Die Vernetzung von Wissen entscheidet über den Fortschritt von Organisationen, Unternehmen und mitunter ganzen Gesellschaften. Gerade in Organisationen entstehen durch Unterstrukturen oft spezialisierte Wissenssilos, die den Know-how-Transfer über die eigenen Grenzen erschweren oder zumindest behindern. Hinzu kommt, dass in Unternehmen durch den Einsatz von Homeoffice der Dialog unter den Kollegen außerhalb einer Abteilung zunehmend leidet. Genau solche Barrieren soll das Corporate-Start-up „Findea“ („Finde Antwort“), eine digitale Vernetzungsplattform, der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich aufbrechen und damit die Mobilität des Wissens steigern und so die Schwarmintelligenz für den eigenen Bereich nutzbar machen. Die Nutzer von Findea können konkrete Fragestellungen zu operativen Herausforderungen in Form von sogenannten „Challenges“ formulieren. Die gesamte Community kann dann mit Lösungsvorschlägen, Erfahrungswerten, Ideen und neuen Ansätzen darauf antworten. „Die User können voneinander lernen, sich unterstützen und operative Herausforderungen schneller, effizienter, und besser lösen – und das sowohl innerhalb als auch außerhalb des Unternehmens“, erklärt RLB-OÖ-Generaldirektor Heinrich Schaller den Benefit der digitalen Vernetzung.
In der gesamten Findea-Community wird aktuell das Wissen von bereits 2.400 Nutzern gebündelt. Insgesamt sind derzeit 88 Unternehmen und Organisationen aus dem Raiffeisen-Netzwerk Teil dieser digitalen Vernetzung – das Gros davon entfällt naturgemäß auf die oberösterreichischen Raiffeisenbanken. Bisher wurden rund 290 solcher Challenges eingestellt, über 60 betrafen jeweils den Vertrieb bzw. IT und Digitalisierung, über 30 das Marketing. Rund zwei Drittel der eingestellten Fragestellungen konnten über das Netzwerk gelöst werden, wobei die Resonanz der Teilnehmer beachtlich ist: 99 Prozent der formulierten Herausforderungen bekamen Antworten aus der vernetzten Community. So wurde unter anderem die Challenge gestellt, ein Online-Tool zu finden, um in einem abgeschlossenen virtuellen Raum digitales Teilen von Aufsichtsratsprotokollen zu ermöglichen, allerdings mit der Einschränkung, dass ein Teilen oder Runterladen der bereitgestellten Dokumente nicht möglich sein soll. Damit hätte jedes Mitglied die Möglichkeit, Aufsichtsratsprotokolle oder andere wichtige Unterlagen vorab zu sichten und auf diese Weise die zeitaufwendige „Protokollverlesung“ in Aufsichtsratssitzungen zu verkürzen. Eine weitere Challenge betraf die Markteinschätzung der Community über die Auswirkungen der strengeren Regeln für die Immobilienkreditvergabe und die Einschätzung bzw. Prognose, wie sich die Immobilienfinanzierungen entwickeln werden.
Für die Wissensträger besteht durch einen Gamification-Ansatz die Möglichkeit, „Coins“ zu sammeln. Damit werden sie über ein sogenanntes „Coin-Leaderboard“ sichtbar gemacht und erfahren damit Wertschätzung. „Wir merken bereits auf Basis des Nutzerfeedbacks, dass Wissen zu teilen und anderen zu helfen der größte Motivator ist – dies entspricht unserer Raiffeisen-DNA“, betont Schaller. Um noch weiter zu motivieren, dienen diese Coins auch als Aktivitätsindikator für sogenannte temporäre „Conteste“ in der Community-Plattform.
Findea steigert Lösungskompetenz
Die teilnehmenden Betriebe und Organisationen profitieren von einer insgesamt gesteigerten Lösungskompetenz und können sich somit letztendlich auch agiler aufstellen. „Es gibt unglaublich viel kollektive Lösungsbegabung in Unternehmen. Lösungsprozesse müssen aber geübt werden, kein Talent und keine Begabung hat man einfach so“, betonte Markus Hengstschläger, Genetiker und Bestseller-Autor, in seiner Keynote beim ersten Jubiläumsevent der Findea-Community. Allein schon die Idee, dass man in gemeinsamen Ansätzen schneller und bessere Lösungen finden möchte, sei ein optimaler und wichtiger Ansatz. „Werkzeuge wie Findea sind dabei eine große Hilfe“, betont Hengstschläger. Es gebe nicht DAS eine Instrument, Lösungsbegabung zu fördern, „aber ich bin überzeugt, dass es für jedes Unternehmen ein maßgeschneidertes Konzept geben kann, wie man kollektive Lösungsbegabung steigert“. Es bestehen so viele Arten der Lösungsfindungen, wie es Probleme und Herausforderungen gibt – das ist sehr individualisiert. „Aber es gibt Grundwerkzeuge wie Findea, die bei der Lösung von Herausforderungen immer wieder helfen können. So ein Werkzeug zu haben, ist von großer Hilfe“, weiß der Wissenschafter. Am Ende sei es oft nicht eindeutig festzumachen, wie eine Idee entstanden ist, aber es ist meist wichtig, dass es sie gibt. Ein ganz, ganz wichtiger Punkt sei, dass ein Ideenentwickler auch gehört werde.
Nutzen durch Medici-Effekt
Ein Vorteil in der Lösungsfindung, den die Vernetzungsplattform auf moderne Art und Weise nutzt, ist der sogenannte Medici-Effekt: Treffen Menschen mit verschiedenen Hintergründen, Ausbildungen und Ansichten aufeinander, entsteht an diesen Schnittstellen des gemeinsamen Denkens oft eine besondere Innovationskraft. Geistesblitze seien wahrscheinlicher und nicht selten können neue Wege beschritten werden. Das hatte bereits die Florenzer Herrscherfamilie erkannt und für die Modernisierung der Wirtschaft und Gesellschaft genutzt. So gesehen wächst der Erfolg und Horizont von Findea mit jedem einzelnen Nutzer und jeder weiteren Organisation. Denn mit einer größer werdenden Teilnehmerzahl steigt nicht nur die Anzahl der Antworten, sondern auch die Diversität und Lösungsvielfalt. Im Gegensatz zu Social-Media-Plattformen muss man sich hier aber kein eigenes Netzwerk aufbauen, die Vernetzung fußt auf Interessen und Expertise, so die Idee der Entwickler der Plattform. Und es ermöglicht eine Beschleunigung der Lösungskompetenzen, denn die Kommunikation erfolgt nicht in Chats nach einer „one-to-one“-Logik, sondern nach dem Prinzip „one to many“.
Der Startschuss für die Entwicklung von Findea erfolgte im Jahr 2020 in Zusammenarbeit mit „V_labs“. Das Wiener Unternehmen begleitet die Vernetzungsplattform als Company-Builder von der Ideenfindung über die Validierung bis hin zur Umsetzung. „Findea zeigt, wie vielversprechend es ist, die Vorteile eines Konzerns wie Know-how und Ressourcen mit der Agilität eines Start-ups zu kombinieren, um schnell und kundenzentriert neue Geschäftsmodelle zu entwickeln“, berichtet Lukas Meusburger, Geschäftsführer des Company Builders V_labs. Mit der Vernetzungsplattform beschreitet Raiffeisen Oberösterreich in vielerlei Hinsicht neue Wege: Es steht für ein Pionierprojekt, ein Produkt und Geschäftsmodell außerhalb des klassischen Bankengeschäfts und spiegelt damit den strategischen Kurs der Beyond Banking-Initiative der RLB OÖ wider. (Lesen Sie hier wie Raiffeisen Oberösterreich den genossenschaftlichen Förderauftrag neu interpretiert.)
Reges Interesse
Aktuell liegt der Fokus auf der Ausrollung von Findea im Raiffeisen-Netzwerk. Bei Raiffeisen Oberösterreich wurde der Roll-out bereits begonnen. Die konstant steigenden Nutzerzahlen belegen das rege Interesse an der neuen Möglichkeit, sich zu vernetzen und Lösungsansätze zu Themenstellungen auf operativen Ebenen auszutauschen. Es ist aber kein „Big Bang“ im ganzen Raiffeisen-Sektor geplant, sondern es wird individuelle Produktvorstellungen in den einzelnen Sektorunternehmen von Raiffeisen Österreich geben, hieß es.
Eine Öffnung für externe Unternehmen wäre ein logischer nächster Schritt, um den Nutzen der Schwarmintelligenz auch den Raiffeisen-Kunden und -Organisationen zur Verfügung zu stellen.