Die Entscheidung über die Einführung des digitalen Euro rückt näher, was auch den jahrelangen Diskurs zwischen Befürwortern und Skeptikern intensiviert. Im kommenden Jahr könnte die EU die notwendigen Rechtsvorschriften erlassen und damit ein Pilotprojekt der Europäischen Zentralbank (EZB) 2027 ermöglichen. Zwei Jahre später wäre dann die Einführung des digitalen Euro in einem solchen Szenario geplant. Angesichts der jahrelangen Diskussion sind Sorgen und Vorbehalte gegenüber dem digitalen Zentralbankgeld sowohl bei den Bürgern als auch am Finanzmarkt weit verbreitet.
„Der digitale Euro ist die große Unbekannte“, konstatiert Paul Schmidt, Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik (ÖGfE) und Moderator bei Diskussionen im Haus der EU in Wien. Immerhin wüsste Umfragen zufolge ein Drittel der Österreicher nicht, was der digitale Euro sein soll und in welche Richtung das Ganze gehe. Entsprechend groß sei daher der Bedarf an Austausch, Aufklärung und auch offener Diskussion.
Gleichzeitig sei auch das Interesse an einer neuen Zahlungsmöglichkeit groß: Zwei Drittel der Europäer wären interessiert, das digitale Zentralbankgeld auszuprobieren, so Schmidt weiter. Eine gewisse Parallele zieht der Politikexperte zur Einführung des Euro-Bargeldes vor knapp 24 Jahren. Obwohl im Vorfeld die Sorgen ebenfalls groß waren, sind heutzutage fast drei Viertel der Österreicher der Meinung, dass sich die Gemeinschaftswährung positiv auf Österreich ausgewirkt habe.
Europa stärken
Finanzminister Markus Marterbauer befürwortet die Einführung des digitalen Euro – vor allem vor dem Hintergrund „der enormen geopolitischen Unsicherheiten“ der vergangenen Jahre. Die Antwort darauf könne nur „ein stärkeres Europa“ sein, was viele Dimensionen habe. Der Euro habe zur Stärkung des Binnenmarktes – rund 80 Prozent des Handels betreiben die EU-Mitgliedstaaten innerhalb der Gemeinschaft – wesentlich beigetragen.
Der digitale Euro wäre eine Fortsetzung und Ergänzung der Gemeinschaftswährung. Marterbauer zeigt sich überzeugt, dass alle in Europa von einer Einführung profitieren werden. Die EU werde einerseits von weltwirtschaftlichen Turbulenzen und andererseits von den US-Zahlungsdiensteanbietern, die den europäischen und globalen Markt für Zahlungsverkehr dominieren, unabhängiger.
„Der digitale Euro hat das Potenzial, enorme Kosten für Unternehmen und Bürger einzusparen. Damit können für Europa enorme Wohlstandsgewinne verbunden sein, wenn wir diese Potenziale geschickt nutzen“, ist der Finanzminister überzeugt.
Neuer Verbündeter
Die große Bedeutung des digitalen Euro für die EU veranschaulicht Marterbauer folgendermaßen: „Ich bin seit neun Monaten im Ecofin-Rat dabei und wir haben jedes Mal den digitalen Euro am Programm gehabt und immer wichtige Details diskutiert.“ Er hoffe, dass man diese Woche fertig werde. Auch das EU-Parlament steht laut EU-Abgeordneter Evelyn Regner vor den finalen Abstimmungen. Bis Ende Jänner 2026 können noch Abänderungsanträge eingebracht werden. Danach wird der Berichterstatter des EU-Parlaments, Fernando Navarrete, seinen Bericht vorlegen.
„Wir rechnen mit der Abstimmung im EU-Parlament im Mai“, so Regner. Danach sollten die Verhandlungen mit dem EU-Rat starten. Es sei erstaunlich, dass das EU-Parlament so langsam in dieser Sache vorangekommen sei. Außerdem würde der Berichterstatter „sehr genau auf die Kommerzbanken hören“.
Für Regner sei der digitale Euro nicht der Gegner des Bargelds, sondern sein Verbündeter: „Europa steht an einem Wendepunkt: Immer weniger Menschen zahlen bar, doch der Wunsch nach Sicherheit und Verlässlichkeit bleibt. Genau hier beginnt die Geschichte des digitalen Euro.“ Es gehe nicht darum, Banknoten und Münzen zu ersetzen, sondern echte Wahlfreiheit zu schaffen und die Souveränität der EU im Zahlungsverkehr zu sichern.
Wie wichtig insbesondere Letzteres sei, verdeutlicht die EU-Abgeordnete am Beispiel von neun Mitarbeitern, darunter sechs Richter und der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag, die von US-Präsident Donald Trump mit Sanktionen belegt wurden, weil sie einen Haftbefehl gegen Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und seinen ehemaligen Verteidigungsminister Yoav Gallant wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen im Zusammenhang mit Israels Militäroffensive im Gazastreifen erließen. Unter den Sanktionierten befindet sich auch der französische Richter Nicolas Guillou. Ihm wurden alle seine Konten bei US-Unternehmen wie Paypal, Amazon, Kreditkarten, Expedia und noch viel mehr gesperrt.
„Beinahe Monopole“
Europa müsse solche Abhängigkeiten, wie sie in den vergangenen Jahren bei der Gas- und Medikamentenversorgung und nun auch beim Zahlungsverkehr zutage getreten sind, reduzieren, fordert Josef Meichenitsch, Direktor der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB). Die Bezahlsysteme in der EU werden von US-Anbietern dominiert, die sich beinahe eine Monopolsituation geschaffen haben. Jedes Jahr überweisen diese rund 14 Mrd. Euro aus Europa an ihre US-Eigentümer zurück. Die öffentliche Hand wolle nun auch mit der Einführung des digitalen Euro auch für mehr Wettbewerb sorgen. Dazu seien auch private Initiativen wie der EU-Bezahldienst Wero, der von europäischen Geschäftsbanken ins Leben gerufen wurde, um den US-Anbietern wie Paypal Konkurrenz zu machen, willkommen.
„Der digitale Euro ist der Zwilling des Bargelds und bringt die Vorteile des Bargelds in den digitalen Raum“, fasst Meichenitsch zusammen. Damit soll das Bezahlen in der EU datensicher, unkompliziert und kostenlos überall möglich werden.
Die Sorge der Banken, dass Einlagen in einer Krisensituation massiv von den Geschäftsbanken zu „der vermeintlich sicheren Zentralbank“ wandern könnten, versteht Meichenitsch als ehemaliger Bankenaufseher „sehr gut“. Im Vorjahr habe man das etwa in den USA auf einem anderen Niveau beobachten können, als die Silicon Valley Bank zusammenbrach und die Menschen Gelder von regionalen Banken abzogen und zu den Großbanken transferierten. Daher plane man die Einführung eines Limits für den digitalen Euro, damit Geld nicht unbegrenzt aus dem Finanzsystem abgezogen werden kann und damit die Finanzstabilität untergrabe. Man sei in einem intensiven Austausch mit den Kreditinstituten, um eine sinnvolle Grenze zu definieren, die wahrscheinlich zwischen 2.000 und 5.000 Euro betragen werde. „Wichtig ist es, dass wir ein gemeinsames Verständnis dafür haben, dass es eines solchen Haltelimits bedarf“, betont Meichenitsch.

Staatlicher Eingriff
Gerald Resch, Generalsekretär des Bankenverbandes, ist von der Notwendigkeit einer Einführung des digitalen Euro nicht gänzlich überzeugt, auch wenn er „ein großer Freund der europäischen Souveränität“ sei. „Wir haben keine Probleme beim Bezahlen in Europa und sehr viel Wettbewerb“, sagt Resch in einer anschließenden Expertendiskussion. Dass die Gewinne aus dem europäischen Zahlungsverkehr mehr in Europa verbleiben sollten, sei ein gemeinsames Ziel. „Ich glaube aber nicht, dass wir einen staatlichen Anbieter brauchen“, sagt der Bankenvertreter. Er plädiert dafür, die bisherige Rollenverteilung am Finanzmarkt beizubehalten: die EZB als Infrastrukturanbieter und die Geschäftsbanken nahe beim Kunden.
Petia Niederländer, Direktorin der OeNB-Abteilung für Zahlungsverkehr, Risikoüberwachung und Finanzbildung, betonte, dass der Zahlungsverkehr ein Netzwerkgeschäft sei, das man allen anbieten müsse. Deshalb sei die Einführung des digitalen Euro auch wichtig. Die Zentralbanken werden diesen sowohl den Bürgern als auch den Banken ohne Kosten zur Verfügung stellen. Die Herausgabe einer eventuellen Karte, mit der man darüber verfügen könne, sei aber Aufgabe der Geschäftsbanken.
Kostenvorteile durch die Einführung der digitalen Währung erhofft sich auch die Wirtschaft etwa im Tourismus vor allem im Bezug auf internationale Gäste. Der digitale Euro könne als Ergänzung interessant werden und auch bei Buchungen Erleichterungen bringen, aber es müsse die Wahlfreiheit beim Bezahlen aufrechterhalten werden, strich Alexandra Geyer, PR-Verantwortliche der Falkensteiner Michaeler Tourism Group (FMTG), abschließend hervor.









