Sabine Pfeffer: „Vorsorge ist Selbstfürsorge“

Anlässlich des Weltfrauentags am 8. März spricht Sabine Pfeffer über Hürden bei der finanziellen Gleichstellung der Frau, über Vorsorge und über die Wichtigkeit der Eigeninitiative.

Frau Pfeffer, der Weltfrauentag wird seit Jahrzehnten begangen – wie zeitgemäß ist er heute noch?
Sabine Pfeffer: Der internationale Weltfrauentag hat bis heute nichts an Aktualität und Relevanz eingebüßt, im Gegenteil! Ziel der Frauenbewegungen war ein gleichberechtigter Zugang und Teilnahme von Frauen und Männern am öffentlichen, sozialen und kulturellen Leben. Mutige Frauen haben in der Vergangenheit das Wahlrecht erkämpft, das Recht zu studieren und auch das Recht, ohne Zustimmung des Vaters oder Ehemannes einer Erwerbsarbeit nachzugehen. Damit haben sie für uns den Grundstein gelegt, doch reicht es noch lange nicht für echte Gleichberechtigung. Heute hindert uns niemand direkt daran, eine höhere Ausbildung zu absolvieren, ein Flugzeug zu steuern, ein Fußballspiel abzupfeifen oder täglich zur Arbeit zu gehen. Doch sind unsere Rahmenbedingungen andere als die der Männer. Das Framing beginnt sehr früh – schon Kleinkindern werden Eigenschaften und Interessen ‚zugeordnet‘. Warum haben wir nicht mehr Frauen in MINT-Berufen? Warum nicht mehr Nobelpreisträgerinnen? Warum sind auch 2025 noch immer so wenige Frauen in Geschäftsführungen und Vorstandsfunktionen? Und warum werden Männer nicht ebenso wie Frauen danach gefragt, wie sie Job und Familie unter einen Hut bekommen? Der Weltfrauentag ist für mich ein Reminder dafür, mich weiterhin für eine echte Gleichstellung einzusetzen – so lange, bis man weder in den gesellschaftlichen Erwartungen oder der Behandlung von Frauen noch am Gehaltsscheck das Geschlecht erkennt. 

Wie setzen Sie sich dafür ein?
Pfeffer: Als Vorständin ist es meine Aufgabe, Dinge voranzutreiben und jeden einzelnen Tag Vorbild zu sein. Ich motiviere zur Diskussion, schärfe Bewusstsein, baue Solidarität auf und biete Unterstützung an. Erfolgreiche Frauen, die etwas veränderten, mussten oftmals gegen den Strom schwimmen, sich durchbeißen, gegen patriarchale Strukturen kämpfen. Ich teile meine Erfahrungen und bin überzeugt, Frauen müssen hartnäckig bleiben und die Frauenrechte täglich aufs Neue erkämpfen und verteidigen und Frauen gehören an alle Orte, an denen Entscheidungen getroffen werden und dürfen nicht die Ausnahme sein. Ich ermutige junge Mütter sich mehr zuzutrauen und gewinne Frauen für Führungsaufgaben. Ich setze mich dafür ein, dass sich Frauen gesehen und gehört fühlen und bin überzeugt davon, dass für Frauen alles möglich ist, auch in Teilzeit – wenn die Rahmenbedingungen passen und sie nicht das Gefühl haben, eine gesellschaftliche Erwartung erfüllen zu müssen. Die jährliche Finanzvorsorge-Studie von UNIQA hat ergeben, dass sich die Hälfte der Befragten zwischen 16 und 60 Jahren eine Teilzeitbeschäftigung zugunsten der Kinderbetreuung vorstellen können oder einer solchen nachgegangen sind. Doch während es bei den Frauen 59 Prozent sind, haben lediglich 41 Prozent der männlichen Befragten dies angegeben. Zu 50:50 ist es hier also noch ein gutes Stück hin! Um es noch konkreter zu machen: Mit 61 Prozent sind Frauen signifikant stärker bereit als Männer, finanzielle Einbußen hinzunehmen, um Zeit mit den eigenen Kindern zu verbringen – bei den Männern sind es 10 Prozent weniger. Erst wenn Themen wie Karriere in Teilzeit, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit und Frauen in Führungspositionen konsequent verfolgt und in die Unternehmensstrategie integriert werden, gibt es für Mitarbeiterinnen am Frauentag wirklich etwas zu feiern.

„Für Gleichstellung müssen Finanzen ganz oben auf die To-do-Liste von Frauen“

Sabine Pfeffer

Wenn es ein Ungleichgewicht beim Einkommen gibt – wie sieht es dann bei der finanziellen Vorsorge aus? Sind auch hier Unterschiede erkennbar?
Pfeffer: 2024 hat die UNIQA Finanzvorsorge-Studie ergeben, dass sich 40 Prozent der Befragten bereits intensiv mit der eigenen finanziellen Vorsorge auseinandergesetzt haben. Damit schaffen sie die Basis für ein besseres Leben bis ins hohe Alter. Die weniger gute Nachricht ist, dass es immer noch mehr Männer als Frauen sind, die sich rechtzeitig Gedanken darüber machen, wo sie in der Pension das Geld für Wohnkosten, Arztbesuche, Reisen etc. hernehmen sollen. Auch wenn der Anteil an Menschen, die angeben, über zu wenig Geld für ihre finanzielle Vorsorge zu verfügen, leicht rückläufig ist, bleibt der Geschlechterunterschied signifikant: Noch immer geben 34 Prozent der Frauen an, dass ihre Mittel dafür nicht reichen würden, bei den Männern sind es nur 25 Prozent. Teilzeitstellen haben unweigerlich ein geringeres Einkommen zur Folge und somit haben Frauen auch weniger Geld, das in die eigene Vorsorge investiert werden kann. Dazu kommt, dass sie bei finanziellen Veranlagungen oft weniger risikofreudig sind und so niedrigere Renditen in Kauf nehmen. Und: Sie informieren sich seltener selbst über Vorsorgemöglichkeiten.

Woran kann das liegen?
Pfeffer: Das liegt nicht zuletzt daran, dass sie mit Job, Kindern, Pflege und Mental Load mehrfach belastet sind und sich auch aufgrund der fehlenden Energie nicht um das Thema Finanzen kümmern. Für sie stehen viele andere Dinge im Vordergrund, was im Falle einer Scheidung oder des Pensionsantritts Probleme mit sich bringen kann. Für Gleichstellung müssen Finanzen ganz oben auf die To-do-Liste von Frauen. Hierfür müssen persönliche und auch gesellschaftliche Muster durchbrochen werden.

Sabine Pfeffer im Interview
© RZ/Roland Rudolph

Aber sind nicht Frauen meist die „Finanzminister“ in der Familie?
Pfeffer: Knapp zwei Drittel der im Rahmen der Studie befragten jungen Erwachsenen fühlen sich sicher beim Überblick über die eigenen Finanzen und auch bei der zeitgerechten Begleichung von notwendigen Zahlungen oder Rechnungen – beides gilt insbesondere für junge Frauen. Wenn es aber um das Beurteilen und Vergleichen von Finanzangeboten geht, sinkt der Wert jedoch auf ca. ein Drittel und der Geschlechterunterschied kehrt sich um. Das heißt, Frauen kümmern sich eher um die Haushaltskasse und Männer fühlen sich häufiger für die langfristigen Finanzen – wie Kreditverträge, Anlageformen oder Ähnliches – zuständig. Gründe für die nach wie vor existierenden Stereotype sehen wir in der Finanzkompetenz: Die Studienergebnisse zeigen Jahr für Jahr, dass Frauen ihr finanzielles Wissen als geringer einschätzen, als es Männer tun und deshalb mitunter ihre Altersvorsorge oft vollkommen in die Hand ihres Partners legen. Ein Partner kann aber niemals eine Altersvorsorge sein oder diese ersetzen!

Apropos Alter: Die finanzielle Vorsorge ist natürlich wichtig, aber wie sieht es mit der Gesundheit aus? Gibt es auch hier Unterschiede? 
Pfeffer: Ja, leider tut es das: Frauen haben zwar eine längere durchschnittliche Lebenserwartung, verbringen aber mehr Jahre in mittelmäßiger bis schlechter Gesundheit – sie sind tendenziell stärker von chronischen Krankheiten betroffen. Regelmäßige Bewegung und mentale Auszeiten finden im Alltag von Frauen seltener Platz und das wirkt sich aus.

Was raten sie also?
Pfeffer: Vorsorge ist Selbstfürsorge – daher lautet meine Botschaft an alle Frauen, selbst für die eigene finanzielle und physische Gesundheit die Verantwortung zu übernehmen! Sie müssen in die eigenen Fähigkeiten vertrauen, selbstbestimmte Entscheidungen treffen und es vor allem angehen. Denn wir sehen, dass Frauen gute Anlegerinnen sind, die strukturierter an die Finanzplanung herangehen und sicherheits- und zielorientierter agieren. Unsere Aufgabe als Versicherung ist es, Frauen zuzuhören, sie gezielt zu informieren, zu beraten und zu unterstützen. Bei einer Beratung kann berechnet werden, wie viel Pensionsanspruch besteht und welcher Betrag überhaupt angespart werden muss, damit der Lebensstandard aus eigener Kraft auch in der Pension gehalten werden kann. Und, was ich noch mitgeben möchte: Vorsorge hat kein Ablaufdatum – je früher, desto besser, aber selbst ein später Start ist immer noch besser als gar keiner!

AusgabeRZ10-2024

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