„Die Flexibilität in der Wirtschaft ist gegeben“

Heinrich Schaller, Generaldirektor der RLB Oberösterreich, sieht eine Normalisierung bei den Insolvenzen und eine relativ gute Auftragslage bei Unternehmen. Raiffeisen Oberösterreich hat sich 2022 positiv entwickelt und will das Bankgeschäft ausweiten.

Die vergangenen drei Jahre waren keine einfache Zeit – zuerst die Pandemie und seit einem Jahr Krieg in der Ukraine. „Wir können froh sein, dass wir bis jetzt mit diesen Situationen so gut umgegangen sind“, betont Heinrich Schaller, Generaldirektor der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich, bei seinem Besuch im Klub der Wirtschaftspublizisten. Er spricht dabei von der heimischen Wirtschaft und auch von der öffentlichen Hand: „Es war richtig, die Wirtschaft zu unterstützen und die Unternehmen in dieser Krisensituation nicht allein zu lassen.“ Mancherorts seien die Maßnahmen zu viel des Guten gewesen, wie die extrem niedrigen Insolvenzquoten bei Unternehmen zeigten. Dass die Konkurse jetzt wieder ansteigen, sei nicht tragisch: „Das ist eine Normalisierung der Situation und keine Katastrophe, sondern schafft Raum für Neues, auch wenn es für den Einzelnen hart sein mag.“ 

Die Herausforderungen reißen auch heuer nicht ab. Gerade die Verwerfungen auf den Energie- und Rohstoffmärkten seien in Europa momentan deutlich zu spüren. Es sei im Nachhinein betrachtet ein Fehler gewesen, sich auf billiges Gas aus Russland zu verlassen und im Energiebereich zu wenig zu diversifizieren. Entschärfung der Lage bringen der relativ milde Winter und die Energieeinsparungen – selbst bei energieintensiven Unternehmen. „Die Flexibilität in der Wirtschaft ist gegeben. Man hat sich auf die jetzige Situation ganz gut eingestellt“, analysiert Schaller. Gerade große Unternehmen hätten aus der Finanzkrise 2008/2009 und aus der Staatsschuldenkrise viel gelernt und seien auf Krisen gut vorbereitet. 

Schaller ist überzeugt, dass sich der Abschwung der Wirtschaft in keiner Rezession widerspiegeln werde: „Wir sehen bei den großen Unternehmen, dass die Auftragslage gar nicht so schlecht ist.“ Das stimmt den Generaldirektor zuversichtlich, auch wenn er sich über ein BIP-Wachstum von 0,5 Prozent in 2023 schon freuen würde. Ein Faktor sei entscheidend für den weiteren Verlauf: „Wenn wir das Energiethema 2023 nicht in den Griff bekommen, dann wird 2024 ganz anders aussehen.“ 

Gute Bilanz 2022

„Wir haben als RLB und als Raiffeisenbankengruppe Oberösterreich ein sehr gutes Jahr 2022 hinter uns“, gibt Schaller einen ersten Vorgeschmack auf die Jahresbilanz, ohne noch konkrete Zahlen nennen zu können. Das „sehr gute Ergebnis“ sei zwar von Abwertungen an größeren Beteiligungen geprägt, aber die hätten zum Halbjahr noch „wesentlicher schlimmer ausgesehen“ als zu Jahresende. Schaller stellt generell klar: „Diese Bewertungsveränderungen machen mich nicht nervös, weil wir wissen, dass die Beteiligungen fundamental gut unterwegs sind.“

Die Sparleistung sei bis dato unverändert. Allerdings beobachte man bei Raiffeisen Oberösterreich sehr wohl, dass Privatkunden kurzfristige Finanzierungen stärker in Anspruch nehmen. Bis Jahresmitte 2022 verzeichnete die RLB OÖ noch deutliche Steigerungen bei den Finanzierungen, plus 4,7 Prozent bei Immobilienfinanzierungen, plus 3,8 Prozent bei Investitionsfinanzierungen und auch die Betriebsmittelfinanzierungen legten um 4,5 Prozent zu. Durch die steigenden Kreditzinsen, aber auch durch neue Verordnungen sei die Nachfrage im zweiten Halbjahr eingebrochen. Vor allem durch die strengeren Vorgaben bei Wohnkreditvergaben (KIM-Verordnung) werde die Immobilienfinanzierung im Privatbereich massiv erschwert. „Dabei hätte es durch das allgemeine wirtschaftliche Umfeld eine Selbstregulation gegeben“, ist Schaller überzeugt. Im Vergleich Herbst 2022 zu Herbst 2021 sind die Neuanträge für Immobilienfinanzierungen bei Raiffeisen Oberösterreich um 63 Prozent zurückgegangen. 

Die Kreditinstitute seien deshalb mit der heimischen Aufsicht weiterhin in intensiven Gesprächen: „Man muss der KIM-Verordnung die schärfsten Zähne ziehen.“ Konkret geht es um Zwischenfinanzierungen, die Obergrenze von 40 Prozent des Haushaltseinkommens bei den monatlichen Kreditraten, die Untergrenze von 20 Prozent Eigenkapital und die Ausnahmen von Renovierungen oder Investitionen in erneuerbare Energien. Durch die neue Verordnung erleiden auch die gemeinnützigen Wohnbaugesellschaften einen Rückschlag, beobachtet Schaller und ärgert sich: „Es kann nicht Sinn und Zweck sein, auf der einen Seite Wohnbaugesellschaften zu stützen, damit zusätzlicher Wohnraum geschaffen wird, und auf der anderen Seite gibt es eine Verordnung, wodurch sich die Leute das nicht mehr leisten können.“ Selbst wenn in den kommenden zwei Jahren mit Rückgängen bei den Immobilienpreisen zu rechnen sei. 

Heinrich Schaller im Klub der Wirtschaftspublizisten
© Picturedesk.com/Harald Dostal

Nachhaltige Investitionen

Die Investitionsfinanzierungen sind durch die steigenden Zinsen ebenfalls zurückgegangen. In Summe sei am Ende des Jahres aber ein Plus übrig geblieben. „Viele Unternehmen sind aufgrund neuer nachhaltiger Vorschriften gezwungen, neue Investitionen durchzuführen.“ Auch die Banken selbst sind von neuen Vorgaben und Standards im Nachhaltigkeitsbereich betroffen. Als Finanzbranche sei man auch bereit, bei der Transformation zu einem nachhaltigen Wirtschaftssystem mitzuwirken. „Aber man kann auf der Finanzbranche keine Verantwortung abladen. Ich bin für strenge Regeln, aber jetzt geht es zu weit. Wir sind keine Polizeibehörde“, betont Schaller. „Die EZB hat den Auftrag der Politik, sich um Preisstabilität zu kümmern, und nicht die Aufgabe, sich Umweltveränderungen anzunehmen.“ 

Kritik äußert der Generaldirektor auch an der Zinspolitik der europäischen Notenbank: „Die EZB hat viel zu lange gewartet, die Zinsanhebungen durchzuführen.“ Die Inflation sei bereits Ende 2020 deutlich höher gewesen – durch die Nichtverfügbarkeit von Produkten aufgrund von der Pandemie –, da hätte die EZB schon Maßnahmen einleiten können. Mit Beginn 2022 sei die EZB plötzlich hochnervös geworden und habe keine andere Chance mehr gesehen, als die Zinsen massiv zu erhöhen. Schaller rechnet mit zwei weiteren „notwendigen“ Zinsschritten in Höhe von je 50 Basispunkten bis Ende März und warnt gleichzeitig davor, die Zinsen wieder zu früh zu senken: „Es ist immer noch zu viel billiges Geld am Markt bei zu geringem Angebot. Mir ist es lieber, die Wirtschaft sachte zu dämpfen, als durch eine explodierende Inflation komplett zum Stillstand zu bringen.“ 

Die dämpfende Wirkung auf Investitionen und den Konsum könnte die exportorientierte Wirtschaft abfedern. „Ich mache mir für die Zukunft keine großen Sorgen“, so Schaller, auch wenn die Portfoliowertberichtigungen der RLB OÖ angestiegen sind. „Das sind Vorsichtsmaßnahmen, die uns nicht wehtun, aber zu bilden sind.“ 

Im Klub der Wirtschaftsjournalisten kündigt Schaller auch eine Erweiterung des Bankgeschäfts an: „Wir werden in Zukunft nicht nur Bankgeschäft im engsten Sinn betreiben, sondern wir werden unsere Beratungstätigkeiten und unsere Tätigkeiten als Bank auf andere Bereich ausweiten.“ Dabei gehe es etwa um Energiegenossenschaften, den Pflegebereich und Ärztezentren, die von einige Raiffeisenbanken in Oberösterreich schon gebaut wurden. 

AusgabeRZ4–2023

Mehr lesen

Aktuelles

Die Welt der Raiffeisenzeitung