RPHI: „Wir sind immer mehr in einer Planwirtschaft“

Der Immobilienmarkt steht neben den konjunkturellen Herausforderungen auch unter einem zunehmenden regulatorischen Druck. Welche Folgen das für den Standort hat und wie die Raiffeisen Property Holding International (RPHI) aufgestellt ist, erklärt CEO Karl-Maria Pfeffer im Interview.

Der Gegenwind auf dem Immobilienmarkt hat sich weiter verschärft. Ist der Markt nach den Boom-Jahren in eine längerfristige Korrekturphase geschlittert?
Karl-Maria Pfeffer: Grundsätzlich kommt es zu Bereinigungen am Markt, wo man spekulativ unterwegs war. Jene Immobilien, die in einer guten Lage und einem vernünftigen Zustand sind, werden nach einer vorübergehenden Seitwärtsentwicklung langfristig wieder in eine steigende Phase kommen. Natürlich wird dieser Anstieg nicht mehr jene Dynamik haben, die wir aus der Vergangenheit kennen, weil diese auch zinsgetrieben war und die Zinsen nicht mehr so stark zurückgehen werden.

Besonders der Wohnbau ist stark unter Druck. Wie geht es da weiter?
Pfeffer: Wohneigentum wird grundsätzlich nicht billiger werden, sondern sich eher seitwärts entwickeln. Hier sehen wir aber aktuell einen Rückgang des Angebots, weil Wohnraum aufgrund der höheren Bau- und Finanzierungskosten schwieriger herzustellen ist. Gleichzeitig steigt der Druck von den gesetzlichen Rahmenbedingungen, wie etwa der EU-Taxonomie. Nicht alles, was gut gemeint ist, ist auch gut. Das erschwert und verteuert die Kalkulationen. Viele Projekte können nicht umgesetzt werden, was die ohnehin großen Herausforderungen in diesem Segment noch zusätzlich verschärft.

Wie sieht es bei Gewerbeimmobilien aus?
Pfeffer: Bei kommerziellen Immobilien wie klassischen Bürohäusern haben die Investoren lange den Atem angehalten. Das hat primär mit den stark gestiegenen Zinsen und auch mit den bekannten Fällen aus Film und Fernsehen zu tun. Jeder wartet ab, was passieren wird. Zudem parkten institutionelle Anleger ihr Geld in alternative Veranlagungen wie Staats- oder Unternehmensanleihen, zum Teil zu besseren Verzinsungen bzw. Renditen, als es im Immobilienbereich möglich ist. Der Investorenmarkt kehrt mit der Korrektur der Zinskurve nach unten nun wieder langsam zurück.

Spürt man das schon?
Pfeffer: Ja, deutlich. Wir haben immer noch eine inverse Zinskurve. Am kurzen Ende befinden sich die Zinsen beim Drei-Monats-Euribor um die 3 Prozent bzw. knapp darüber. Dagegen sind die Zinsen am langen Ende auf einem attraktiveren Niveau um die 2 Prozent. Die Zinskurve flacht ab. Die zyklische Bewegung ist bereits eingeleitet, sie wird aber nicht in Richtung Null-Zinsen gehen wie das letzte Mal. Da hat man versucht, mit allen Mitteln die Zinsen künstlich so lange wie möglich unten zu halten – auch länger, als es vernünftig war. Mit den Folgen davon kämpfen wir nun seit einiger Zeit.

Seit Jahren schon steigen die Baukosten, zuletzt ziemlich stark. Erwarten Sie da eine Entspannung?
Pfeffer: Die hohe Inflation ist in den Herstellkosten angekommen. Von einem Sinken der Material- oder Lohnkosten kann nicht ausgegangen werden. Daher werden Immobilien in guter Lage und vernünftiger Qualität nicht mehr billiger werden. Eine neue Eigentumswohnung um 4.000 bis 5.000 Euro wird es nie wieder geben, weil damit die Errichtungskosten nicht gedeckt werden können. Wir alle sind ärmer geworden, das will aber niemand wahrhaben. Dennoch kommen die Baukosten etwas in Bewegung, weil konjunkturell bedingt die Bauunternehmen nun öfter zu Grenzkosten und nicht mehr kostendeckend arbeiten. Das kann man für einen begrenzten Zeitraum machen, aber es ist keine nachhaltige Entwicklung.  

Für den Kostenauftrieb werden auch die immer strengeren Umweltstandards verantwortlich gemacht. Wie belastend sind diese?
Pfeffer: Das ist schwer zu beziffern. Fakt ist aber, dass man immer mehr Auflagen und Bürokratie schafft, um gewünschte Effekte zu erzwingen, weil man dem Markt und der Vernunft der Investoren misstraut. Das ist keine gute Idee. Alle unsere Immobilien sind nachhaltig, darauf legen wir großen Wert. Und auch die Investoren wollen, dass Immobilien nachhaltig gebaut werden. Denn über den Lebenszyklus gesehen rechnen sich die Maßnahmen. Es ist aber immer die Frage, was im Detail passiert. Man hat sehr oft Helikop-teranalysen von sehr weit oben, die sehr weit weg von der Praxis sind. Was wir uns wünschen, ist eine klare Deregulierung, Vereinfachung und Entbürokratisierung.

Was raten Sie der künftigen Bundesregierung?
Pfeffer: Man sollte vermeiden, dass man wieder das Beste aus allen Welten macht. Das wird das Teuerste aus allen Welten werden. Außerdem sollte man vermeiden, auf den allerkleinsten gemeinsamen Nenner zurückzufallen, was derzeit eine Gefahr ist. Man wird das ideologische Denken verlassen und das Gemeinwohl der Bürger bzw. des Staates in den Vordergrund rücken müssen – und zwar ohne jegliche Scheuklappen. Je früher man das macht, desto besser wird es sein. Je länger man zuwartet, desto mehr polarisiert das Ganze.

Ist ein Eigentumserwerb für die breite Bevölkerung noch möglich?
Pfeffer: Die Boomphase war vom Denken und Glauben geprägt, dass man sich Wohneigentum mithilfe niedriger Zinsen in einer Generation verschaffen kann. Das entspricht aber nicht der Lebenserfahrung der letzten 200 Jahre. In der Regel war es so, dass man für einen Immobilienerwerb drei Generationen brauchte. In der Schweiz sieht man diese Entwicklung auch heute noch, wo es praktisch Generationenkredite gibt, die über 70 Jahre und länger laufen. Auch wir werden uns an die neuen Gegebenheiten anpassen müssen.

Solchen Entwicklungen wird in Österreich durch die Regulierung ein Riegel vorgeschoben, etwa durch die KIM-Verordnung, die bestimmte Kreditvergabestandards regelt …
Pfeffer: Das ist grundsätzlich nachvollziehbar, allerdings bedeutet die Verordnung auch eine gewisse ,Zwangserziehung’ der Menschen. Zudem gibt es die Möglichkeit, sich zum Beispiel bei deutschen Banken zu finanzieren. Dann gelten diese Kreditstandards plötzlich nicht mehr. Damit schadet das Instrument im Endeffekt auch dem heimischen Standort. Die Entscheidungen über einen Immobilienerwerb sollte man den Bürgern überlassen und dabei dafür sorgen, dass sie die entsprechende Finanzbildung bekommen, um diese auch gut treffen zu können.

Welche langfristigen Folgen erwarten Sie von dieser Immobilienkrise?
Pfeffer: Der österreichische Standort ist in vielerlei Hinsicht gefährdet. Wenn man in vielen Ländern unterwegs ist, sieht man in den Ballungsräumen wie zum Beispiel Bratislava eine andere Entwicklung. Die Immobilienkrise war diesmal insbesondere eine westeuropäische. In Osteuropa war der kommerzielle Immobilienmarkt zwar auch betroffen, aber nicht in diesem Ausmaß. Es ist zu einem gewissen Erliegen der Investitionstätigkeit auch im Osten gekommen, aber nicht zu solchen Preiskorrekturen wie in Westeuropa. Ein Grund dafür ist, dass man dort nie ein solches Preisniveau wie zum Beispiel in Wien erreicht hatte. Die Renditen gingen in Wien je nach Lage zwischen 0,75 und 1,5 Prozent zurück. Diese Korrektur wird nicht zur Gänze verschwinden.

In Österreich will die Aufsicht den Banken einen neuen Kapitalpuffer für Immobilienfinanzierungen vorschreiben. Wollen Sie in Österreich weiter investieren?
Pfeffer: Die prozyklische Regulierung geht weiter. Damit wird man aber Teile der Wirtschaft abwürgen. Wir investieren in Österreich in jene Immobilien, die wir schon haben. Es werden sich Gelegenheiten für Investitionen aus der Marktkorrektur ergeben. Manche Marktteilnehmer werden gezwungen sein, auch gute Immobilien oder Projekte zu verkaufen, weil man unter Druck kommt und es zu einer Bereinigung kommt. Dies wird aber nicht zu einem allgemeinen Sinken des Preisniveaus führen. Denn derjenige, der eine Immobilie günstig erwirbt, wird diese nicht günstig am Markt anbieten, sondern das eigene Geschäft stärken.

Wollen auch Sie solche Chancen nutzen?
Pfeffer: Wir achten darauf, dass wir eine nachhaltige Pipeline haben. Unsere Pipeline ist für die nächsten zehn Jahre im In- und Ausland gut gefüllt. Unser Ziel ist es, ein konstanter Player am Markt zu bleiben, aber wir sind nicht von Wachstumsphantasien getrieben. Gelegenheiten, um unsere Pipeline zu stärken, würden wir aber wahrnehmen, ohne danach spekulativ zu suchen.

Was macht Ihnen am meisten Sorgen im konjunkturellen Umfeld?
Pfeffer: Das prozyklische Marktverhalten aller Beteiligten. Das führt dazu, dass alles über einen Kamm geschoren wird und zu einer Überregulierung in allen Bereichen. Wir sind immer mehr in einer Planwirtschaft anstatt in einer Marktwirtschaft, wenn wir so weitermachen. Für uns ist es immer gut, wenn es dem Markt und auch den Marktteilnehmern per se gut geht. Wir als Unternehmen stehen äußerst solide da. Dennoch werden wir aktuell sehr kritisch beäugt, weil wir im Immobiliengeschäft tätig sind. 

Wie haben sich die Mieten entwickelt?
Pfeffer: Sowohl bei Wohn- als auch Gewerbeimmobilien gehen die Mieten nach oben. Die gestiegenen Kosten etwa für den Betrieb oder im Energiebereich sind gekommen, um zu bleiben. Planwirtschaftliche Überlegungen wie ein Mietpreisdeckel oder Verstaatlichungsphantasien von Wohnungen, die man auch bei uns immer öfter hört, werden das Problem aber nicht lösen, sondern eher verschärfen, da weniger gebaut werden kann. Vielmehr müsste man dafür sorgen, dass mit attraktiven Rahmenbedingungen das Angebot erhöht werden kann. 

Gibt es ausländisches Interesse für den österreichischen Markt?
Pfeffer: Im Gewerbeimmobilien-Bereich haben sich die Bremsspuren auf den großen Märkten wie Deutschland auch auf den Wiener Markt ausgewirkt. Man hat wegen der Zurückhaltung der Investoren deutlich weniger Transaktionen gesehen und es wird auf Gelegenheiten gewartet. Auch hier spielt die Zinsentwicklung eine entscheidende Rolle, damit zuerst der Heimmarkt der großen Investoren anspringt. Danach dürften sie auch auf den ausländischen Märkten wieder stärker aktiv werden.

Wie geht die RPHI mit dem herausfordernden Umfeld um?
Pfeffer: Sehr gut, wir sind antizyklisch unterwegs und haben eine sehr solide Eigenkapitalausstattung. Zudem haben wir die aktuelle Entwicklung gut antizipiert und Transaktionen wie zum Beispiel den Verkauf der Zentrale für den Europäischen Handballverband zeitgerecht im Voraus über die Bühne gebracht. Die Übergabe des Gebäudes für 120 Mitarbeiter wird bis Ende des Jahres erfolgen. Zudem haben wir eine Vollauslastung bei unseren Immobilien nahezu in allen Ländern. Und wir konnten als Vermieter die Inflation und gestiegenen Kosten zu 100 Prozent weitergeben. Unser Portfolio hat aktuell eine Größenordnung von 300 bis 400 Millionen Euro. Und in Bulgarien stehen wir vor einer Erweiterung unseres Bürokomplexes ,Expo Forest’, der in zwei Jahren fertig sein wird. Dort haben wir schon bei Baubeginn eine Vermietung von 30 Prozent.  

In Österreich entwickeln Sie das Wiener Stadtviertel Neu Marx mit. Wie geht es da weiter? 
Pfeffer: Ende September haben wir dort ein Studentenwohnheim eröffnet, das für uns von Milestone betrieben wird. Daneben entstehen Serviced Apartments und auch wir wollen bis zum Ende des ersten Quartals 2025 unser Büro in das neue Stadtviertel verlegen. Wie erwähnt, ist das European Handball House weitgehend fertiggestellt. Es wird während der Handball-Europameisterschaft der Frauen, die ab Ende November in Österreich, Ungarn und der Schweiz stattfindet, an den Eigentümer übergeben. Daneben haben wir noch zusätzliche Flächen, die wir im Stadtviertel entwickeln werden. Unter anderem warten wir auf die Realisierung der städtischen Event-Halle ,Wien Arena‘, die bis zu 20.000 Besuchern Platz bieten soll, um unser geplantes Hotelprojekt in Angriff zu nehmen. Das neue Zieldatum für die Wien Arena ist 2030. Das Hotel sollte davor fertiggestellt werden. Insoweit steht uns noch einiges in Wien bevor.

AusgabeRZ48-2024

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