Schaller: „De-Industrialisierung stärker im Auge behalten“ 

RLB-OÖ-Generaldirektor Heinrich Schaller sieht die EU im Wettbewerbsnachteil und fordert weniger Überregulierung und mehr Investitionsanreize.

„Wir stehen vor gravierenden Herausforderungen“, betont Heinrich Schaller, Generaldirektor der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich, im Klub der Wirtschaftspublizisten und benennt die wichtigsten Wirtschafts- und Finanzthemen, die Österreich und Europa in den nächsten Jahren beschäftigen werden. 

Die Wirtschaftsprognosen sind momentan nicht rosig und Österreich befindet sich in der längsten Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg. Dass die OeNB die BIP-Prognosen für das Jahr 2024 von +0,3 Prozent um einen Prozentpunkt auf minus 0,7 Prozent revidiert hat, kam für Schaller wenig überraschend: „Es war für mich nie ganz verständlich, wo die positiven Impulse herkommen sollen.“ Schaller vermisst weiterhin Investitionsanreize für Unternehmen: „Man muss zuerst säen, um zu ernten.“ Eine Rezession von 0,7 Prozent sei nun aber ein realistischer Wert, weiter nach unten sollte es nicht mehr gehen. 

Weniger überzeugt ist Schaller, dass die Inflationsprognose von 3,5 Prozent hält. Er befürchtet, dass die hohe Inflation die Kosten weiterhin hoch hält, jedoch die hohen Lohnabschlüsse den Konsum nicht ankurbeln. „In der aktuellen Situation bleibt man vorsichtig und legt das Geld lieber an“, berichtet Schaller. Das zeigen auch die Spareinlagen bei der RLB OÖ, die im ersten Halbjahr 2024 um 6,4 Prozent zulegten. Sein Appell an die Politik: Anreize für den Kapitalmarkt zu setzen und langfristige Veranlagung von der Steuer zu befreien. „Wir müssen den Kapitalmarkt ausbauen, auch um Investitionen zu ermöglichen. Da bedarf es Maßnahmen seitens der Politik.“

Beteiligungen als ertragreiches Geschäft

Die RLB OÖ verzeichnete im ersten Halbjahr einen „erfreulichen“ Zuwachs bei Finanzierungen, bei allgemein geringer Nachfrage. Für Banken sei es momentan keine einfache Zeit, aber sie haben Vorsorgen getroffen, um Ausfälle im Firmenkundenbereich gut verkraften zu können, so Schaller. 

Auch den Beteiligungen der RLB OÖ, von Voestalpine, über Salinen AG, bis zur AMAG, gehe es gut. Die Auftragseingänge seien „zufriedenstellend“, aber Steigerungen noch nicht ersichtlich. Das Beteiligungsgeschäft sei für die RLB OÖ ein ertragreiches Geschäft. Die elf großen Beteiligungen haben im ersten Halbjahr ein at-equity-Ergebnis von 127 Mio. Euro beigetragen. Gleichzeitig gehe es um Standortsicherung und Arbeitsplätze und ein „Vorbauen“, dass die Erträge in der Region bleiben.

„Wenn Konzerne aus der Region verschwinden würden, würde es unseren Kunden schlecht gehen“, benennt Schaller das Risiko und die Motivation. Für die neue Beteiligung beim Feuerwehrausstatter Rosenbauer rechnet Schaller mit allen Genehmigungen bis Ende des Jahres.

EU verliert Wettbewerb

Trotz sinkender Zinsen, die wirtschaftliche Impulse bringen, sieht Schaller Europa „auf dem Weg nach unten“. Die Ursache dafür befinde sich in der EU-Politik: „Der Green Deal hat die Industrialisierung Europas nicht im Blick gehabt.“ Die Europäische Union sei nicht mehr wettbewerbsfähig und viele Unternehmen denken laut darüber nach, ihre Firmensitze nach Asien oder in die USA zu verlegen. „Früher oder später wird es zur De-Industrialisierung in Europa kommen“, warnt Schaller und plädiert, die De-Industrialisierung stärker im Auge zu behalten als in den vergangenen fünf Jahren. 

Weniger „kontrollintensiv“

Angesichts der wirtschaftlichen Herausforderungen richtet Schaller auch einen dringlichen Appell an die Bankenaufseher: „Es sind keine zusätzlichen Maßnahmen notwendig. Das Bedürfnis nach immer noch mehr Sicherheit würgt die Finanzierungsleistung der Banken ab.“

Die RLB OÖ werde zu Jahresende eine harte Kernkapitalquote von knapp 17 Prozent aufweisen, damit habe man viel Kraft für weiteres Wachstum. Generell würden die immer höheren Anforderungen bei den Kapitalquoten bei gleichzeitig höheren Unterlegungsvorschriften für Finanzierungen „ausarten“. „Banken sind nicht Feind ihres eigenen Geldes“, bringt Schaller das Risikobewusstsein bei Banken auf den Punkt und kritisiert einmal mehr die KIM-Verordnung, die strenge Regeln für die Vergabe von Immobilienkrediten gebracht hat.

„Zyklische Maßnahmen sind immer schlecht“, so Schaller. Darunter fallen für ihn auch die jährlich neu berechneten individuellen SREP-Aufschläge für Banken: „Den großen Interpretationsspielraum der Aufsicht sollte man reduzieren.“ Generell sei Schaller nicht gegen eine strenge Regulierung des Finanzmarktes, aber es sollte weniger „kontrollintensiv“ sein. Weniger Überregulierung sei nicht mehr nur ein Thema im Bankbereich, sondern in der gesamten Wirtschaft. So seien verpflichtende Nachhaltigkeitsberichte bereits oft umfangreicher als der normale Geschäftsbericht. 

AusgabeRZ39-2024

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