Die Europäische Kommission hat ihren Legislativvorschlag zur Umsetzung des „Basel IV“-Standards des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht in europäisches Recht veröffentlicht. Der Vorschlag wurde auch von der Raiffeisenbankengruppe mit Spannung erwartet, da insbesondere die Regelungen zur Ermittlung der Eigenmittelanforderungen für das Kreditrisiko überarbeitet werden. Die intensiven Bemühungen des Fachverbandes der Raiffeisenbanken im Vorfeld der Veröffentlichung haben dabei erste wichtige Früchte getragen. „Der von der Europäischen Kommission vorgelegte Entwurf zu Basel IV ist ein Schritt in die richtige Richtung“, analysiert Andreas Pangl, Generalsekretär des Österreichischen Raiffeisenverbandes. Allerdings dürfe die Umsetzung dieses Projekts den wirtschaftlichen Aufschwung nicht verzögern.
Mit ihrem Gesetzesvorschlag möchte die EU-Kommission die Finanzmarktstabilität durch risikosensitivere Eigenmittelanforderungen stärken, gleichzeitig jedoch notwendige Finanzierungen zur Bewältigung der Covid-19-Pandemie nicht erschweren. „Der Vorschlag stärkt die Eigenkapitalbasis der Banken, begünstigt aber weiterhin Privatkunden- sowie KMU-Kredite und bringt auch keine Belastungen für bestehende Beteiligungen“, zeigt sich Pangl zufrieden.
Allerdings würden durch die Vorschläge der EU-Kommission Immobilienfinanzierungen und neu eingegangene Beteiligungen von Banken an Unternehmen künftig verteuert. Zudem soll bei der Bonitätsbeurteilung von Unternehmen verstärkt auf externe Ratings gesetzt werden. „In Österreich hat aber die überwiegende Mehrheit der Unternehmen noch kein externes Rating. Hier müssen also noch praxisgerechte Lösungen gefunden werden“, erklärt Johannes Rehulka, der Geschäftsführer des Fachverbandes der Raiffeisenbanken, der deren Interessen in Brüssel vertritt.
Neben den neuen Eigenmittelvorschriften sieht der Vorschlag auch eine stärkere Berücksichtigung von Risiken aus den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (ESG-Risiken) vor. So werden Banken die Einhaltung der ESG-Ziele in ihr Risikomanagement aufnehmen und auch offenlegen müssen. Zum anderen werden künftig ESG-Risiken auch Teil der Governance-Vorkehrungen bei Instituten und damit in den bankinternen Systemen, Strategien und Verfahren abgebildet. „Gerade bei diesen neuen Vorgaben werden wir besonders auf eine angemessene Umsetzung für Regionalbanken achten“, betont Rehulka mit Hinweis auf die ökonomische Bedeutung kleiner Banken und kleiner und mittlerer Unternehmen in Österreich.
Dennoch sieht Rehulka eine gute Basis für den weiteren Gesetzesprozess auf europäischer Ebene. Insbesondere bei den Beteiligungen ist es gelungen, im Vorschlag der EU-Kommission das Maximum für die Raiffeisenbankengruppe abzubilden. „Ab jetzt gilt es aber, nach einer gründlichen Analyse weitere sinnvolle Verbesserungsvorschläge im Gesetzesprozess einzubringen“, so Rehulka.
IPS wird berücksichtigt
Aufgrund der Vorgaben des Basler Ausschusses würden sich die Risikogewichte von Beteiligungen grundsätzlich von 100 auf 250 Prozent erhöhen. Nach jahrelangen, intensiven Bemühungen auf europäischer und nationaler Ebene konnte der Fachverband nunmehr erreichen, dass nach dem Vorschlag der EU-Kommission Beteiligungen innerhalb eines institutsbezogenen Sicherungssystems („IPS“) weiterhin mit 100 Prozent risikogewichtet werden können. Dieser Umstand ist von wesentlicher Bedeutung für alle Raiffeisenbanken.
Auch bei bestehenden (Industrie-)Beteiligungen kann das 100-Prozent-Risikogewicht weiterhin angewendet werden, wenn diese seit 6 Jahren gehalten werden und ein maßgeblicher Einfluss bei diesen Unternehmen gegeben ist. Mit dieser Sonderregelung ist es gelungen, ein spezifisches Anliegen im Vorschlag der EU-Kommission unterzubringen, das andere Banken in Europa nicht in vergleichbarer Weise trifft.
Investments in nicht-börsenotierte Unternehmen, die kurzfristig und für die Zwecke des Wiederverkaufs und des Kapitalzuwachs gehalten werden, wären nach dem Basler Ausschuss mit 400 Prozent zu gewichten. Die EU-Kommission will aber Beteiligungen, wenn sie mindestens 3 Jahre gehalten werden, „nur“ mit 250 Prozent gewichten.
„Bei den Beteiligungen hat unsere intensive Zusammenarbeit mit anderen Bankengruppen im Europäischen Verband der Genossenschaftsbanken Früchte getragen. Und bei den Industriebeteiligungen, haben wir in zahlreichen Gesprächen mit der EU-Kommission klarmachen können, dass bestehende Investments einen Mehrwert für den Standort in Europa haben“, freut sich Rehulka.
Weitere Neuerungen
Forderung gegenüber kleinen und mittelgroßen Unternehmen (KMU) oder natürlichen Personen können unter Einhaltung bestimmter Kriterien weiterhin mit 75 Prozent gewichtet werden. Als europäisches Spezifikum unverändert beibehalten wird auch der sogenannte KMU-Faktor, der die Eigenmittelanforderungen für die Finanzierung an kleine und mittlere Unternehmen weiter senkt. Basel hätte diesen KMU-Faktor so nicht vorgesehen.
Wesentlich granularer wird die Eigenmittelberechnung von Immobilienfinanzierungen, teurer werden Fremdwährungsfinanzierungen und auch neue Aspekte von Risiken aus den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung sind im Vorschlag der EU-Kommission enthalten.
Um dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (Proportionalität) Rechnung zu tragen, soll künftig die Europäische Bankenaufsichtsbehörde EBA für kleine und nicht komplexe Banken die Offenlegung von Daten übernehmen, die bereits an die Aufsichtsbehörden gemeldet worden sind.
Bis auf einzelne Ausnahmen sollen die neuen Bestimmungen im Wesentlichen mit 1. Jänner 2025 in Kraft treten. Auf EU-Ebene werden der Rat und das Europäische Parlament nun eine Position zum Vorschlag der EU-Kommission erarbeiten, bevor die Schlussverhandlungen starten. Für die Raiffeisen Bankengruppe wird der Fachverband der Raiffeisenbanken die Anliegen der Raiffeisen Bankengruppe federführend koordinieren und vertreten.