Österreichs Wirtschaft kommt aus dem Krisenmodus nicht heraus – heuer droht bereits das dritte Rezessionsjahr in Folge. Nach dem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 1,2 Prozent 2024 prognostiziert Raiffeisen Research auch heuer ein Schrumpfen der Wirtschaft um weitere 0,7 Prozent. Den Wirtschaftsstandort wieder in die Gänge zu bringen, habe daher höchste Priorität, betont Generaldirektor Michael Höllerer bei der Eröffnung der „Impulse“-Veranstaltung, zu der Raiffeisen NÖ-Wien gemeinsam mit dem Österreichischen Raiffeisenverband (ÖRV) eingeladen hatte, und fügt hinzu: „Und dazu müssen wir auch unorthodox denken.“
Frischen Wind mit alten Stärken und eine starke Brise Optimismus will Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer in die österreichische Wirtschaftspolitik bringen: „Wir leben in einer Zeit des Umbruchs, in der sich herausstellen wird, ob wir dieses Wohlstandsmodell, das wir in Österreich gewohnt sind, auch auf Dauer absichern können oder nicht.“ Um den Wohlstand zu erhalten, brauche es vor allem das richtige Mindset, das sich „unmissverständlich zu Leistung und Wettbewerb bekennt“. Der Fokus auf Fleiß, Erfindergeist und Internationalität sei nun besonders wichtig, „um die heimische Wirtschaft wieder auf die Überholspur zu bringen“. Zentrale Kennzahlen dafür seien die Forschungs- und Exportquote sowie die Anzahl der geleisteten Arbeitsstunden.
„Gefahr Mittelmaß“
Damit wieder mehr konsumiert und investiert werde, will Hattmannsdorfer aber auch an der Stimmung im Land arbeiten. „Oberste Aufgabe der Politik ist es, bei allen Herausforderungen, die ich nicht kleinreden will, für eine gute Stimmung zu sorgen. Unser Anspruch muss miteinander sein, dass wir diese Herausforderungen meistern“, sagt der neue Wirtschaftsminister. Sorgen macht ihm, dass Österreich auch in mittelfristigen Wirtschaftsprognosen unter dem EU-Durchschnitt bleibe. „Eines der wohlhabendsten und reichsten Länder der EU läuft plötzlich Gefahr, nur mehr europäisches Mittelmaß zu werden. Das dürfen wir politisch nicht zulassen“, fordert Hattmannsdorfer.
Die erratische US-Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump sieht der Wirtschaftsminister als einen Weckruf. Österreichs US-Exporte könnten um fast ein Viertel einbrechen, zeigen Wifo-Berechnungen. „Ohne neue Handelsmärkte oder -beziehungen ist das Wirtschaftsmodell Österreich nicht aufrechtzuerhalten“, ist Hattmannsdorfer überzeugt. Zudem müsse man auch einige Hausaufgaben etwa bei der Bürokratie erledigen. „Es gibt nicht den einen Knopf, auf den man heute drücken kann und morgen wird alles gut“, sagt der Wirtschaftsminister. Die neue Regierung habe bereits einige Reformen für den Mittelstand auf den Weg gebracht. So wird bereits heuer in einem ersten Schritt die Umsatzgrenze für die Anwendung der Basispauschalierung von derzeit 220.000 auf 320.000 Euro und der Durchschnittssteuersatz von 12 Prozent auf 13,5 Prozent steigen. In einem zweiten Schritt im kommenden Jahr wurde eine weitere Anhebung auf 420.000 Euro beschlossen, während der Prozentsatz dann auf 15 Prozent steigen soll. Mit der Erhöhung der Basispauschalierung werden vor allem kleinere und mittlere Gewerbebetriebe entlastet.
Hohe Lohnkosten
Dass die Sparquote in Österreich auf Corona-Niveau angestiegen ist, als man beim Konsum stark eingeschränkt war, ist für Franz Schellhorn, Direktor der liberalen Denkfabrik Agenda Austria, nicht verwunderlich: „Die Menschen sehen in den Betrieben, was los ist, dass Aufträge ausbleiben, Investitionen nicht kommen und die Arbeitgeber unter Druck sind.“ Für die wirtschaftliche Misere macht der Wirtschaftsexperte auch die vorangegangene Bundesregierung mitverantwortlich, „die eine Angebotskrise mit nachfrageorientierter Politik bekämpft hat“.
Dazu komme, dass nur Belgien und Österreich in der EU die Löhne mit der Inflation angepasst haben. „Das macht sonst niemand. Wir finden einfach keine Kunden mehr, die diese hohen Preise für unsere Produkte bezahlen“, so Schellhorn. Steigerungen der Lohnstückkosten von 25 Prozent in wenigen Jahren – das könne keine Industrie auffangen, verkraften oder weiterreichen. Die Lohnquote, also der Anteil der Arbeitnehmer am Wohlstand, sei zuletzt auf über 72 Prozent gestiegen – der höchste Wert seit über 25 Jahren. „Die Arbeitnehmer sind die Gewinner der Krise“, resümiert Schellhorn.
Für ihn wäre die wichtigste Strukturreform in Österreich die Einführung einer Schuldenbremse für den Staat nach Schweizer Modell. Daraus würde sich alles andere ergeben. Bei der Sanierung des aus den Fugen geratenen Budgets – das Staatsdefizit erreichte im Vorjahr 4,7 Prozent und auch heuer drohen schlechtere Zahlen als gedacht – plädiert der Ökonom vor allem für eine Kürzung der Ausgaben. Die Staatsausgaben würden sich mittlerweile in Richtung des Corona-Niveaus von 57 Prozent des BIP entwickeln. Gleichzeitig habe Österreich eine der höchsten Staatseinnahmen in ganz Europa. „Mit diesen hohen Staatsausgaben erwirtschaften wir aber immer weniger Wirtschaftswachstum“, kritisiert der Wirtschaftsdenker. Im Vorjahr erzielte man mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung um 1,2 Prozent sogar das schlechteste Ergebnis in der gesamten EU. „Das ist der schlagende Beweis, dass diese steigenden Staatsausgaben in die falsche Richtung führen. Wir müssen umkehren“, so Schellhorn.
Bankenabgabe bremst
Eine falsche Richtung hat die neue Bundesregierung laut Sigrid Burkowski, Vorständin der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich, auch bei der Besteuerung der Banken eingeschlagen. Zwischen 2011 und 2024 haben die österreichischen Kreditinstitute zusätzliche Sondersteuern in Form der sogenannten Stabilitätsabgabe von knapp 5,2 Mrd. Euro geleistet. Die Einnahmen betrugen zuletzt etwa 150 Mio. Euro pro Jahr. Nun soll die Bankenabgabe 2025 und 2026 auf je 500 Mio. Euro steigen. „Das bedeutet, dass uns in den vergangenen Jahren 80 Milliarden Euro an Finanzierungsvolumen abhandengekommen sind. Und in den nächsten Jahren werden es weitere 16 Milliarden Euro werden“, so Burkowski.
Darüber hinaus bremse die höhere Bankabgabe auch den Aufbau von Eigenmitteln und verschärfe insgesamt die Wettbewerbssituation für die heimischen Kreditinstitute gegenüber der Konkurrenz etwa aus Deutschland oder der Schweiz, die solche Sondersteuern nicht kenne. Dabei übernehmen die Banken schon jetzt viele Aufgaben für die staatliche Verwaltung, wie die Abführung der Kapitalertragsteuer, die Meldungen an das Kontenregister oder bei der Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität. „Wir sind ja kein Add-on für den Staat, sondern Teil dieser Wirtschaft. Wenn in den nächsten Jahren sehr, sehr viele Investitionen aus verschiedensten Bereichen kommen, dann wollen wir diese finanzieren können“, so Burkowski.
Bei den Wohnbaufinanzierungen gibt es seit dem starken Zinsanstieg 2022/23 ein Minus von 50 bis 70 Prozent. Trotz der vorsichtigen geldpolitischen Kehrtwende der Europäischen Zentralbank (EZB) kommt es nur langsam zu einer Entspannung am Wohnimmobilienmarkt. „Die Anschaffung eines Eigenheims ist der Glaube an die Zukunft“, sagt die Bankmanagerin. Wenn man das den Menschen nicht mehr ermögliche, dann sei es genau dieser Stimmungskiller, den man vermeiden müsse. Die sogenannte KIM-Verordnung, mit der die Kreditvergabe im privaten Wohnbereich seit dem Sommer 2022 verschärft wurde, sei zu einer Unzeit gekommen. Das Auslaufen dieser Verordnung zur Jahresmitte 2025 sollte nun nicht durch ein anderes Instrument ersetzt werden, und damit wieder die Menschen hindern, sich Eigentum aufzubauen.