Am Puls des Kapitalmarkts

Bei der Gewinn-Messe 2024 gaben Hannes Mösenbacher (RBI), Stephan Büttner (Agrana) und Andreas Brandstetter (Uniqa) aktuelle Einblicke.

Anlegern, Investoren und Interessenten für Wirtschafts- und Finanzthemen bot die Gewinn-Messe in Wien auch heuer die Möglichkeit, auf Tuchfühlung mit dem Kapitalmarkt zu gehen. Zahlreiche börsenotierte Unternehmen nutzten die zweitägige Bühne, um sich zu präsentieren und mit Interessenten sowie Aktionären ins Gespräch zu kommen.

Hannes Mösenbacher, Risikovorstand der Raiffeisen Bank International (RBI), gab dabei ein Update zum Russlandgeschäft der Banken­gruppe. Ein Rückzug aus dem russischen Markt sei unter diesen widrigen Umständen „extrem schwierig“. „Wir geben nicht auf und arbeiten weiter daran, dass wir eine Situation herbeiführen können, die zu einer Dekomprimierung führt“, sagt Mösenbacher. Parallel dazu reduziere die russische RBI-Tochter ihr Geschäft seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine. Seit dem zweiten Quartal schreibt das auch die Europäische Zentralbank (EZB) der RBI bescheidmäßig vor. 

Mösenbacher zufolge hatte die RBI-Tochter im zweiten Quartal 2022 noch ein Kreditportfolio von umgerechnet 13,7 Mrd. Euro in Russland, im zweiten Quartal 2024 betrug dieses noch 5,8 Mrd. Euro. Die RBI mache so gut wie kein Kredit- und Transaktionsgeschäft mehr in Russland und zahle auch für Einlagen keine Zinsen. Dass die Bank dennoch Geld verdient, erklärt der Risikovorstand vor allem mit den hohen Zinsen. Die russische Zentralbank hat erst den Leitzins um 200 Basispunkte auf 21 Prozent erhöht. Allein die Verzinsung von Bankgeldern, die bei der Zentralbank geparkt sind, sorge für Gewinnzuwächse, so Mösenbacher.

Hannes Mösenbacher
Hannes Mösenbacher © Austrofocus.at/Bepo Schuster

RBI bleibt „starke Bank“

Während ein Exit aus Russland weiterhin in weiter Ferne scheint, ist die RBI bei ihrem Ausstieg aus Belarus wesentlich weitergekommen. Das Closing des Verkaufs der belarussischen Tochter wird für das Schlussquartal erwartet und soll eine Belastung des Konzernergebnisses von bis zu 300 Mio. Euro bringen. Mösenbacher: „Wenn Sie solche Märkte verlassen, kann man nicht die Regeln bestimmen.“ In Belarus bedeute allein das Verlassen des Marktes automatisch einen Abschlag von 50 Prozent.

Auch ohne Russland und Belarus sei die RBI aber eine starke Bank, betont Mösenbacher unter Hinweis auf das Halbjahresergebnis. In den ersten sechs Monaten legte der Konzerngewinn der RBI um 7,3 Prozent auf 1,32 Mrd. Euro zu – ohne Russland und Belarus betrug dieser unterm Strich 604 Mio. Euro. Allerdings seien darin rund 400 Mio. Euro Risikovorsorgen für Schweizer-Franken-Kredite in Polen verdaut. Insoweit habe die Bank ohne Russland und Belarus einen Gewinn von rund 1 Mrd. Euro in der ersten Jahreshälfte erzielt. Man sei gut diversifiziert und in Ländern tätig, die im kommenden Jahr zwischen 2,5 und 4 Prozent wachsen dürften. Die Region habe ein starkes wirtschaftliches Momentum und könnte aufgrund der geopolitischen Entwicklungen – Stichwort Nearshoring – wieder besonders interessant werden.

Hohe Belastungen für Versicherer

Einen Einblick in aktuelle Entwicklungen der Versicherungswirtschaft gab Andreas Brandstetter, CEO der Uniqa Group. Österreich sei weltweit am viertstärksten von Naturkatastrophen in Relation zur Wirtschaftsleistung betroffen. So sei etwa Ostösterreich von Starkregen viel stärker betroffen als früher. Welche Schäden solche Extremereignisse verursachen können, hat das Hochwasser vom heurigen September gezeigt.

Im Vorjahr hatte Uniqa in Österreich 153 Mio. Euro an Schäden aus Naturkatastrophen in den Büchern. Weitere 33 Mio. Euro kamen aus Osteuropa dazu. Für heuer rechnet die gesamte österreichische Versicherungswirtschaft mit Schäden aus Naturkatastrophen von 600 bis 700 Mio. Euro. Daher plädiert Brandstetter dafür, eine Naturkatastrophendeckung in die bestehende Feuerversicherung einzubetten. Denn eine solche Adaptierung der Feuerversicherung, wie sie etwa bereits in Belgien umgesetzt wird, wäre „ein garantierter Schutzschirm für die Menschen in Österreich“.

Organisator Georg Wailand und Andreas Brandstetter
Organisator Georg Wailand und Andreas Brandstetter © Austrofocus.at/Bepo Schuster

Standbein Gesundheit

Ein immer wichtigeres Standbein für Uniqa ist das gesamte Ökosystem Gesundheit. „Wir sind mehr als eine Versicherung“, strich Brandstetter hervor. Mit einem Marktanteil von rund 44 Prozent sei man bereits Marktführer in Österreich im Bereich der privaten Krankenversicherung. Ein besonderes Augenmerk setzt die Versicherungsgruppe dabei auf die Telemedizin. Im Vorjahr kaufte der Versicherer den größten Anbieter in Polen und will nun diese Services auch in die anderen Uniqa-Märkte einführen. „Wir glauben, dass Telemedizin im Gesundheitswesen in den nächsten Jahren die wichtigste Technologie sein wird“, so Brandstetter.

Doch Uniqa investiert nicht nur in gesundheitliche Services, sondern auch in die medizinische Infrastruktur. Knapp 250 Mio. Euro steckt Uniqa als führender Anbieter von Privatspitälern in die Erweiterung der Privatklinik Döbling und in den Neubau der Privatklinik Confraternität. Ziel sei es, den rund 1,4 Millionen Uniqa-Kunden in der privaten Krankenversicherung zusätzliche Services anbieten zu können. 

Zucker in der Krise

Die aktuell herausfordernden Rahmenbedingungen für die Verarbeitung landwirtschaftlicher Produkte beleuchtete Agrana-CEO Stephan Büttner auf der Gewinn-Bühne. Sein Unternehmen stehe vor einem sehr herausforderndes Geschäftsjahr 2024/25. „Viele zyklische Branchen wie die Papierindustrie stehen unter Druck, das spüren wir an den Absatzmengen“, so Büttner.

Am meisten beschäftige Agrana, an der die Raiffeisen-Holding NÖ-Wien durchgerechnet mit 27,1 Prozent beteiligt ist, aber der Geschäftsbereich Zucker. Nach zwei, drei Jahren Preisanstiegen vor allem in der EU sei man nun wieder mit sinkenden Weltmarktpreisen konfrontiert, die auch die Preise in der EU drücken. Für zusätzliche Verwerfungen auf dem EU-Markt hätten die großen Importmengen aus der Ukraine gesorgt, die den gesamten Markt preislich und mengenmäßig belasten.

Stephan Büttner
Stephan Büttner © Austrofocus.at/Bepo Schuster

Eine rasche Trendwende am Zuckermarkt sieht Büttner nicht: „Wir werden mindestens die nächsten zwölf Monate eine herausfordernde Zeit im Zuckergeschäft haben.“ Allerdings würden die großen Produzenten in Europa auf diese schwierige Lage schneller reagieren als erwartet. Für 2025 werden bereits Anbauflächen reduziert. Das sollte das Angebot und die Nachfrage wieder in ein besseres Gleichgewicht bringen. Zu den Unsicherheitsfaktoren für den europäischen Zuckermarkt zählt Büttner weiterhin Importregelungen für Zucker aus der Ukraine. „Wir müssen uns strategisch damit beschäftigen, wie wir das Zuckergeschäft wettbewerbsfähiger machen können“, sagt Büttner. Dabei hofft er vor allem auf Synergien mit dem Stärke-Segment. 

Doch nicht nur das Zuckergeschäft fordert Agrana, sondern auch die Folgen des Jahrhundert-Hochwassers in Niederösterreich vom vergangenen September. So musste etwa der Betrieb in Pischelsdorf im Tullnerfeld, wo Weizenstärke und Bioethanol produziert werden, für drei Wochen eingestellt werden. Seit Oktober werde die Fabrik schrittweise wieder hochgefahren. Die Stärkeproduktion laufe wieder voll, jene von Biosprit zu 90 Prozent, teilte Agrana mit. Auch in der Agrana-Fabrik in Gmünd habe es einen kurzfristigen Stillstand gegeben. Und auch in der Zuckerproduktion in Tulln sei man mit deutlichen Verzögerungen in der Kampagne konfrontiert, da viele Rüben aus Oberösterreich per Zug nach Tulln gebracht werden. 

AusgabeRZ44-2024

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