Agrana-CEO Markus Mühleisen blickt auf ein deutlich besseres drittes Quartal zurück als zunächst erwartet. Geschuldet sei dies der Zusammenarbeit aller Segmente der Agrana. So auch dem Segment Frucht, zu welchem unter anderem die Austria Juice GmbH, ein Joint Venture der Agrana (50,01 Prozent) und der Raiffeisen Ware Austria (49,99 Prozent), zählt. Anhand der Austria Juice werde auch die Entwicklung der Agrana weg von einem durchaus österreichfokussierten Stärke- und Zuckerunternehmen hin zu einem global tätigen Unternehmen in führenden Positionen verdeutlicht, ist Mühleisen überzeugt. „Das zeigt das Potenzial an, das wir als Agrana haben, um uns weiterzuentwickeln. Vom diversifizierten Portfolio über den Zugang zu Rohstoffen bis zur Verarbeitung. In den Krisen haben wir gezeigt, wie gut wir das beherrschen, da hat sich ein wenig die Streu vom Weizen getrennt“, so der CEO. Während viele Unternehmen dem Druck der Krisen nicht standhalten konnten, war der Agrana-Konzern durchgehend lieferfähig.
„Wenn man in die Zukunft schaut, stellt sich durch den Klimawandel und die verschiedenen geopolitischen Verwerfungen die Frage, wer die Lieferkette beherrscht und wer den Zugang zu Rohstoffen auch in schlechten Zeiten hat. In guten Zeiten kann das jeder“, so Mühleisen. Ebenso wolle man als Agrana den Fokus vermehrt darauf legen, Mehrwert für die Kunden zu generieren. Ein Beispiel dafür sei eine einfache, natürliche Zutatenliste, wie sie bei hundertprozentigem Apfelsaft gegeben ist. „Vieles, was Agrana insgesamt vorantreibt, sieht man auch bei Austria Juice“, weiß Mühleisen.
Große Schritte
Gegründet wurde Austria Juice ursprünglich als lokale Genossenschaft in den 1930er-Jahren mit der Idee, das überschüssige Obst aus der Region – meist Äpfel und Birnen – zu verwerten. Neu benannt wurde die ehemalige Ybbstaler Obstverwertung (YO) schlussendlich im Jahr 2012. Mit der Zentrale im niederösterreichischen Kröllendorf im Bezirk Amstetten arbeitet das Unternehmen heute an 14 Produktionsstandorten, davon 13 in Europa und einer in China. Jährlich werden dabei rund 700.000 Tonnen Äpfel verarbeitet. Damit ist die Austria Juice aktuell der weltweit größte Anbieter von Apfelsaftkonzentrat.
Selbst der einst größte Konkurrent China habe zum gegebenen Zeitpunkt an Wettbewerbsfähigkeit verloren, so Austria Juice-CEO Franz Ennser. Während die Produkte global – in mehr als 65 Ländern – vermarktet werden, sind die dafür benötigten Rohstoffe lokalen Ursprungs und werden im Umkreis von 50 Kilometern um die jeweilige Fabrik gewonnen. Die einzige Ausnahme bildet dabei die Zentrale in Kröllendorf.
Vertiefende Wertschöpfung
Im Fruchtkonzentratgeschäft sehe man sich mit einem intensiven globalen Wettbewerb konfrontiert. So könne man weder Rohstoffe noch die Verkaufspreise sichern und sei den Einflüssen der Natur ausgesetzt. „Um eine höhere Stabilität zu erreichen, haben wir uns vor zehn Jahren dazu entschieden, in eine vertiefende Wertschöpfung zu gehen. Das heißt, neben unserem Stammgeschäft Fruchtsaftkonzentrate noch viel mehr aus einer Frucht herauszuholen“, so Ennser.
Eine dieser Vertiefungen geht in den Bereich der Aromen, genauer der FTNF-Aromen (from the named fruit), welche beim Produktionsprozess von Fruchtsaftkonzentraten gewonnen werden und in der Aromenindustrie weiterverarbeitet und veredelt werden können. Der Vorteil der FTNF-Aromen ist, dass sie den Säften rückgeführt werden können, ohne gekennzeichnet werden zu müssen.
Ebenso können FTNF-Aromen chemisch in ihre Bestandteile zerlegt werden, um Kompositionsaromen zu erhalten. So kann beispielsweise ein Erdbeeraroma, das aus rund 60 chemikalischen Substanzen besteht, analysiert und komponiert werden. Auf diese Weise kann ein Aroma wesentlich besser standardisiert werden, denn Erdbeeren variieren naturgemäß in ihrer Farbe, im Zuckergehalt und im Geschmack, abhängig vom Reifungsprozess und der Witterung.
Während FTNF-Aromen für den Saftbereich konzipiert sind, weitet sich der Bereich der Kompositionsaromen auf die gesamte Palette der Lebensmittelindustrie aus. Außerdem sind sie einer der Baustoffe einer weiteren Produktgruppe von Austria Juice – den Getränkegrundstoffen (Getränke auf Basis von Rezepturen).
Aktuell kommen rund 75 Prozent des Umsatzes der Austria Juice aus den Bereichen der Fruchtsaftkonzentrate und Direktsäfte, die restlichen 25 Prozent stammen aus den Bereichen Aromen, Getränkegrundstoffe und Fruchtwein. Ennser: „Unser strategisches Ziel ist es, hier mittelfristig auf eine Balance zu kommen.“
Zukunftsorientiert
Außerdem möchte man – „im Sinne der Agrana Gesamtstrategie“ – einen breiten Anwendungsbereich für alle möglichen Kanäle finden. Im Zuge dessen beschäftige man sich unter anderem mit der Entzuckerung von Fruchtsäften. Mittels eines technischen Verfahrens könne man so den Fruchtzuckergehalt eines hundertprozentigen Fruchtsaftes um 30 Prozent reduzieren. „Wir sehen uns nicht nur als Anbieter von Zucker und anderen Süßen, sondern die Frage ist, wie wir unseren Kunden helfen können. Wenn sie etwas haben wollen, das entzuckert ist, dann wollen wir auch hier eine Lösung anbieten“, so Mühleisen.
Weitere zukunftsorientierte Projekte sind die Farbgewinnung aus Fruchttrester und die Gewinnung von Ölen aus Fruchtkernen. „Der Rohstoff Frucht hat einfach unglaublich viel Potenzial und dieses wollen wir nutzen, in allen möglichen Stoßrichtungen“, so Ennser. Außerdem arbeite man zurzeit an der Herstellung von Bieraroma (Bier-FTNF).
Stabil durch Krisenzeiten
Stolz sei man seitens der Austria Juice sowie der Agrana auf die Arbeit am Standort Vinnytsia in der Ukraine. Trotz des aktuell herrschenden Krieges leiste das Team vor Ort Unglaubliches, sind sich die beiden CEOs einig. Aktuell habe man eine Kapazitätsauslastung von 50 Prozent, jedoch konnte all das, was verarbeitet werden musste, auch verarbeitet werden.
Um die Sicherheit der Warenbestände zu garantieren, wurde zudem die gesamte Produktion des vergangenen Herbstes nach Österreich umgelagert. Zu kämpfen habe man am Standort vor allem mit der Energieversorgung, denn im Durchschnitt müsse man pro Tag mit sechs bis 14 Stunden Stromausfall rechnen und das in unabhängigen Intervallen. Aktuell werde daher vorwiegend in der Nacht und am Wochenende produziert, da in diesen Zeiten die Stromversorgung stabiler sei. Um eine langfristige Strategie handle es sich dabei nicht, so Mühleisen, weshalb man aktuell an einem Energiekonzept arbeite, um die Versorgung wieder sicherstellen zu können.