Zusammenhalt im Kleinen und Großen

Die Raiffeisenkasse Blindenmarkt lud zur Generalversammlung mit Othmar Karas, Erster Vizepräsident des EU-Parlaments.

Blindenmarkt ist eine 2.700-Einwohner-Gemeinde im Bezirk Melk mit einer selbstständigen Raiffeisenkasse. Mit einer Bilanzsumme von 82,7 Mio. Euro ist es eine der kleinsten Raiffeisenbanken in Niederösterreich und Obmann Franz Wögerer spricht nicht ohne Stolz bei der 129. Generalversammlung vom „gallischen Dorf“: „Wir haben bewusst den Weg der kleinen Einheit gewählt und uns gegen Fusionen gestemmt.“ Dass dieser Weg der richtige war, sieht der Obmann im außerordentlich erfolgreichen Jahr 2022 bestätigt. Die Bilanz zeigt ein kontinuierliches Wachstum bei den Einlagen und Krediten, das zu einem Betriebsergebnis von 964.000 Euro führte. Das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit lag 2022 bei 697.000 Euro. Die Raiffeisenkasse Blindenmarkt erreichte heuer auch gleich zwei erste Plätze bei den Raiffeisen Champions, dem Vertriebsaward von Raiffeisen NÖ-Wien. „Wir sind gut aufgestellt, aber die Regulatorik, die immer mehr Zeit in Anspruch nimmt, macht uns zunehmend Sorgen. Die Aufsicht macht keinen Unterschied zwischen großen und kleinen Banken“, kritisiert der Obmann und befürchtet, dass die aktuellen Entwicklungen rund um die Credit Suisse und die Silicon Valley Bank weitere Verschärfungen bringen.

Der heurige Gastredner Othmar Karas, Erster Vizepräsident des EU-Parlaments und ein wichtiger Mitgestalter von europäischen Bankenregeln, lässt die Kritik nicht gelten und betont, dass in den vergangenen Jahren in der Eurozone sehr viel in Richtung Proportionalität bei der Bankenaufsicht gelungen sei. Zur aktuellen Situation sagt Karas: „Die Silicon Valley Bank hätte in Europa mit ihrem Geschäftsmodell keine Genehmigung bekommen und auch die Kapitalhinterlegungspflicht ist in der EU deutlich höher als in den USA. Wir haben keine Bankenkrise in der EU, das geben die Fakten nicht her.“ Natürlich seien in einer vernetzten Bankenlandschaft grenzüberschreitende Regelungen notwendig, aber wie Karas klarstellt: „Mein Kompass im Bereich der Bankenregulierung ist und bleibt die Berücksichtigung der Vielfalt der europäischen Bankenlandschaft.“ 

Mit Mut begegnen

Othmar Karas sieht die Politik und Gesellschaft aufgrund der vielen Herausforderungen aktuell hart auf die Probe gestellt. Dabei ist für den EU-Politiker klar: „Die neuen Bedrohungsbilder kennen keine Grenzen. Die Lösungen, die jetzt verlangt werden, sind europäische und nicht nationale.“ Ob Pandemie, Ukrainekrieg oder Klimakrise, es brauche mutige und starke europäische Positionen, um in der Welt auch künftig eine Rolle zu spielen und ernst genommen zu werden. Konkret fordert Karas etwa, dass die EU im Energiebereich unabhängiger von Drittstaaten werden müsse. Auch bei der Lebensmittelproduktion oder der Erzeugung von Arzneimitteln sollte sich die Europäische Union von Abhängigkeiten billiger Drittstaaten herauslösen und fordert: „Wir müssen dem Systemunterschied einen Preis geben.“ Auch beim Thema Asyl und Außengrenzschutz müsse die EU einen gemeinsamen Weg einschlagen und keinen Fleckerlteppich fabrizieren. 

Karas ortet allerdings eine gewisse Vertrauenskrise innerhalb und gegenüber der EU, die gelöst werden müsse: „Transparenz ist das oberste Gebot, um Vertrauen zurückzugewinnen.“ Generell spürt der EU-Politiker eine „Sehnsucht nach gemeinsamen Lösungen“, die allerdings Mitverantwortung voraussetzt. Hier sieht Karas viele Gemeinsamkeiten zu Raiff­eisen: „Die Europäische Union ist für mich die größte politische Genossenschaft.“ 

Auch der Obmann der Raiffeisenkasse Blindenmarkt ist überzeugt: „Nur im Zusammenhalt entsteht Stärke. Es ist nicht der Einzelne, der die Welt verbessert. Ein starkes Wir kann mehr bewegen als ein Du oder Ich alleine.“ Dass die Raiffeisenkasse Blindenmarkt diesen Grundsatz von Raiffeisen lebt, das bestätigt Vizebürgermeister Albert Brandstetter: „Nicht der Gewinn hat oberste Priorität, sondern die Interessen der Mitglieder.“ Dass beides auch Hand in Hand gehen kann, zeigen die Geschäftszahlen 2022, die von den Geschäftsleitern Christian Böhm und Petra Weinstabl im Detail präsentiert wurden. 

AusgabeRZ16-2023

Mehr lesen

Aktuelles

Die Welt der Raiffeisenzeitung