Diversität erhöht Erfolgschancen

Das gilt sowohl für den Sport als auch für die Unternehmensführung. Was der eine Bereich vom anderen lernen kann, haben Wissenschafter der WU Wien analysiert und mit früheren Fußballprofis wie Nina Burger und Sebastian Prödl diskutiert.

Kaum ein Feld ist in Sachen Datenanalyse so gut bestellt wie der professionelle Sport. Alles kann getrackt, ausgewertet und in Zusammenhang gebracht werden. Ein unendlicher Fundus an Erkenntnissen. „Wir haben mehr als 20.000 Spiele aus fünf Ligen über einen Zeitraum von zehn Jahren beobachtet und konnten unter anderem feststellen: Eine höhere Diversität in der Startelf erhöht die Chancen, ein Spiel zu gewinnen“, sagt Ana Dijakovic, Doktorandin am Institut für International Business, im Rahmen der Reihe „WU matters. WU talks“, in der gesellschaftlich und wirtschaftlich relevante Themen öffentlich diskutiert werden.

Um daraus eine verwertbare Erkenntnis abzuleiten, muss man sich den Begriff „Diversität“ allerdings genauer anschauen, denn, so Dijakovic: „Im konkreten Fall spielt vor allem die Mischung von Spielern, die schon lange beim Verein sind und denen, die erst vor kurzer Zeit neu dazugekommen sind, eine entscheidende Rolle.“ Genau an dieser Stelle kommt die Frage ins Spiel, was Manager daraus ableiten können. Also in einem Bereich, in dem es deutlich schwieriger ist, messbare und miteinander vergleichbare Daten zu bekommen. „Vielfältige Teams erhöhen die Chance auf ein erfolgreiches Ergebnis, wenn man die unterschiedlichen Dimensionen der Vielfalt berücksichtigt“, sagt Dijakovic. Und spielt darauf an, dass beispielsweise kulturelle Vielfalt befruchtend, Sprachbarrieren aber hinderlich sein könnten.

„Das ist nur ein Beispiel für einen sinnvollen Wissenstransfer zwischen Sport und Management“, erklärt Jonas Puck, Universitäts-Professor am Institut für International Business und gleichzeitig Vizepräsident des ambitionierten (Noch-)Regionalligisten First FC Vienna, dem ältesten Fußballverein Österreichs. „Durch einen engen Austausch können beide Bereiche voneinander profitieren.“ Das wissen Nina Burger und Sebastian Prödl aus erster Hand. Beide waren erfolgreiche Profis, die in ihren Karrieren national wie international viel erreicht haben und heute im Managementbereich tätig sind. „Ich sehe eine ganze Menge an Parallelen“, sagt Burger, die derzeit bei der Vienna als Sportmanagerin tätig ist. „Ohne Matchplan, ohne ausgefeilte Strategie oder ohne die richtige Auswahl des Personals wird es da wie dort schwierig, erfolgreich zu sein.“ Prödl, seit Kurzem Aufsichtsratsmitglied des FK Austria Wien, pflichtet ihr bei: „Für mich ist Kontinuität ein entscheidender Faktor. Wenn alle acht Monate ein Trainer oder im Unternehmen eine Führungskraft ausgetauscht wird, wird es schwierig, langfristig erfolgreich zu sein.“

Kurzfristige Wechsel

Allerdings, und auch das ist eine Erkenntnis der Wiener Wissenschafter: Kurzfristige Wechsel innerhalb eines Spieles haben sehr wohl einen positiven Effekt. „Wir haben anhand unserer Analysen nachgewiesen, dass nach taktischen Wechseln (Anm.: also keine verletzungsbedingten) die Wahrscheinlichkeit steigt, ein Tor zu erzielen“, erklärt Dijakovic, die auch als Beraterin bei McKinsey & Company fungiert. Umgelegt auf die freie Wirtschaft bedeutet dies: Es wäre ein Fehler, starr an einmal festgelegten Strategien festzuhalten, wenn man erkennt, dass eine andere besser wäre. Flexibilität ist also in beiden Welten ein Erfolgsfaktor. „Jede Veränderung im Team bringt eine neue Dynamik, das ist in der Wirtschaft und im Sport ein nicht zu unterschätzendes Tool“, weiß Puck.

Was beide Bereiche eint, ist die ungeheure Geschwindigkeit, mit der sie Veränderungen unterworfen sind. Was heute als modern gilt, kann morgen schon Schnee von gestern sein. „Allein während meiner aktiven Karriere hat sich der Fußball total gewandelt. Die Einführung des VAR, fünf statt drei Auswechslungen, die Leistungsanalyse anhand biometrischer Daten – wer da nicht immer auf dem neuesten Stand bleibt, verliert den Anschluss“, sagt Prödl. Eine Aussage, die wohl jeder Top-Manager, der sich beispielsweise mit Kommunikation innerhalb des Unternehmens beschäftigt, unterschreiben würde. Wobei Prödl, der in seiner Laufbahn auch in Deutschland, England und Italien spielte und einen dementsprechenden Rundumblick hat, glaubt, dass man auch innerhalb der Sportbranche viel voneinander lernen kann. „Die Abrufbarkeit von Spielzügen beim American Football oder die psychologische Komponente beim Tennis – da könnte sich der Fußball noch viel von anderen Sportarten abschauen.“  Nie aufhören zu lernen und immer wieder über den Tellerrand blicken – auch das erhöht die Erfolgschancen. Im Sport wie in der Wirtschaft.

AusgabeRZ20-2022

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