Friedhöfe: Erinnerungen in Stein und Gusseisen

Sie sind verlassen, versteckt, doch nicht vergessen: Österreichs historische Friedhöfe und Grabhaine.

In Österreich gibt es eine fast unendliche Anzahl an Phrasen, die das Ableben in Wörter fassen. Doch ob man „sich die Schleife gibt“ oder „sich die Radieschen von unten anschaut“ – die letzte Ruhestätte ist das Nonplusultra nicht nur für jene, die sich den Holzpyjama bereits angezogen haben, sondern auch für alle, die der Hektik der Großstadt und des Alltags ein Schnippchen schlagen wollen. Besonders im November, wenn sich die Sonne nur noch selten blicken lässt und Stadt und Land in einen Dunstschleier gehüllt sind, kommt bei vielen Melancholie auf und für viele Menschen ist es Zeit, verstärkt an ihre Verstorbenen zu gedenken. Zieht man heute vermehrt im Rahmen des ursprünglich keltischen Halloweenfests verkleidet durch die Gegend, so war es einst Allerseelen, das einen Volksaufmarsch herbeiführen konnte. 

Platzmangel am Friedhof

Mittlerweile ist es rund um den 1. November zwar ruhiger geworden, aber, dass man dem Tod noch immer kein Schnippchen schlagen konnte, davon zeugen nach wie vor die zahlreichen Ruhestätten des Landes. Mit über drei Millionen Toten verfügt der Wiener Zentralfriedhof nicht nur über mehr „Einwohner“ als die Stadt der Lebenden, sondern er ist zudem die zweitgrößte Totenstadt Europas. Allein in der österreichischen Hauptstadt gibt es 55 Friedhöfe, auf denen regelmäßig Beisetzungen durchgeführt werden. Hinzukommen eine Reihe von Friedhöfen, die nicht mehr belegt werden, aber aus kulturhistorischen oder religiösen Gründen vor einer Auflösung bewahrt werden. 

Zu den interessantesten zählen die Überreste des Jüdischen Friedhofs Währing. Dieser verdankt, wie unter anderem auch der Friedhof St. Marx oder der Matzleinsdorfer Friedhof, sein Bestehen der Reform von Kaiser Josef II. Dieser verbot aufgrund der Seuchengefahr Tote innerhalb des Linienwalls zu bestatten. Mit dem stetigen Wachstum der Bevölkerung wurden jedoch auch diese Friedhöfe zu klein und es kam zur Eröffnung des Zentralfriedhofs. Noch heute erinnern in drei Wiener Parkanlagen, die auf dem Gelände jener ehemaligen Kommunalfriedhöfe gestaltet wurden, Gräberhaine an die einstige Verwendung des Areals als Friedhofsgelände. Erhalten haben sich beispielsweise nach wie vor 44 Denkmäler aus dem alten Währinger Ortsfriedhof im Schubertpark, während noch heute im Waldmüllerpark 99 Grabsteine – darunter auch jener von Friedrich Georg Waldmüller – auf Nachfrage auch aus nächster Nähe zu besichtigen sind. Doch auch ohne Schlüssel kann man einen recht guten Blick auf einige der historischen Gräber erhalten. 

Friedhof der Namenlosen
Gusseiserne Kreuze des Zentralfried­hofs zieren die Gräber der Namenlosen. © Wien Holding

Jüdisches Andenken

Anders verhält es sich mit dem hinter einer Mauer verborgenen Jüdischen Friedhof in Währing. Der Friedhof diente bis 1879 als offizieller Begräbnisplatz aller in Wien verstorbenen Juden. Während der benachbarte christliche Teil in den 1920er-Jahren in einen Park (mit rund 60 in einem Gräberhain erhaltenen Grabdenkmälern) umgewandelt wurde, konnte der jüdische Teil, abgesehen von jenen massiven Zerstörungen während der Zeit des Nationalsozialismus, die Zeit überdauern. Das Gelände verfügt über eine Reihe von prachtvollen Biedermeier-Gräbern bekannter jüdischer Familien sowie über eine Abteilung mit Gräbern sephardischer Juden und ist nur im Rahmen von Sonderführungen zu besichtigen. Noch älter als der Währinger Friedhof ist der Jüdische Friedhof in der Seegasse. Der im 16. Jahrhundert angelegte Gottesacker befindet sich heute – nach der Zerstörung durch die Nationalsozialisten und seiner teilweisen Wiederinstandsetzung in den 80er-Jahren – auf dem Gelände eines Seniorenheims. 

Mit der Unterzeichnung des Washingtoner Abkommens hat Österreich 2001 die Verpflichtung zur Restaurierung und Erhaltung von jüdischen Friedhöfen in Österreich übernommen. Dank des „Fonds zur Instandsetzung der jüdischen Friedhöfe“ konnten in den vergangenen Jahren zahlreiche jüdische Friedhöfe in österreichischen Gemeinden restauriert werden und sind – entweder auf Nachfrage, wie die im Burgenland liegenden Friedhöfe der Marktgemeinden Kittsee und Kobersdorf (Schlüssel sind am Gemeindeamt erhältlich), oder frei zugänglich, wie der 1876 gegründete jüdische Friedhof in Hollabrunn – zu besichtigen.

Erneut zu betreten ist mittlerweile auch wieder der Friedhof in der ehemaligen Marktgemeinde Döllersdorf. Die 7.000-Seelen-Gemeinde wurde wenige Monate nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten zerstört und ein Truppenübungsplatz an ihrer Stelle geschaffen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Areal zunächst von der sowjetischen Armee und später vom österreichischen Bundesheer benutzt. 1981 wurden Spital, Kirche und Friedhof Döllersheim aus dem militärischen Sperrgebiet herausgenommen und sind seitdem wieder zugänglich. 

Raritäten

Über eine ganz besondere Geschichte verfügt auch der Friedhof der Namenlosen. Das Friedhofsgelände ist im Wiener Auenwald- und Wiesengebiet gelegen und ist letzte Ruhestätte für jene Wasserleichen, die von 1845 bis 1940 im Alberner Hafen durch einen Wasserstrudel der Donau gemeinsam mit Treibgut angeschwemmt wurden. Sein Vorhandensein verdankt der Friedhof der Initiative der einst hier lebenden Fischer, die die Leichen aus der Donau bargen. Bestatteten sie die Toten zunächst noch am Ufer, so ging man im Lauf der Zeit dazu über, die Leichen weiter im Landesinneren zu beerdigen, da die Donau regelmäßig über die Ufer trat. Nachdem die von den Fischern angebrachten Birkenkreuze der Witterung über die Jahre nicht standhalten konnten, setzte der ehrenamtliche Friedhofsbetreuer Josef Fuchs nach dem Zweiten Weltkrieg durch, dass sie durch Gusskreuze von aufgelassenen Grabgruppen des Zentralfriedhofs übernommen werden konnten. 

Ebenfalls um Übertragungen handelt es sich beim Museumsfriedhof im Tiroler Alp­bachtal. Der Museumsfriedhof wurde 1965 dank der Sammelleidenschaft der Kunstschmied- und Steinmetzmeister-Familie Guggenberger angelegt und zeugt mit seinen zahlreichen historischen Grabkreuzen von der Schmiedekunst – und mit Sprüchen wie „Hier schweigt Johanna Vogelsang, sie zwitscherte ihr Leben lang“ mitunter auch dem Humor – im Alpenland. 2018 und 2022 wurde das Gelände zudem um zwei mehrere Meter lange Totentanzzyklen erweitert. Der Museumsfriedhof kann ganzjährig Montag bis Freitag besucht werden. 

AusgabeRZ44-2025

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