Als Obmann der Raiffeisen Nachhaltigkeits-Initiative haben Sie im neuen Fachbuch „CSR und Inklusion“ eine Vorwort formuliert. Warum ist Ihnen Inklusion ein Anliegen?
Franz Fischler: Wenn man bei Nachhaltigkeit glaubwürdig sein will, muss die Frage der Inklusion ein essenzieller Bestandteil der Unternehmensstrategie sein. Im Buch gibt es viele gute Beispiele, wo schon bewiesen wurde, was die Vorteile von Inklusion sind. Da sich das Buch an „Doers“ – wie man heutzutage zu sagen pflegt – wendet, ist das enorm wichtig. Darüber hinaus wurde das Thema auch in einen größeren Kontext eingeordnet, die Entwicklungen und die dahinterstehenden Überlegungen beleuchtet und auch wie sich die Politik dazu aufstellt.
Die vielen Best-Practice-Beispiele machen die Breite des Themas Inklusion deutlich.
Fischler: Es ist wirklich erfreulich, wenn man liest, wie weit die Praxis – teilweise auch jenen, die das theoretisch aufarbeiten – voraus ist. Man kann aus Erfahrung lernen. Die Intention ist ja, dass Leser in dem Buch Anregungen finden und sagen: „Das wäre auch für meine Firma oder Organisation ein wichtiger Aspekt, da will ich mich engagieren.“
Was sind die Erkenntnisse, wenn man Inklusion in einen größeren Kontext einordnet?
Fischler: Hier ist eine große Entwicklung im Gange, wenn man schaut, wo wir herkommen: Aus einer Zeit, wo Diversität und Inklusion eher in die Kategorie Barmherzigkeit-Üben gefallen ist. Da hat sich viel getan. Wichtig ist, nicht nur darauf zu schauen, was die sozialen Kosten von Inklusion sind, sondern wie groß der Nutzen ist, der daraus entsteht. Es ist eben kein reiner Goodwill, sondern durchaus Teil der längerfristigen Profitoptimierung eines Unternehmens. Das zu zeigen ist ein wichtiger Punkt.
Warum denn gerade jetzt?
Fischler: Weil es eine ähnliche Diskussion und Entwicklung auch im Bereich Nachhaltigkeit gibt, speziell im Bereich Biodiversität. Man hat erkannt, dass die alte Theorie des Darwinismus – nämlich, dass sich der Fitteste durchsetzt – nicht unbedingt die erfolgreichste Evolution ist. Moderne Evolutionsforscher haben Beweise geliefert, dass Arten, die nicht nach dem Darwinschen Prinzip organisiert sind, sondern divers sind und starke Verbände oder Gruppen bilden, noch erfolgreicher sein können. Wo man durch Diversität mit entsprechender Arbeitsteilung eine innere Ordnung schafft, in die sich jedes Individuum bestmöglich einbringen kann, ist der größtmögliche Erfolg gesichert. Jeder und jede soll tun können, was er oder sie am besten kann. Wenn man dieses Prinzip anerkennt, dann ist das die halbe Miete. Längerfristig ist der Nutzen größer, der sich nicht nur in Profit ausdrückt, sondern etwa auch im Wohlbefinden von Beschäftigten.
Die viel zitierte Kraft der Vielfalt.
Fischler: Genau. Wenn man die Diversität eines biologischen Systems einengt, dann wird dieses System verletzbarer. Gerade in einer Zeit des Umbruchs, wenn man etwa an den Klimawandel denkt, ist das geradezu gefährlich, darum gibt es weltweit große Initiativen, die genetische Breite zu sichern.
Welche Rolle spielt dabei nun die Politik?
Fischler: Leider gibt es einen substanziellen und auch wachsenden Anteil in unseren Gesellschaften, der diese Überlegungen für völlig verkehrt hält. Ein Musterbeispiel war Präsident Trump. Aber solch populistische Denkansätze gibt es auch in Europa und diese nehmen leider zu. Die „Einfach-Denker“ haben noch nicht kapiert, dass man gemeinsam einen größeren Nutzen erzielen kann. Umso wichtiger ist es, dass diejenigen, denen Diversität und Inklusion ein Anliegen ist, entsprechend deutlich auftreten und klar Position beziehen.
„‚Gemeinsam‘ bedeutet ja schon Inklusion.“
Franz Fischler
Raiffeisen macht das ja schon länger.
Fischler: Wenn das genossenschaftliche Grundprinzip „Gemeinsam sind wir stärker“ heißt, dann bedeutet „gemeinsam“ ja schon Inklusion. Deshalb ist es naheliegend, wenn sich gerade die Vertreter der Raiffeisenidee mit diesem Thema intensiv auseinandersetzen und versuchen, unter den „Frontrunnern“ der gesellschaftlichen Entwicklung zu sein. Lange Zeit war ja das Idealbild von einem erfolgreichen Menschen die sogenannte Ich-AG. Wenn es gelingt, dass wir uns zu einer „Wir-Genossenschaft“ weiterentwickeln, dann haben wir sehr viel erreicht.
Sie sehen den Grad an Inklusion als Maßstab für den Entwicklungsgrad einer humanen Gesellschaft. Wo steht Österreich im europäischen Vergleich?
Fischler: Es gibt Parameter und auch wissenschaftliche Einrichtungen, die das messen und eine Art Länder-Ranking erstellen, wo Inklusion gut oder schwach entwickelt ist. Da liegt Österreich in Europa im oberen Mittelfeld. Aber auch wir müssen aufpassen, dass wir uns nicht zurückentwickeln.