Führung als Rollenspiel

Was muss moderne Führung in einer Zeit des Wandels alles vereinen? – Dieser Frage ging man beim diesjährigen Leadership Kongress auf den Grund.

Ob Pandemie, Personalmangel, Inflation oder der Krieg in der Ukraine – alles Herausforderungen, die direkte oder indirekte Auswirkungen auf Unternehmen, aber auch auf Menschen selbst haben. Umso wichtiger ist da – gerade in turbulenten Zeiten – eine gute Führungsarbeit. Welche Art von Führung es in einer Welt des Wandels braucht, diskutierten rund 60 Raiffeisen-Führungskräfte aus ganz Österreich beim Leadership Kongress des Raiffeisen Campus.

Vom altertümlichen „Command & Control“ hat sich das Führungsparadigma über die Jahre hin zum sinnorientierten Leadership entwickelt. Anstatt von oben herab hieß es dann auf Augenhöhe. Oder anders: vom Boss zum Leader. Nun fordert die moderne Arbeitswelt eine Weiterentwicklung der Führung, weiß Charlotte Reiff von der Energy Factory St. Gallen, eine Beratung für Leadership- und Kulturtransformation, gegründet von der Universität St. Gallen. 

„Wir brauchen einerseits Führungskräfte, die in unsicheren Zeiten als Leuchtturm agieren, die Sinn stiften und eine gewisse Orientierung geben. Und andererseits eine Verlagerung der Führung in Teams, also ein Empowerment der Mitarbeitenden“, so die wissenschaftliche Leiterin des Leadership Kongresses. Modernes Leadership gibt Ziele vor, erkennt Leistung an, inspiriert, vermittelt Sinn, schafft ein gemeinsames Zukunftsbild und befähigt Menschen zur Verantwortungsübernahme und zur Eigenständigkeit, fasst Reiff zusammen. 

Neben der Ergebnisorientierung und dem Empowerment kommt vor allem der Sphäre Inspiration eine besondere Bedeutung zu. So zeigt eine Studie, dass in Unternehmen mit inspirierendem Führungsklima die Leistung, die Mitarbeiterbindung als auch die Kundenorientierung höher und die Mitarbeiter­erschöpfung geringer ist. „Alles Aspekte, die natürlich zum Erfolg eines Unternehmens beitragen“, unterstricht Reiff. Im Idealfall braucht also jedes Unternehmen ein stark inspirierendes Führungsklima.

Besonders herausfordernd für Führungskräfte sind dabei die verschiedenen Rollen, die die drei Sphären mit sich bringen. Geht es um die ergebnisorientierte Führung, sollte man Zielgeber, Feedbackgeber und Ergebnissichersteller sein. Inspirieren kann man als Vorbild, Mentor, Motivator und Visionär. Für das Empowerment braucht es einen Coach, Befähiger, Unterstützer und Ermöglicher. Um den Spagat zwischen all diesen Rollen zu schaffen, hilft die Fokussierung auf den entsprechenden Kontext, erklärt Reiff. Geht es um Effizienz und Umsetzung, braucht es ergebnisorientierte Führung. Im Kontext von Innovation und Exploration braucht es empowernde Führung. Wichtig dabei ist, die inspirierende Führung steht über dem Ganzen: „Das Warum muss immer klar sein, dann kann man entweder in dem einen oder anderen Kontext agieren. Dann versteht auch das Team, worauf man hinarbeitet.“

Für den Alltag rät Reiff den Führungskräften, sich den verschiedenen Rollen bewusst zu werden und zu reflektieren in welchen Kontext man sich befindet und ob die jeweilige Rolle gerade passt. Neben Peers oder Mentoren helfen dabei natürlich Workshops und Trainings, aber auch unternehmensinterne Bereiche wie die Personal- oder HR-Abteilung.

Zu hohe Ansprüche

Einblicke in den Raiffeisensektor und in die Arbeit mit Führungskräften gaben Elke Berger, Personalleiterin bei Raiffeisen NÖ-Wien, Anja Lasofsky-Blahut, verantwortlich für Personalentwicklung & Recruiting bei der Raiffeisen Ware Austria (RWA), und Helmut Eitler, Bereichsleiter Human Resources & Service beim Raiffeisen Service Center (RSC). 

Stolpersteine und Herausforderungen gibt es viele, sind sich die drei einig. Und nur einen Führungsstil kann es nicht geben. Als Führungskraft muss man auf die einzelnen Mitarbeitenden eingehen. „Man soll als Führungskraft auch Mensch sein“, betont Anja Lasofsky-Blahut. Eine essentielle Rolle spielt eine klare und transparente Kommunikation, fügt Helmut Eitler hinzu. Ohne Kommunikation keine Inspiration und ohne Inspiration keine Partizipation. 

Der herausfordernde Personalmangel betreffe auch die Führungsebene selbst, gibt Elke Berger angesichts der hohen Ansprüche an Führungskräfte zu denken: „Es muss uns weiterhin gelingen, Führung attraktiv zu machen. Es geht immer mehr in Richtung Vollkommenheit – irgendwann traut sich keiner mehr eine Führungsposition anzustreben.“ 

Umso wichtiger sei es, „eine Kultur der Unvollkommenheit“ zu entwickeln, wo auch Fehler erlaubt sind und die Führungskraft mit gutem Beispiel vorangeht. Dazu brauche es eine intensive Unterstützung und Begleitung, aber genauso flexiblere Angebote, wenn es beispielsweise um Arbeitszeitmodelle geht. „Führungskräfte nur in Vollzeit halte ich für überholt“, meint Lasofsky-Blahut dazu.

Die Umsetzung zählt

Als Vorstandsmitglied für Human Resources, Marke und Nachhaltigkeit bei der Uniqa Insurance Group und der Uniqa Österreich Versicherung hat René Knapp verschiedenste Rollen zu erfüllen. Um diesen gerecht zu werden, nimmt er sich bewusst und aktiv Zeit für Reflexion. „Es ist unglaublich wichtig, diesem Thema Zeit zu widmen und auch auf sein eigenes Wohlbefinden zu schauen“, rät der Top-Manager. Weiters gibt er den Kongress-Teilnehmern den Tipp, Lernen zur Priorität zu machen. „Wenn man die kommenden Veränderungen wirklich ernst nimmt, dann bedeutet das einen massiven Lernaufwand – für jeden Einzelnen von uns“, so Knapp. Das schließe aber auch das Top-Management mit ein. Lernen müsse ganz oben beginnen. 

Darüber hinaus empfiehlt er, Wertschätzung gegenüber den Mitarbeitenden aktiv zum Ausdruck zu bringen und das vor allem auch über Abteilungsgrenzen hinaus. Bei allem Genannten zähle am Ende nur eines, und das ist die Umsetzung: „Macht man es in der Praxis richtig, dann muss man gar nicht mehr so viel darüber sprechen.“

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