„Semana Santa“ – heilige Woche – wird die Karwoche in Spanien genannt. Vor allem in Andalusien kann man dann vielerorts unheimlich anmutende Gestalten mit langen Kutten und hohen, spitz zulaufenden Kapuzen sehen, die nur zwei Löcher für die Augen freilassen. Das Kostüm war im Mittelalter ein typisches Bußgewand, hinter dem die Gläubigen Reue zeigen konnten, ohne ihre Identität preisgeben zu müssen.
Die sogenannten Hermandades (Bruderschaften), die es in jedem andalusischen Dorf gibt und die allesamt ihre eigenen Gewänder haben, formieren sich in der Osterwoche zu Prozessionen und ziehen ab dem Palmsonntag durch Dörfer und Städte. Ihren Ursprung hat die spanische Semana Santa im 16. Jahrhundert, als die katholische Kirche beschloss, auch der einfachen Bevölkerung das Leben und vor allem die Leiden Christi näherzubringen. Dafür wurden Heiligenfiguren, wie Jesus, Maria oder Szenen aus dem Kreuzweg, in Lebensgröße geschnitzt und auf Holzkonstruktionen, den Pasos, durch die Straßen getragen. Übernommen wurde diese Aufgabe von den Brüderschaften, die bis heute Bestand haben.
Den Höhepunkt erreicht die Semana Santa am Karfreitag, wenn die Prozessionen mit ihren Pasos und begleitet von Musik, Trommeln und Gesang aufmarschieren. Flankiert wird die Prozession von Gläubigen und Schaulustigen, die sich das Spektakel nicht entgehen lassen – und damit sich die Kinder nicht allzu sehr vor den vermummten Gestalten fürchten, verteilen diese Bonbons und Süßigkeiten.
Hexenumzug
Weniger furchteinflößend ist die Tradition im hohen Norden Europas. In Schweden begegnet man am Gründonnerstag so manch kleiner Hexe, die von Haus zu Haus zieht. Ausgestattet mit Schürze, Kopftuch und Körbchen sowie aufgemalten Sommersprossen ziehen die Kinder verkleidet von Tür zu Tür, um Süßigkeiten zu sammeln. Als Dankeschön verteilen sie selbst gemalte Ostergrüße.
Der Brauch, der Assoziationen an Halloween weckt, wird in Schweden schon ab dem frühen 19. Jahrhundert praktiziert. Er soll an die Hexen erinnern, die zu Ostern der Legende nach zum Blåkulla, dem schwedischen Blocksberg, fliegen, um gemeinsam mit dem Teufel zu feiern.
Einen Osterbaum kennen auch die Schweden – für diesen schneiden sie Birkenzweige ab und dekorieren diese mit bunten Federn. Und auch Ostereier sind im Land der Pippi Langstrumpf Tradition – gebracht werden sie allerdings nicht wie bei uns vom Hasen, sondern vom Osterhahn.
Wer ist der Narr?
Eine Ostertradition, die sich komplett von der österreichischen unterscheidet, sind die dänischen Osterbriefe. Dafür schreibt der Absender ein Ostergedicht oder einen kurzen Reim auf ein Blatt Papier und schickt dieses an einen Freund, ein Familienmitglied oder das Herzblatt. Wichtig ist, dass die österlichen Zeilen nicht unterschrieben werden, sondern anonym bleiben. Nur ein Punkt für jeden Buchstaben des Namens kommt unter den Text. Das Papier wird außerdem gefaltet und wie eine Art Scherenschnitt gestaltet, bevor es in den Briefumschlag kommt. Auch kleine Frühlingsblumen sind beliebte Beigaben zum sogenannten „Gækkebrev“, was so viel wie verrückter Brief oder Scherzbrief bedeutet.
Der Empfänger darf nun raten, von welchem „gæk“ (Narren) der Brief stammt. Errät er es nicht, ist er selbst der „gæk“und muss dem Absender einen Kuss geben oder ihm ein Osterei schenken.
Österliche Wasserschlacht
Südöstlich von Dänemark, in Polen, wird katholische Tradition großgeschrieben. Die Kirche und ihre Traditionen spielen in dem tief katholischen Land eine bedeutende Rolle. In der Karwoche besinnt man sich der Passionsgeschichte, man fastet streng, verbringt viel Zeit im Gebet und verhängt sogar die Spiegel im Haus.
Am Ostersamstag wird dann in den Häusern gebacken, gekocht und alles für das Licht bringende Osterfest und die Auferstehungsmesse vorbereitet. Nachdem am Ostersonntag die ganze Familie gemeinsam gefeiert hat, freuen sich alle auf den Ostermontag. Dann tut man gut daran, das Haus nur ausgerüstet mit einer guten Regenjacke zu verlassen. Außer Babys und alten Menschen muss dann nämlich jeder damit rechnen, bespritzt zu werden. Ob man mit einer Wasserbombe beworfen, mit einer Kelle übergossen, von der Spritzpistole getroffen oder vom Inhalt einer Flasche nass gemacht wird, weiß man nie. Alles ist erlaubt, wenn es am Ostermontag „Smigus Dyngus“ (Tag des Wassers) heißt.
Der Brauch geht wahrscheinlich auf das Jahr 966 zurück, als der polnische Herrscher Mieszko I. am Ostermontag getauft und Polen fortan katholisch wurde. Die Polen nehmen den Brauch ziemlich ernst, an diesem Tag wird jährlich der höchste Wasserverbrauch des Jahres verzeichnet.
Lautstarkes Topfwerfen
Auch auf der griechischen Insel Korfu muss man sich in Acht nehmen – zwar nicht vor Wasserstrahlen, sondern vor Tontöpfen, die dort aus den Fenstern geworfen werden. Um Punkt 11 Uhr am Karsamstag beginnt der Brauch namens „Botides“.
Große, mit Wasser gefüllte Tontöpfe (botides) werden dann von den festlich geschmückten Balkonen entlang der Spianada, dem großen Platz in Korfu Stadt, auf die Straße geworfen. Mit einem lauten Knall zerschmettern die Gefäße vor den Füßen der Schaulustigen, dazu ertönen die Festungskanonen, die zeitgleich abgefeuert werden, es gibt Jubelrufe und Applaus. Mit dieser lautstarken Tradition begehen die Korfioten die „erste Auferstehung“, bevor dieselbe später in der Kirche gefeiert wird. Der ungewöhnliche Brauch geht auf die Zeit zurück, in der Korfu von den Venezianern besetzt war. Diese pflegten die Tradition, zum Jahreswechsel Kleidung und andere alte Gegenstände aus dem Fenster zu werfen, um den Ballast des alten Jahres loszuwerden. Diesen Brauch hat man später adaptiert und auf Ostern verlegt.
Andere Überlieferungen meinen, das Werfen der Tonkrüge soll den Winter vertreiben und den Weg für die aufkeimende Natur frei machen. Die Scherben, die sich auf dem Pflaster der Spianada verteilen, bleiben nicht lange liegen. In Windeseile werden sie von den Menschen eingesammelt – die Tonstücke sollen ihren Besitzern nämlich Glück bringen, zumindest bis zum nächsten Osterfest.