„Wachsen auch in schwierigen Zeiten“

Die Raiffeisen Ware Austria zog eine positive Bilanz über das Corona-Jahr 2021. RWA-Generaldirektor Reinhard Wolf sieht die heimische Landwirtschaft gut aufgestellt, sucht Expansionsziele in CEE und denkt über strategische Bevorratung im Lebensmittelbereich nach.

Über das „sehr turbulente“ Geschäftsjahr 2021, das von der Corona-Pandemie, Lockdowns, aber auch einsetzenden Preissteigerungen und Lieferkettenproblemen geprägt war, zog die Raiffeisen Ware Austria (RWA) eine „erfolgreiche Bilanz“. Der Gesamtumsatz des Konzerns legte im Vorjahr um 24,2 Prozent im Jahresvergleich auf 2,95 Mrd. Euro zu. Und auch der Gewinn vor Steuern kletterte deutlich um 27,4 Prozent auf 28,5 Mio. Euro nach oben. „Das operative Ergebnis war eines der besten in unserer Unternehmensgeschichte. Alle fünf Geschäftsfelder – Agrar, Technik, Haus und Garten, Baustoffe sowie Energie – haben sich positiv entwickelt“, strich RWA-Generaldirektor Reinhard Wolf bei der Präsentation der Bilanzzahlen hervor. Die größte Herausforderung im abgelaufenen Geschäftsjahr sei zweifellos die Bewältigung der Pandemie mit allen ihren Unsicherheiten gewesen. „Und das Thema Preis hat nicht erst heuer am 24. Februar mit dem Ukraine-Krieg begonnen“, erinnerte Wolf. Schon im Vorjahr musste man „enorme Preisschwankungen“ managen. Einen tieferen Einblick gab der RWA-Generaldirektor in das Geschäftsfeld Agrar, das 2021 einen Rekordumsatz von 19,8 Prozent auf 1,7 Mrd. Euro erzielte. Wachstumsschritte in allen Agrarsegmenten, besonders in den CEE-Gesellschaften, sowie Preiseffekte führten zu diesem Anstieg. Die Versorgung mit Saatgut habe im Vorjahr trotz einiger Herausforderungen „hervorragend“ funktioniert. Bei der Nachfrage beobachte man einen Trend weg von Weizen, Gerste und Roggen hin zu Soja und Kürbis. 

Bei den Anbauflächen zeichne sich heuer beim Mais kaum Wachstum mehr ab. Mit Blick auf 2023 warnt der RWA-Generaldirektor: „Uns beginnen die Flächen für die Maissaatgut-Produktion auszugehen“. Für 2024 drohen Engpässe, wenn nicht weitere Flächen mobilisiert werden können. Dagegen werde Soja heuer mit zusätzlichen 10.000 Hektar weiter spürbar zulegen auf insgesamt 85.000 Hektar. „Die Eiweißstrategie, die immer wieder eingemahnt wird, greift in Österreich. Wir tun wahnsinnig viel für die eigene Eiweißversorgung“, kommentierte Wolf die Entwicklung.

Global gesehen habe sich beim Getreide das Angebot durch geringere Erntemengen und einen höheren Bedarf stark verengt, das habe für weitere Preisschübe gesorgt. Bereits im Herbst 2021 legten die Preise für Weizen und Mais deutlich zu und auch die Preisschwankungen nahmen historische Maße an, sodass der physische Handel mit Augenmaß agieren musste. Mit dem Ukraine-Krieg habe sich die Situation nun weiter verschärft.

Expansion am Balkan

Im Vorjahr ist auch der Futtermittelmarkt um 1 Prozent gewachsen. Trotz der hohen Preise blieb die Nachfrage in Europa stark, vor allem im Bereich Rind und Geflügel, während der Schweinefleischmarkt derzeit schwierig sei. „Wenn es nicht zu einem raschen Einlenken der abnehmenden Hand etwa der Handelsketten kommt, dann wird der Schweinebestand in Österreich deutlich reduziert werden“, so Wolf. Im Vorjahr habe die RWA mit dem Zukauf des Marktführers am Balkan, der serbischen Firma Patent Co., die Position in diesem Geschäftsfeld deutlich gestärkt. „Wir sind mit diesem Engagement Marktführer in Mitteleuropa geworden. Die RWA produziert nun insgesamt 600.000 Tonnen Mischfutter, eine durchaus respektable Mengen. Wir haben damit ein klares neues strategisches Geschäftsfeld entwickelt“, betonte Wolf. 

Bei den landwirtschaftlichen Betriebsmitteln sei die Situation ganz stark von der Lage auf den Düngemittelmärkten geprägt. Aufgrund der steigenden Energiepreise und der global sehr hohen Nachfrage haben sich vor allem Stickstoff, Harnstoff und Kali enorm verteuert. Trotz phasenweiser Engpässe im Herbst 2021 „hat bei uns jeder Landwirt, der Dünger bestellt hat, diesen auch bekommen“, so Wolf. 

CEE-Beitrag steigt

Die RWA ist in acht Ländern in Mittel- und Südosteuropa (CEE) mit Tochterunternehmen im Agrarbereich mit Saatgut, Dünger- und Pflanzenschutzmitteln tätig. 2021 habe die Region rund
510 Mio. Euro an Umsatz beigesteuert, heuer rechnet Wolf aufgrund der Preiseffekte, aber auch des Zukaufs in Serbien mit einem Umsatzbeitrag von mehr als 700 Mio. Euro. „Die Region hat sich zu einem strategischen Schwerpunkt entwickelt“, so Wolf. Insgesamt 800 Mitarbeiter werden dort beschäftigt. In Serbien wurde 2021 nicht nur der erwähnte Futtermittelproduzent gekauft, sondern auch ein Getreideterminal in Rumenka nahe der Stadt Novi Sad
(Vojvodina) mit acht Getreidesilos und zusätzlichen Depots, die eine Gesamtkapazität von rund 25.000 m haben, sowie eine moderne Trocknungsanlage erworben. Und die RWA ist an weiteren Investitionen in der Region interessiert, „zuletzt haben wir vor allem in den Balkanländern gute Erfahrungen gemacht“, sagte Wolf auf die Frage nach möglichen weiteren Investitionszielen.

Die gute Entwicklung in der Landwirtschaft sowie die Investitionsprämie haben im Vorjahr auch auf die Landtechnik ausgestrahlt. „Wir hatten ein absolutes Rekordjahr“, strich RWA-Vorstandsdirektor Christoph Metzker hervor. Der Umsatz stieg 2021 im Landtechnik-Franchisesystem um 36,4 Prozent auf 326,4 Mio. Euro im Jahresvergleich. Aktuell leide die Landtechnik wie viele andere Industrien unter langen Lieferzeiten. Darüber hinaus sorgen hohe Auftragsbestände in ganz Europa und Materialengpässe für Wartezeiten bis zu einem Jahr. Das spüre die RWA auch in ihrem Ersatzteilzentrallager in Korneuburg, das über 180 Lagerhaus-Werkstätten österreichweit beliefert. Mit einem Umsatz von über 90 Mio. Euro wurde auch dort im Vorjahr ein Rekordergebnis erzielt. Obwohl  die Investitionsfreude bei den Landwirten aktuell im Vergleich zum Vorjahr zwar zurückgegangen sei, sei die Stimmung insgesamt gesehen nach wie vor gut. Es werde nun mehr in Maschinen und nicht so stark in Zugmaschinen investiert, berichtete Metzker. 

„Versorgung ist Gebot der Stunde“

Die Tragödie des Ukraine-Krieges hat die Themen Ernährung und Lebensmittel plötzlich in den Mittelpunkt der Diskussionen gerückt. Russland und die Ukraine hatten vor dem Ausbruch des Krieges einen Anteil von 27 Prozent am weltweiten Exporthandel mit Weizen. „Jetzt drohen massive Ausfälle“, so Wolf. Schätzungen zufolge sind in der Ukraine rund 5 bis 10 Millionen Tonnen Getreide gelagert, die aufgrund der Kriegshandlungen nur schwer aus dem Land gebracht werden können. Auch die RWA habe vor kurzem eine Lieferung von 7.500 Tonnen aus der Ukraine über die Bahn bekommen. „Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein“, so Wolf. 

Die bisherigen ukrainischen Getreide-Abnehmer im arabischen Raum, in Nordafrika und in der Schwarzmeer-Region müssen nun neue Lieferanten suchen – aber zu ganz anderen Preisen. „Es ist es ist ein Gebot der Stunde, dass die Weltgemeinschaft versucht, die Versorgung jener aufrechtzuerhalten, die den Bedarf haben“, so Wolf, der daran erinnerte, dass der Arabische Frühling seinen Ausgangspunkt in hohen Lebensmittelpreisen hatte.  

„Die Landwirtschaft als solches hat einen anderen Stellenwert bekommen, weil vielen Menschen bewusst wird, wie wichtig es ist, sich selbst versorgen zu können“, erklärte Wolf. Er mahnt in der Debatte über die energetischen Notversorgungspläne, die Lebensmittelproduktion entsprechend ihrem Stellenwert zu berücksichtigen. „Ich möchte mir nicht die Situation vorstellen, wo es einige Tage keine Nahrungsmittel gibt, weil wir kein Gas haben“, so Wolf. Darüber hinaus sollten sich Experten auch Gedanken über kluge Bevorratung von Lebensmitteln machen. Deutschland und die USA täten bereits dazu einiges, in Österreich wird derzeit nur Mineralöl bevorratet. 

Die hohen Energiepreise haben negative Auswirkungen auf alle Bereiche der Landwirtschaft. So verteuern sie etwa den laufenden Betrieb der Maschinen und die gesamte Logistik. Besonders stark wirken sie sich auf die energieintensive Produktion von Dünger aus. Und Sanktionen gegen russische Produzenten reduzieren darüber hinaus das ohnehin bereits knappe Angebot, was zu einer Vervielfachung der Düngerpreise geführt hat. Die Landwirte reagieren mit Kaufzurückhaltung. Der Dünger-Umsatz der Lagerhaus-Genossenschaften ging im Frühjahr um rund ein Viertel zurück. „In Summe ist es eine sehr angespannte Situation“, betonte Wolf und fügte abschließend hinzu: „Als RWA-Konzern sind wir aber strategisch so gut aufgestellt, dass wir auch unter schwierigen Bedingungen erfolgreich wirtschaften, wachsen und Gewinn erzielen können.“

AusgabeRZ20-2022

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