Die österreichischen Bauernhöfe werden heute in der Mehrzahl partnerschaftlich geführt. Allerdings ist diese Gleichstellung der Frauen in den agrarischen Entscheidungsgremien noch wenig gegeben. Das soll sich zukünftig mit der Charta für mehr Frauen in agrarischen Entscheidungsgremien ändern. Landwirtschaftskammer NÖ-Vizepräsident Lorenz Mayr erklärt: „Es gilt, Frauen zu fördern, ihre Talente zur Geltung zu bringen und sie darin zu bestärken, Führungspositionen anzunehmen. Die Landwirtschaftskammer Niederösterreich setzt sich aktiv dafür ein und hat bereits 2017 die Charta für partnerschaftliche Interessenvertretung unterzeichnet.“ Die Kompetenzen der Frauen wie Kommunikationsfähigkeit, Innovationswille und Lösungsorientierung seien willkommene Stärken, mit der die Land- und Forstwirtschaft in seiner Gesamtheit enorm profitieren wird.
Selbstverpflichtung
Die Charta für partnerschaftliche Interessenvertretung in der Land- und Forstwirtschaft ist eine Selbstverpflichtung von Organisationen mit dem Ziel, den Frauenanteil in allen Entscheidungsgremien auf zumindest 30 Prozent zu erhöhen. „Uns Bäuerinnen ist es wichtig, die Zukunft der Land- und Forstwirtschaft und des ländlichen Raums mitzugestalten, denn für eine gelungene Entwicklung sind Männer und Frauen notwendig. Von einer partnerschaftlichen Gestaltung und Führung profitieren alle: Konsumenten, Partnerorganisationen sowie Mitarbeiter“, betont Bundes- und NÖ Landesbäuerin Irene Neumann-Hartberger. 17 landwirtschaftliche Vereine und Verbände haben die Charta in der Vorwoche unterzeichnet, 13 weitere werden im Rahmen der Vollversammlung der Landwirtschaftskammer NÖ im Juli folgen. Sie setzen sich damit aktiv für eine partnerschaftliche Vertretungsarbeit ein. „Die Anliegen und Sichtweisen der Frauen werden somit um ein Vielfaches mehr in die Öffentlichkeit getragen“, so Neumann-Hartberger.
Raiffeisen als Vorbild
Eine Art Vorbildfunktion hat dabei der Funktionärinnen-Beirat des Österreichischen Raiffeisenverbandes, der die Charta im Herbst unterzeichnen wird. Bettina Kastner, Koordinatorin des Funktionärinnen-Beirats, berichtet: „Der Funktionärinnen-Beirat hat seit seiner Gründung im Jahr 2014 den Funktionärinnen-Anteil in der Raiffeisen Bankengruppe von 8,5 auf 18 Prozent steigern können.“ Dies sei durch viele unterschiedliche Aktivitäten und das gemeinsame Wollen aller Entscheidungsträger und den Funktionärinnen des Beirats gelungen. Das nächste Ziel ist, den Anteil auf 25 Prozent bis 2025 zu heben. „Ich bin zuversichtlich dies zu schaffen, weil wir bei Raiffeisen erkannt haben, dass wir nicht auf 50 Prozent der Kompetenzen in der Bevölkerung, also auf die Frauen, verzichten können, um in Zukunft erfolgreich und wettbewerbsfähig zu bleiben“, so Kastner.
Auch die neue Charta enthält mehrere klar definierte Handlungsfelder, für die jede Organisation intern konkrete Maßnahmen erarbeiten und umsetzen soll. So sollen etwa Rahmenbedingungen geschaffen werden, um leitende Positionen in bäuerlichen Organisationen gleichwertig von Bäuerinnen und Bauern besetzen zu können, bei gleichwertiger Vergütung. Netzwerke zur Stärkung von Frauenpositionen sollen aufgebaut werden. Die Charta will auch traditionelle Rollenerwartungen und -zuschreibungen aufbrechen – sowohl was Frauen als auch Männer betrifft. In den Fokus rücken sollen vielmehr die persönlichen Fähigkeiten und Neigungen, die in der Familie, im Betrieb oder in den Interessenvertretungen eingebracht werden sollen. Weiters hat die Vereinbarkeit von Familie, Betrieb und öffentlicher Funktion in der Charta einen hohen Stellenwert, etwa durch familienfreundliche Sitzungs- und Organisationskultur. Und auch in der Öffentlichkeitsarbeit soll auf eine ausgewogene Geschlechterverteilung geachtet werden. hell