Gerade einmal 22 Jahre war Johannes Dobler alt, als er vor anderthalb Jahren zum Teamleiter für den Markt Frastanz in der Raiffeisenbank im Walgau befördert wurde. Mit seinem 9-köpfigen Team betreut der nunmehrige Bankstellenleiter rund 5.000 Privatkunden im Westen Vorarlbergs. Also dort, wo er 2013 die dreijährige Lehre zum Bankkaufmann begonnen hat. Damals wurde er an seinen Praxistagen innerhalb der Bank unter die Fittiche von mehreren Kollegen mit jahrelanger Bankerfahrung genommen. Nicht einmal zehn Jahre später ist er selbst Mentor für Raiffeisen-Lehrlinge in seiner Bankfiliale. Die Vorteile einer Lehre liegen für Dobler auf der Hand: „Für mich war wichtig, schon in jungen Jahren gleich ins Berufsleben einzusteigen. In meinen Lehrjahren durfte ich in jeder Abteilung der Bank erste Erfahrungen sammeln und Praxisluft schnuppern. Das ist ein Angebot, das zum Beispiel Schüler einer Handelsakademie oder einer Handelsschule nicht in diesem Ausmaß haben.“ Die Kombination aus Theorie und Praxis macht es für den heute 23-jährigen Teamleiter aus. „Die Lehrlingsausbildung hat daher bei uns in der Bank einen extrem hohen Stellenwert“, betont Dobler.
Mit dem Abschluss der Lehre hört Bildung bei Raiffeisen aber nicht auf, so auch nicht bei ihm. Nach der Grundausbildung im eigenen Bundesland hat der Vorarlberger vor kurzem das Privatkunden-Colleg des Raiffeisen Campus in Wien mit Auszeichnung abgeschlossen. Die Fortbildung für das gehobene Segment im Bereich Finanzierung und Veranlagung legt zudem den Grundstein für den nächsten Ausbildungsschritt von Dobler. Ab Herbst geht er am Raiffeisen Campus mit dem berufsbegleitenden Masterstudium „Premium Banking“ sogar die akademische Extrameile. Die Vor-Ausbildung bei Raiffeisen sowie seine mehrjährige einschlägige Berufserfahrung ermächtigen den Teamleiter zu diesem nächsten Schritt auf der Karriereleiter – vom Lehrling zum Master.
Fachkräfte von morgen
Ein Vorzeigebeispiel, das jungen Menschen Mut machen soll, sich für eine Lehre zu entscheiden. Handlungsbedarf herrscht hierbei in mehrfacher Hinsicht, denn die Corona-Krise hat bisher erhebliche Spuren in der österreichischen Lehrlingsausbildung hinterlassen, wie der Forschungsbericht des Instituts für Bildungsforschung der Wirtschaft (IBW) zeigt. 2021 begannen 30.263 Lehrlinge mit einer Ausbildung, um 1.642 weniger Jugendliche als noch 2019, also Vor-Corona. Vor allem das Interesse an einer Lehrausbildung im Tourismus (–30,4%), aber auch in der Sparte Bank & Versicherung (–23%) scheint unter der Pandemie gelitten zu haben.
Ein Rückgang an Lehrlingen wiegt angesichts des aktuellen Fachkräftemangels hierzulande umso schwerer, als von den Betrieben vor allem Fachkräfte mit Lehrabschluss dringend gesucht werden, wie eine österreichweite Befragung von mehr als 4.200 Betrieben („Fachkräfteradar“) im Auftrag der Wirtschaftskammer Österreich (Durchführung: Mai/Juni 2021) zeigt: 58 Prozent der befragten WKO-Mitgliedsbetriebe mit Fachkräftemangel hatten trotz Corona-Krise im letzten Jahr häufig Schwierigkeiten bei der Suche nach Mitarbeitern mit Lehrabschlüssen, wesentlich mehr als bei der Suche nach Absolventen aller anderen Bildungswege.
Die aktuellen Lehrlingszahlen aus 2022 geben zumindest Anlass für Zuversicht. „Die Lehrlingsausbildung ist dabei, die Folgen der Pandemie abzuschütteln. Es starten wieder nahezu gleich viele Menschen ihre Ausbildung in den Betrieben wie in Vor-Corona-Zeiten“, sagt Mariana Kühnel, stellvertretende Generalsekretärin der WKO. Konkret werden mit Stichtag 31. Jänner exakt 29.730 vornehmlich junge Lehranfänger (Lehrlinge im ersten Lehrjahr) in den heimischen Betrieben ausgebildet – ein Plus von 6,8 Prozent gegenüber dem (eher niedrig ausgefallenen) Vorjahr.
Lehrlinge gefragt wie nie
„Wir sind auf einem guten Kurs, schon bald wieder mehr als 100.000 Lehrlinge in der betrieblichen Ausbildung zu haben“, sagt Kühnel. Das wäre schon längst der Fall, wenn es mehr Bewerber gäbe: „Die Betriebe finden nicht genügend Kandidaten, das ist für uns ein kleiner Wermutstropfen. Umso wichtiger ist, dass wie in den Vorjahren die Betriebe unten den gültigen Corona-Regelungen Schnuppertage abhalten und damit den Bewerbern die Möglichkeit geben, sich einen Eindruck vom künftigen Beruf zu machen“, stellt Kühnel fest.
Beim Arbeitsmarktservice Österreich (AMS) sind momentan wesentlich mehr offene Lehrstellen als Bewerber gemeldet. Ende Jänner 2022 beträgt dieser österreichweite „Lehrstellenüberhang“ 11.128. Er hat verglichen mit Jänner 2021 stark zugenommen, nämlich um 3.546 unbesetzte Stellen (+47 Prozent). Dennoch: „Unter den mehr als 210 Lehrberufen in Österreich ist für jede Begabung und jedes Interesse ein passendes Berufsbild dabei“, ist Kühnel überzeugt und rät Interessierten zur Bewerbung: „Noch nie waren Lehrabsolventen so gefragt wie heute, Stichwort ‚Green Jobs‘ und Fachkräftebedarf.“ Junge Menschen würden damit eine Ausbildung ergreifen, „die krisenfest und zukunftssicher ist und tolle Aufstiegschancen eröffnet“.
Bildungsmesse in Wien
Keine Pandemie der Welt verhindert Zukunftsträume, heißt es seitens der Veranstalter von Österreichs größter Bildungsmesse – dem Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung und dem AMS. Die BeSt³ versucht, diesen Träumen einen seriösen Unterbau zu geben. Von Donnerstag, 3. März, bis Sonntag, 6. März, lädt die Messe für Lehre, Beruf, Studium und Weiterbildung alle Bildungsinteressierten ein, sich umfassend zu informieren. Rund 300 Aussteller präsentieren in der Wiener Stadthalle ein breites Spektrum an Angeboten zur Aus- und Weiterbildung sowie zum Berufseinstieg und zur Berufsumorientierung. Besucher können sich direkt an die Aussteller wenden und persönlich beraten lassen, Einblicke in innovative Bildungswege erhalten und Anregungen zur Studien- und Berufswahl holen. Das Angebot ist wie immer kostenlos.
Ein umfangreiches Vortrags- und Workshopprogramm beleuchtet zudem unterschiedlichste Themenfelder. Inhaltliche Tages-Schwerpunkte gibt es zu Gesundheit (Do), Klima (Fr), Digitalisierung (Sa) und Medien (So). Diese Beiträge werden per Livestream übertragen und stehen anschließend auf der Homepage und auf YouTube zur Verfügung. Für die Teilnahme an einem Workshop ist vorab eine Anmeldung erforderlich.