Zwei Siege in der Vorrunde, ein heroischer Kampf gegen den späteren Europameister Italien, Sympathiepunkte auf allen Ebenen – es war ein echtes Husarenstück, das die Mannschaft von Teamchef Franco Foda bei der Europameisterschaft aufgeführt hat. „Wir wollten Geschichte schreiben, das ist uns eindrücklich gelungen“, fasst der Deutsche seine Eindrücke des Turniers zusammen. „Die Nation Österreich kann stolz sein, die Mannschaft hat das Land toll präsentiert.“ Und ÖFB-Generalsekretär Bernhard Neuhold frohlockt stolz: „Auf und abseits des Platzes hat sich unser Team als Einheit präsentiert, Respekt und der Teamgedanke standen dabei stets im Vordergrund.“
Doch viel Zeit, sich auf den Lorbeeren auszuruhen, bleibt der Mannschaft nicht. Denn bereits Anfang September geht es mit den Spielen in der Republik Moldau (1.9.), in Israel (4.9.) und daheim gegen Schottland (7.9.) um nichts Geringeres als die erste Qualifikation für eine Weltmeisterschaft seit 1998 in Frankreich. Dabei gilt es, den veritablen Fehlstart aus dem Frühjahr wettzumachen. Gegen Dänemark setzte es eine empfindliche 0:4-Heimniederlage, gegen Schottland kam man in Glasgow über ein 2:2 nicht hinaus. Vier Punkte nach drei Spielen (die aufgrund des 3:1-Pflichtsieges gegen Färöer zustande kommen) sind eine nur wenig zufriedenstellende Ausbeute.
„Unsere Ausgangslage ist nach den Ergebnissen im März nicht optimal, aber es sind noch sieben Spiele zu absolvieren. Wenn es uns gelingt, jedes einzelne zu gewinnen, können wir sogar als Gruppensieger direkt zur WM fahren. Das wird nicht leicht, aber das ist das Ziel. Nach dieser EURO gehen wir mit einer viel breiteren Brust in die Spiele, wir sind als Mannschaft extrem zusammengewachsen“, sagt Torhüter Daniel Bachmann. Der England-Legionär vom FC Watford ist unbestritten einer der ganz großen Gewinner dieses Jahres. Mit seinem Klub, dessen Ehrenpräsident Pop-Legende Sir Elton John ist, stieg er in die Premier League (höchste englische Spielklasse) auf, bei der EURO wurde er für viele überraschend zur Nummer 1. Obwohl er sein Debüt im Nationaldress erst wenige Tage vor dem Start des Turniers feierte.
Seine Geschichte steht sinnbildlich für das, was im Sport möglich ist. Wer nie aufgibt, immer an sich glaubt und auf seine Stärken vertraut, wird eines Tages belohnt. Denn so abgeschrieben und am Boden, wie das ÖFB-Team nach dem 0:4 gegen Dänemark schien, war auch der Keeper selbst in seiner Karriere. Oft saß er bei seinen Klubs auf der Bank oder gar auf der Tribüne, hätte ihm vor acht Monaten jemand gesagt, dass er eines der Gesichter des österreichischen EURO-Erfolgs sein würde, hätte er ihn wohl für verrückt erklärt. „Es war nicht leicht, den Kopf nicht mal in den Sand zu stecken und den Faden reißen zu lassen. Da waren einige Nackenschläge dabei. Und auf einmal sitze ich da und stehe mit Österreich im EM-Achtelfinale – solche Momente vergisst man sein Leben lang nicht.“
Erfolge, die natürlich Lust auf mehr machen. Auch wenn die WM in Katar politisch höchst umstritten ist und aufgrund der klimatischen Verhältnisse erstmals nicht im Sommer ausgetragen wird (sondern vom 21. November bis 18. Dezember 2022), ist die sportliche Qualifikation natürlich das große Ziel. Daran ließen Team und Trainer schon bei der Auslosung keinen Zweifel, das hat sich auch jetzt nicht geändert. Sollte der realistisch gesehen schwer zu erreichende Gruppensieg verpasst werden, ergibt sich in einem (durchaus komplizierten) Play-off-System allerdings eine weitere Chance, das Ticket zu buchen. Was vor allem dem guten Abschnitt in der Nations League im Vorjahr geschuldet ist. Doch darauf will man sich allerdings nicht verlassen. „Wir haben bei der EURO gezeigt, was mit einem guten Teamspirit und optimaler Vorbereitung möglich ist“, sagt Franco Foda. „Daran wollen wir auch bei unseren bevorstehenden Aufgaben anknüpfen. Dass wir die dafür nötige Qualität besitzen, steht für mich außer Frage.“
Die Frage, ob es für die WM-Qualifikation reicht, ist allerdings nicht die einzige, die den ÖFB in diesem heißen Herbst beschäftigt. Denn Anfang August kündigte Leo Windtner an, in der kommenden, bis 2025 währenden Periode nicht mehr als Präsident des größten Sportverbandes des Landes zur Verfügung zu stehen, um „mit seinem Rückzug den gewünschten Generationenwechsel im ÖFB-Präsidium einzuleiten“, wie es hieß. Das klang vor der EURO zwar noch etwas anders, doch ließ der Wahlausschuss, der im Großen und Ganzen dem ÖFB-Präsidium gleichzusetzen ist, Windtner wissen, dass man eine neue Lösung bevorzugen würde.
Dabei hat der Mann, der am 30. August seinen 72. Geburtstag feiert, durchaus große Erfolge vorzuweisen. 2009 übernahm der ehemalige Vorstandsvorsitzende und Generaldirektor der Energie AG das Amt von Friedrich Stickler und konnte sportlich Meilensteine setzen: neben der zweimaligen EURO-Qualifikation des A-Teams auch das EM-Halbfinale der Frauen 2017 sowie die erstmalige EM-Qualifikation der U21 im Jahr 2019. Unter seiner Ägide erlebte der ÖFB einen veritablen Aufschwung, der das Nationalteam in seinen besten Zeiten unter Teamchef Marcel Koller auf Platz zehn der FIFA-Weltrangliste führte. „Im Namen des ÖFB-Präsidiums möchte ich Leo Windtner für seine langjährige engagierte Tätigkeit und seinen unermüdlichen Einsatz für den heimischen Fußball meinen großen Dank aussprechen“, lobte Wolfgang Bartosch, Vorsitzender des Wahlausschusses und Präsident des Steirischen Fußballverbandes.
Am 17. Oktober soll ein Nachfolger gekürt werden, offiziell wurden noch keine Namen von Kandidaten genannt. Hinter den Kulissen werden bestens vernetzten Spitzenfunktionäre wie Heinz Palme (u.a. im deutschen WM-Organisationskomitee 2006) oder Georg Pangl (von 2004 bis 2014 Vorstand der Bundesliga) gute Chancen auf den nach wie vor ehrenamtlichen Posten eingeräumt. Bis zum Wahltag dürfte auch fix sein, ob die Chancen der Nationalmannschaft auf die WM-Qualifikation noch intakt sind. Was für die Stimmungslage im Verband ein durchaus entscheidender Faktor sein dürfte.