Licht in Bewegung

Rund um den 11. November heißt es vielerorts wieder zu Sankt Martin: „Ich gehe mit meiner Laterne.“ Ein Brauch, der zwar erst im 19. Jahrhundert das Licht der Welt erblickte, doch ob Fackeln oder Laternen – tragbares Licht begleitet die Menschheit schon seit Jahrhunderten.

Längst haben wir uns daran gewöhnt, dass wir auch im Dunkel der Nacht vortrefflich sehen können. Das war jedoch nicht immer so: Ein mit heutigen Zeiten in etwa vergleichbares nächtliches Treiben konnte sich erst im Zuge der Industrialisierung und der verbesserten Straßenbeleuchtung im 19. Jahrhundert entwickeln. 

Der Großteil der Menschen vermied es bis dahin, in der Nacht auf den Straßen unterwegs zu sein. Wollte man auch hierzulande im Mittelalter oder in der Neuzeit die dunklen Gassen betreten, war es vonnöten, sein eigenes Licht mitzutragen. Geregelt wurde dies in Verordnungen der jeweiligen Landesherren. So sah sich im Jahr 1561 Kaiser Ferdinand I. aufgrund von steigender Unsicherheit dazu veranlasst, für Wien das Betreten der Straße nach dem Läuten der Bierglocke ohne Licht bei „Ungnad und Straff“ zu untersagen. Wer es sich leisten konnte, hatte freilich die Möglichkeit, für sich tragen zu lassen. Adelige Familien nahmen Lakaien und Läufer in ihren Dienst, die ihnen bei Dunkelheit Fackeln und Windlichter vorantrugen und bei nächtlichen Ausfahrten mit der Kutsche den Weg ausleuchteten. Die über Frankreich, ursprünglich aus dem Orient stammende Sitte, den Kutschen junge Männer mit Fackeln vorauslaufen zu lassen, hielt sich auch hierzulande bis spätestens Mitte des 19. Jahrhunderts. Eine Zeit, in der der Beruf des Läufers als inhuman angesehen wurde und man zudem dazu überging, Pferdekutschen mit Kerzen und Reflektoren auszustatten. 

Diebische Laternenbuben

Ebenfalls dem Fortschritt der Beleuchtungstechnik wichen damals auch die sogenannten Laternenbuben. Bei den minderjährigen Lichtträgern handelte es sich um Kinder zwischen sechs und 14 Jahren, die zahlungswillige Kunden nach Ende von Bällen oder Theatervorstellungen für geringes Geld mit ihren Lampen den Heimweg ausleuchteten. Mit der Einführung der Gasbeleuchtung verschwanden sie gänzlich aus dem Stadtbild. Die vorwiegend aus der Unterschicht stammenden Burschen genossen jedoch vielerorts nicht immer den besten Ruf, da es (vor allem in Frankreich) vorgekommen sein soll, dass sie mit Dieben gemeinsame Sache machten. Letztere brachen besonders gerne des Nachts zur Arbeit auf. Ausgestattet waren die sogenannten „Dunkelmänner“ mit „Blendlaternen“ – geschlossene Laternen, die lediglich über einen schmalen Lichtspalt verfügten, den man bei Gefahr des Entdecktwerdens mittels einer blechernen Klappe abblenden konnte. 

Eine Idee, die schon aus der Zeit der Antike überliefert ist. So schwärzte man Laternenwände, um einen fokussierten Lichtstrahl zu erzeugen, der gezielt in eine Richtung gelenkt werden konnte, was zum Beispiel bei nächtlichen Wach- oder Vorhutposten vorteilhaft war. Bereits der griechische Dichter Aristophanes schrieb in seiner Komödie „Die Acharner“ davon, dass schon Alexander der Große der Laterne gegenüber der Fackel den Vorzug gegeben haben soll, da sie in der Nacht nicht schon von weitem gesehen werden konnte und nicht so leicht verlöschte. Die Laternen der römischen Zeit wurden zumeist aus Ton oder Metall gefertigt. Dazwischen sorgten Materialien wie Tierhaut oder Horn – in der spätrömischen Zeit verwendete man bereits Glas – für Durchsicht. Als Brennstoff verwendete man vermutlich Talg. 

Von Kerze bis Glühfaden

Obwohl die Verwendung von Wachskerzen bereits für das 2.  Jahrhundert dokumentiert ist, waren diese lange Zeit für den Großteil der Bevölkerung unerschwinglich. Erst mit der Erfindung von Stearin und Paraffin in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden Kerzen auch für die breite Masse erschwinglich und zum Schutz vor Wind und Wetter in Lampen gesetzt. Mit dem Einsatz von Mineralölen fand letztendlich auch in der Laternentechnik eine Revolution statt. Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts erschienen die ersten Petroleumlampen. Eine negative Begleiterscheinung war jedoch die leichtere Entzündbarkeit im Vergleich zu den bis dahin verwendeten tierischen und pflanzlichen Ölen und Fetten. Im Jahr 1910 wurde die sogenannte Petromax-Lampe auf den Markt gebracht, die über eine bis dato unerreichte Leuchtkraft von 1.000 Kerzen verfügte. Schon 1896 hatte die in Wien ansässige Firma „Vohwinkel“ einen Vorläufer der elektrischen Taschenlampe entwickelt. 

Mit Auer von Welsbach verfügt Österreich zudem über einen Erfinder, der auch im Bereich der Lichttechnik Revolutionäres hervorgebracht hat. Der 1858 in Wien geborene Chemiker und Unternehmer gilt nicht nur als Erfinder des Gasglühlichts und der ersten Metallfadenglühlampe, sondern auch des modernen Feuerzeugs. Ein Utensil, das nicht nur für Raucher nach wie vor unabdinglich ist, sondern sich vor allem in der Rockkultur durch das Hochhalten bei Balladen ab den 1970er-Jahren einer besonderen Beliebtheit erfreute – heute jedoch immer mehr durch die Strahlkraft von Mobiltelefonen ersetzt wird. 

Ursprung des Laternenzugs

Generell gewinnt die LED-Technik auch bei tragbaren Leuchten zunehmend an Bedeutung und Akzeptanz. Auch wenn Kerzen nach wie vor im Kirchenjahr nicht wegzudenken sind, so wird vor allem bei Lichtumzügen – wie auch zu Ehren des Heiligen Martins – immer häufiger auf LED gesetzt. Die in die selbstgebastelten Lampen hineingesetzten LED-Teelichter vermögen ähnlich wie Kerzen für eine stimmungsvolle Atmosphäre zu sorgen, jedoch ohne jegliche Brandgefahr. Letzteres war laut einigen Wissenschaftlern im Übrigen auch der Grund, weshalb es vor rund 200 Jahren zum Brauch kam, Kinder zu Martini mit Lampions oder Laternen auszustatten, anstatt sie mit Fackeln umherziehen zu lassen. Ursprünglich zündete man nach den kirchlichen Feierlichkeiten zu Ehren des Heiligen Martins mit leuchtenden Fackeln ein Martinsfeuer an. 

Eine andere Erklärung bietet der ehemalige Brauch, auf den abgeernteten Feldern ein Feuer zu entfachen. Die Kinder entzündeten daran ihre Fackeln, um damit von Haus zu Haus zu wandern und um Obst und Gebäck zu bitten, woraus sich dann moderne Laternenumzüge entwickelten. In manchen Regionen war es zudem üblich, die sogenannten „Trullichter“ in ausgehöhlte Kürbisse oder Rüben zu stecken. 

Doch welche Faktoren auch immer zum Brauch des Lichterumzugs zu Ehren des Heiligen Martins geführt haben, vor allem mit dem Einbruch der dunklen Jahreszeit hat das Licht als Symbol für Hoffnung und den Zusammenhalt in der Gemeinschaft nach wie vor seine ganz besondere Bedeutung.

AusgabeRZ45-2025

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