Neue Perspektiven geben

Die Stadt Wien eröffnet gemeinsam mit der Raiffeisen Centrobank das „Ukrainische Bildungszentrum Wien“ für aus der Ukraine geflohene Schüler ab 16 Jahren.

Als der russische Angriffskrieg in der Ukraine begann, konnte Iryna Khamayko nur schockiert die Nachrichten im Fernsehen verfolgen. Ein Gefühl der Hilflosigkeit machte sich breit – erst einige Tage später löste sich die Schockstarre, erzählt die aus der Ukraine stammende Raiffeisen-Managerin. Kurz darauf kamen schon die ersten Ideen rund um ein Bildungszentrum, um den vielen nach Wien geflohenen Kindern und Jugendlichen zu helfen. Über 40 Prozent der aktuell gemeldeten rund 12.000 Geflüchteten in der Bundeshauptstadt sind Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren.

„Wir wollen den Menschen, die nach Wien fliehen, schnell und unbürokratisch helfen. Da ist uns schon vieles gelungen: Wir kümmern uns für die Kleinsten um Kindergartenplätze in der Stadt, über 1.100 Kindern gehen auch schon in die Schule in Wien“, betont Vizebürgermeister und Integrationsstadtrat Christoph Wiederkehr. Aber auch Jugendliche unter 18 Jahren, die nicht mehr schulpflichtig sind, möchte man beim Abschluss ihrer Ausbildung unterstützen. Viele von ihnen sind kurz vor der Matura gestanden, als sie plötzlich ihr Land verlassen mussten. 

Das „Ukrainische Bildungszentrum Wien“ soll den jungen Menschen nun „eine Chance auf Bildung und eine Zukunftsperspektive bieten“, so Wiederkehr und unterstreicht: „Das Bildungszentrum soll aber nicht nur Lernort, sondern auch ein Raum der Begegnung und des sozialen Austausches sein: Gerade in dieser schwierigen und belastenden Situation brauchen Jugendliche ein soziales Miteinander mit Gleichaltrigen und ein Stückchen ihres Alltags zurück.“ Besonders freue es den Vizebürgermeister, dass dieses Projekt in nur 30 Tagen durch die Kraft der Gemeinschaft und der raschen Zusammenarbeit aller Partner zustande gebracht wurde. 

Etwas Normalität im Bildungszentrum

Als die Idee aus der Kollegenschaft in der Raiffeisen Centrobank (RCB) entstanden ist, habe man „nicht eine Minute gezögert“, erinnert sich CEO Harald Kröger: „Viele unserer engsten Freunde und Kollegen sind direkt von diesem Angriffskrieg in der Ukraine betroffen. Daher war es für uns klar, dass wir unmittelbar und sofort hier in Wien helfen wollen.“ Schnell wurde begonnen, die Räumlichkeiten des RCB-Standorts in der Tegetthoffstraße mithilfe von Freiwilligen für einen Unterrichtsbetrieb umzubauen, um „den Schülern etwas Normalität zurückzugeben und sie bei der Integration in Österreich und ihrem weiteren Bildungsweg zu unterstützen.“ 

Rund 1.600 Quadratmeter stehen für das Bildungszentrum zur Verfügung. Am 4. April starteten bereits 60 Schüler der 11. Schulstufe mit dem Unterricht. Die Kapazitäten würden für bis zu 120 Schüler reichen. Gemeinsam mit bis zu 30 Lehrpersonen aus der Ukraine sowie mit Deutsch als Zweitsprache-Trainern aus Wien werden die Jugendlichen bis Ende Mai auf ihren Schulabschluss vorbereitet. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den Hauptfächern Ukrainisch, Mathematik und Englisch, aber auch auf dem Deutschlernen. Neben dem Gebäude und den Räumlichkeiten werden auch Lernunterlagen und Verpflegung kostenlos zur Verfügung gestellt.

Bis Ende August sind weitere Betreuungsangebote mit dem Fokus auf Deutschlernen mit Spiel, Sport und Spaß geplant. „Damit die Jugendlichen auch schnellstmöglich die deutsche Sprache erlernen, um dadurch auch gute Perspektiven in Österreich zu haben und ihren Alltag in Wien gut leben können“, betont Wiederkehr. Weiters wird es auch ein Angebot für psychologische Betreuung geben, um den durch die Flucht traumatisierten Jugendlichen bestmögliche Unterstützung zu bieten, das Erlebte zu verarbeiten.

Foto vom Podium: Margit Wolf, Christoph Wiederkehr, Harald Kröger und Iryna Khamayko
Margit Wolf, Christoph Wiederkehr, Harald Kröger und Iryna Khamayko anlässlich der Eröffnung des neuen Ukrainischen Bildungszentrums in den Räumlichkeiten der Raiffeisen Centrobank in Wien.(c) APA/Helmut Fohringer

Mut und Kraft

Die Gesamtkoordination des Zentrums übernimmt die Interface Wien GmbH, die langjährige Erfahrung in der Umsetzung solcher Projekte einbringen kann. Hauptaufgabe der Tochter der Stadt Wien ist die Förderung der gesamtgesellschaftlichen Integration von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit Migrationshintergrund durch Bildungs- und Beratungsmaßnahmen. 

„Wir freuen uns, unsere langjährige Bildungs- und Beratungsexpertise bei diesem tollen Projekt einbringen zu können“, sagt Interface-Geschäftsführerin Margit Wolf. Besonders beeindruckend sei „der Mut und die Kraft der 60 Schüler, die trotz aller schrecklicher Erlebnisse und der großen Umstellung ihren Schulabschluss machen wollen“.

AusgabeRZ14-2022

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