durchaus beträchtlich“ haben sich im Vorjahr auch die Warengenossenschaften entwickelt, so Grubert. Die neun selbstständigen Lagerhäuser, die zwei warenführenden Raiffeisenbanken, ein Lagerhaus-Konzern in Osttirol und zwei GmbH-Töchter von Genossenschaften haben in Summe 147 Mio. Euro Umsatz erzielt. Die fünf operativ tätigen Milchgenossenschaften erwirtschafteten mit 22,8 Mio. Kilogramm Milchverarbeitung einen Umsatz von mehr als 27,0 Mio. Euro. 

Dynamische Entwicklung

Eine dynamische Entwicklung und großes Zukunftspotenzial gebe es bei den Energiegenossenschaften, die im Vorjahr ihren Umsatz von 14,7 auf über 20 Mio. Euro gesteigert haben. „Im Vorjahr wurden sieben neue Energiegenossenschaften gegründet, drei weitere sind momentan in Gründung und das wird noch nicht der Abschluss sein“, prognostiziert Grubert. Denn Energiegenossenschaften seien wichtige Nahversorger, schützen das Klima und können das landwirtschaftliche Einkommen verbessern. 

Den 44 sonstigen Produktions- und Dienstleistungsgenossenschaften ist es ebenfalls gelungen, positive Ergebnisse zu erzielen. Insgesamt verzeichnet der Raiffeisenverband Tirol eine Bewegung bei seinen Mitgliedern: Im Vorjahr haben acht Banken fusioniert, eine Milch-, sieben Energiegenossenschaften sowie acht sonstige Genossenschaften wurden neu aufgenommen. 

Alexander Büchel und Edwin Grubert
© RV Tirol/Franz Oss

Transparenz als Schlüssel

Der Raiffeisenverband Tirol hat im Vorjahr auch selbst „weitreichende Zukunftsentscheidungen“ getroffen, betont der Obmann und spricht dabei die Bestellung des neuen Verbandsdirektors Alexander Büchel an. Büchel ist vom Genossenschaftsverband Bayern nach Tirol gewechselt und hat mit 1. September 2023 die Geschäftsführung im Bereich Prüfung übernommen. „Sein Know-how und der Blick von außen tun unheimlich gut“, freut sich Kuenz. 

Alexander Büchel skizzierte beim Verbandstag die Vorhaben, die bei einer Klausur mit den Mitgliedern herausgearbeitet wurden. Neben der Stabilisierung der Finanzen, der man mit der gemeinsamen Dotierung eines Sonderfonds deutlich nähergekommen ist, gehe es um eine Verbesserung der Ablauforganisation. Zudem soll das Leistungsportfolio ausgebaut werden. „Die Weiterentwicklung der Bankausbildung ist ein ganz wichtiges Projekt“, betont Büchel. Ab Oktober 2024 wird die neue Ausbildung starten und auch das Seminarangebot für Funktionäre wird ausgeweitet. Stärken will man auch den Außenauftritt des Verbandes über Social Media und einen Relaunch der Website. Büchel will eine offene Kommunikation zu den Mitgliedern pflegen: „Transparenz ist der Schlüssel, um Vertrauen zu gewinnen.“ 

Lisa Spöck
Lisa Spöck © RV Tirol/Franz Oss

Mehr Diversität

Fortsetzen will Obmann Hermann Kuenz die Bemühungen, dass die Funktionärsebene jünger und weiblicher wird: „Wir haben in den letzten Jahren deutliche Fortschritte erzielt und den Funktionärinnen-Anteil von 3 Prozent im Jahr 2014 auf aktuell 17 Prozent bei den Banken gesteigert. Nur mehr fünf Banken sind ohne eine Funktionärin.“ Vor zehn Jahren hat der österreichweite Funktionärinnen-Beirat das Ziel 25 Prozent bis 2025 in den Gremien der Raiffeisenbanken ausgerufen.

Lisa Spöck, Vertreterin der Tiroler Funktionärinnen im Beirat, sieht das Ziel noch in Reichweite: „Die Möglichkeit ist noch vorhanden, denn heuer und im kommenden Jahr stehen noch einige Wahlen an. Die Richtung ist gut.“ Bei den Lagerhaus-Genossenschaften und Molkereien wurde erst im Vorjahr mit Bemühungen begonnen, hier liegen die Funktionärinnen-Anteile noch bei 3,45 und 2,06 Prozent. 

Ära der Superintelligenz 

Gastredner beim diesjährigen Verbandstag war Technologieberater Joseph Reger, der mit den Mitgliedern in die Welt der Artificial Intelligence eintauchte: „Künstliche Intelligenz ist das Größte, was die Welt je erlebt hat, weil es das Leben lebenswürdiger macht.“ KI unterstütze die Menschen, steigert die Effizienz und bringt einen Schub für die Gesundheit und Bildung, ist der Wissenschafter überzeugt und spricht von einer „Schlüsseltechnologie“, die alles beeinflussen wird. KI sollte demnach nicht als Bedrohung wahrgenommen werden oder ignoriert werden, sondern man sollte die vielen Chancen erkennen, so Reger. 

Joseph Reger
Joseph Reger © RV Tirol/Franz Oss

Das Problem der Künstlichen Intelligenz seien allerdings die Daten, auf die zugegriffen wird. „Diskriminierung ist ein Problem der Daten, die allerdings ein Abbild der Gesellschaft sind. Die KI hält uns bloß einen Spiegel vor“, erklärt Reger. Auf dem Weg zur „Ära der Superintelligenz“, wo die Künstliche Intelligenz alles besser kann als der Mensch, gebe es noch viele Herausforderungen: „KI kommt nicht gratis, sondern die unglaublich viele Rechnerei braucht unglaublich viel Energie. Nachhaltigkeit ist ein riesiges Problem.“ Erst wenn Quantencomputing und KI zusammenfinden, rechnet Reger mit einer Entwicklungsspirale, die man „noch nie zuvor gesehen hat“.

Reger erkennt: „Die gesellschaftliche Herausforderung ist groß, aber KI wird sich nicht aufhalten lassen.“ Er warnt gleichzeitig vor zu viel Regulierung: „KI ist ein Schlüsselfaktor unserer Wettbewerbsfähigkeit, deshalb ist eine Überregulierung in der EU nicht sehr klug.“ Der Experte rät auch Raiffeisen, eine zentrale KI-Instanz einzurichten, wo etwa Förderanträge der Mitglieder und Ähnliches automatisch abgewickelt werden: „Man könnte heute schon davon profitieren und Gewinne lukrieren. Trivial ist es nicht, aber es ist machbar.“ 

Obmann wiedergewählt

Beim Verbandstag standen heuer auch Vorstandswahlen an: Hermann Kuenz wurde einstimmig um vier weitere Jahre als Obmann verlängert. Kuenz sieht darin die Bestätigung und den Auftrag, sich den Genossenschaften als attraktive Organisationsform stärker zu widmen und neue Mitglieder zu gewinnen – vor allem im Energie- und Sozialbereich. 

AusgabeRZ26-24

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