Raiffeisentag 2024: Fortschritt durch Werte 

Der Raiffeisentag 2024 spannte einen thematischen Bogen von der Rolle Europas in der Welt über den Standort Österreich bis hin zur Bedeutung regionaler Wertschöpfung.

Im Zeichen der wirtschaftlichen und politischen Transformation stand heuer der Österreichische Raiffeisentag im Tiroler Vordenker-Dorf Alpbach. „Raiffeisen steht nicht still, Raiffeisen gestaltet“ war der Tenor der Veranstaltung, die alle zwei Jahre vom Österreichischen Raiffeisenverband (ÖRV) organisiert wird und heuer unter dem Motto „Fortschritt durch genossenschaftliche Werte“ stand. Mehr als 250 Spitzenvertreter aller Sparten und Bundesländer folgten der Einladung von Generalanwalt Erwin Hameseder und Generalsekretär Johannes Rehulka.

„Raiffeisen mit seinen Regionalbanken und Landesbanken, mit seinen Lagerhaus-Genossenschaften, Milch- und Weinbaugenossenschaften und zunehmend auch Energiegenossenschaften bewegt unsere Volkswirtschaft. Mit unserer regionalen Ausrichtung leisten wir einen wesentlichen Beitrag zur wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Vitalität in Österreich. Raiffeisen ist eine Bewegung auf dem Land und für das Land“, betonte der Generalanwalt.

Trotz wirtschaftlicher Umbrüche, gesellschaftlicher Veränderungen und weltweit geopolitischer Spannungen dürfe man nicht in Schockstarre verfallen, sondern müsse zuversichtlich in die Zukunft schauen: „Raiffeisen war immer dann am erfolgreichsten, wenn es auf Grundlage gemeinsamer Werte ein gemeinsames Ziel und die Bereitschaft zur Kooperation gab“, erinnerte Hameseder an die genossenschaftlichen Prinzipien der Subsidiarität und Solidarität. Das Zulassen von Vielfalt und die Förderung der Regionen seien für Raiffeisen täglich Brot. Worauf es ankomme, sei gute Zusammenarbeit, gegenseitiges Vertrauen und Handschlagqualität. „Immer dann, wenn dies zugetroffen hat, ist Raiffeisen gestärkt aus herausfordernden Situationen hervorgegangen“, machte der Generalanwalt Mut. 

„Raiffeisen steht nicht still, Raiffeisen gestaltet“, betont Generalanwalt Erwin Hameseder in seiner Rede beim Raiffeisentag 2024 in Alpbach.
„Raiffeisen steht nicht still, Raiffeisen gestaltet“, betont Generalanwalt Erwin Hameseder in seiner Rede beim Raiffeisentag 2024 in Alpbach. © ÖRV/Roland Rudolph

Mut statt Bürokratie

„Wir leben in Zeiten der Transformation und diese findet nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch technologisch statt“, erklärte Landeshauptmann Anton Mattle in seiner Begrüßungsrede. Dabei erlebe der Genossenschaftsgedanke durchaus eine Renaissance, denn es lasse sich eben nicht alles über Kapitalgesellschaften darstellen. Mattle warnt davor, wirtschaftliche Entwicklungen in Europa wieder einmal zu verschlafen: „Wenn wir jetzt in dieser Zeit der Transformation den Anschluss an die anderen großen Wirtschaftsräume verlieren, dann werden wir das, was uns stark macht – Wohlstand und Sicherheit – nicht mehr genießen können.“ Es brauche daher wieder mehr Mut in Europa, aber nicht immer mehr Bürokratie. Leistung als ein hohes Gut müsse in der Gesellschaft, aber auch in den Arbeitsmodellen wieder stärker belohnt werden, forderte Tirols Landeshauptmann. 

Kurskorrektur für Europa

Marija Kolak, Präsidentin des Bundesverbandes der Deutschen Volks- und Raiffeisenbanken (BVR), wies in ihrer Keynote am Raiffeisentag darauf hin, dass in Europa viele wichtige Entscheidungen bevorstehen. Umso wichtiger sei es, die Sorgen der Menschen dabei nicht zu ignorieren. Die Wahlen zum Europäischen Parlament seien ein Stimmungstest gewesen, nun sei es an der Zeit, eine entsprechende Kurskorrektur vorzunehmen: „Die EU sollte stärker Themen wie die Wettbewerbsfähigkeit in den Vordergrund stellen und nicht die Regulatorik“, mahnte die deutsche Bankerin ein. Genossenschaftsbanken seien und waren ein verlässlicher Partner in Zeiten der Transformation, um Wachstum zu finanzieren. „Gerade, weil Europa über die Zeit so viel errungen hat, wollen wir, dass es stabil bleibt“, strich Kolak hervor. 

In Europa stehen vor allem im Finanzbereich zahlreiche Entscheidungen an – etwa zum digitalen Euro. Dabei gehe es auch um die Rolle der Banken in einem zunehmend digitalen Zahlungsverkehr. „Die Europäische Zentralbank hat einen Auftrag: für stabile Preise zu sorgen. Wir Banken sind diejenigen, die sich um den Kunden kümmern, und wir haben bereits funktionierende Systeme für den Zahlungsverkehr. Es kann nicht sein, dass die EZB unseren Job machen möchte. Damit würde sie das gefährden, was diesen Standort so stark gemacht hat“, warnte die Interessenvertreterin. Bei der Einlagensicherung plädierte Kolak, auf bewährte Institutssicherungssysteme zu vertrauen: „Man braucht auf regionaler Ebene nicht dort einzugreifen, wo es funktioniert.“ Die Schaffung einer Kapitalmarktunion mit ihren zahlreichen Facetten begrüßte die Finanzexpertin, um den Kapitalmarkt einfacher zu gestalten und die Kreditfinanzierung zu ergänzen. 

Konstruktives Weiterarbeiten ermöglichen

In der anschließenden Diskussion analysierten die BVR-Präsidentin und Generalanwalt Hameseder auch die Wahlen zum Europäischen Parlament: „Das Wahlergebnis auf EU-Ebene war ein Weckruf. Ich bin überzeugt, dass dieser Weckruf in unserer Bevölkerung sehr gut gehört wurde und wird“, mahnte Hameseder. Es gehe nun darum, dass die Mitte der Gesellschaft bei den kommenden Parlamentswahlen in Österreich Voraussetzungen schaffe, damit ein konstruktives Weiterarbeiten ermöglicht werde. Ein Stärken der linken und rechten Ränder könne man sich nicht wünschen. Denn: „Polarisierung hat uns nie weitergebracht“, so Hameseder. 

Für Kolak ist in Europa eine echte Kraftanstrengung notwendig, um die Union auf einen zukunftsfähigen Weg zu bringen. Es werde von den Menschen genau beobachtet, was Versprechungen und Worthülsen sind. „Wenn es die Mitte diesmal nicht gut hinbekommt, dann möchte ich nicht wissen, was wir 2029 diskutieren werden“, sagte Kolak. 

Besondere Herausforderungen für die Europäische Union sieht Generalanwalt Hameseder vor allem in der Außen- und Sicherheitspolitik. Der frühere US-Präsident Barack Obama hatte 2012 gemeint, dass das Jahrzehnt der Kriege vorbei sei. „Heute muss man leider sagen, das Jahrzehnt des Friedens ist vorbei – leider auch in Europa. Die Verknüpfung zwischen der Verteidigungsfähigkeit und der Wirtschaft ist eine sehr, sehr enge. Europa, aber auch alle Nationalstaaten, muss mehr für die Resilienz tun“, so Hameseder. Hätte man so viel Anstrengung für die Resilienz der EU aufgewendet wie für die Währungsunion, dann würden wir heute anders dastehen, ist der Generalanwalt überzeugt.

AusgabeRZ27-24

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