„Die grüne Transformation ist für die Wirtschaft und die Gesellschaft die größte Herausforderung unserer Zeit, aber zugleich auch eine der größten Chancen. Wir glauben, dass die Steiermark in Österreich, Österreich in Europa und Europa in der Welt zum Leader dieser grünen Transformation werden kann“, eröffnete Martin Schaller, Generaldirektor der Raiffeisen-Landesbank Steiermark, das diesjährige Konjunkturgespräch in die RLB-Zentrale in Raaba-Grambach, bei dem sich mehr als 500 Kunden und Partner nachhaltige Impulse holten.
Die RLB Steiermark will Vorbild und Vorreiter in der grünen Transformation sein, dabei geht es nicht nur um eine Ökologisierung. Schaller: „Wir sehen die Ökologie gleichwertig mit sozialen und wirtschaftlichen Aspekten.“ Wie wichtig hier die Balance ist, hat Josef Riegler bereits 1989 mit seiner Idee einer ökosozialen Marktwirtschaft festgehalten. „Aber nun ist die Zeit wirklich reif für den gesamthaften gesellschaftlichen Wandel“, ist Schaller überzeugt, denn der äußere Druck fordere den Wandel bei Unternehmen, Banken, Konsumenten und den Regierungen.
Der Ukrainekrieg hat den Ausbau alternativer Energien beschleunigt und auch der regulatorische Druck bezüglich CO2-Ausstoß steigt. „Wir haben enorme Aufgaben vor uns und wollen Triebfeder in dieser Bewegung sein. Es gibt keinen Dominoeffekt, wenn nicht der erste Stein fällt“, veranschaulicht der RLB-Generaldirektor. Grundlegende Veränderungen führen aber auch stets zu Unsicherheiten, deshalb sei ein gemeinsamer Kompass für diese Transformation notwendig.
In der RLB Steiermark habe man sich mit dem Thema intensiv beschäftigt und die Geschäftsstrategie adaptiert. Die neue Vision wurde in Fortführung der Tradition – also den Raiffeisen-Grundprinzipien Solidarität, Subsidiarität und Regionalität – wie folgt definiert: „Wir bewegt mehr. Wir schafft neue Wege für Generationen und Regionen.“ Konkret beschäftigt sich die RLB Steiermark hausintern mit neuen Geschäftsmodellen zum Beispiel im Beteiligungsbereich, in der Start-up-Szene und künftig im Beyond-Banking-Bereich. Auch die Kooperationen mit der IV Steiermark, dem AC Styria oder dem Holzcluster seien vorbildhaft.
Alternativer Antrieb
Die Chancen in der grünen Transformation bezifferte Christian Helmenstein, Chefökonom der Industriellenvereinigung Österreich, in seinem Vortrag: „Wenn wir das Erneuerbare Ausbaugesetz bis 2030 ernst nehmen, haben wir einen zusätzlichen Investitionsbedarf von mindestens fünfzig Milliarden Euro.“ Das entspreche einer Verdoppelung des Investitionsvolumens der österreichischen Wirtschaft und „ist eine hervorragende Voraussetzung für einen Aufschwung“, analysiert Helmenstein. Unternehmer sollten allerdings nicht warten, bis sich der Aufschwung verfestigt. In einer „Ära neuer Knappheiten“ sollten die Orders zeitnah gesetzt werden, um den Aufschwung nicht zu verpassen, denn „dann wollen alle gleichzeitig durch dieselbe Tür“. Man müsse jetzt nicht auf einen exogenen Impuls warten, sondern habe es selbst in der Hand, ob es die prosperierenden 20er-Jahre auch im 21. Jahrhundert gebe. „Wir können Krise, aber die Frage ist, ob wir auch Aufschwung können“, so Helmenstein.
Der Konjunkturaufschwung sei nach einer Ära multipler Krisen angerichtet. Die Pandemie geht zu Ende, Lieferkettenprobleme lösen sich auf und auch die Energiepreise haben sich zurückgebildet. In 68 Staaten wird heuer mit einem realen BIP-Wachstum von über 4 Prozent gerechnet, darunter allerdings kein einziges Industrieland – weder in Amerika noch in Europa. Dabei gelte generell: Je höher die Industriequote, desto höher das kumulierte BIP-Wachstum. Ebenso fördert internationaler Warenaustausch die wirtschaftliche Prosperität.
„Wir dürfen die Industrie nicht verlieren“, lautet deshalb Helmensteins Credo. Dabei sei Österreich durchaus Gefahren einer De-Industrialisierung ausgesetzt. Gerade die hohe Abgabenquote und Regulatorik seien aus Wettbewerbsgesichtspunkten für Österreich „hochproblematisch“. Auch die europäischen Energiekosten, die um das Sechsfache höher liegen als in den USA oder China, seien eine Bedrohung. Licht und Schatten sieht Helmenstein bei der Innovationskraft. In manchen Branchen liege die Erfinderdichte der Österreicher im absoluten Spitzenfeld, etwa bei alternativen Antriebstechnologien. Die Dateninfrastruktur und Big Data müssen hingegen hierzulande deutlich ausgebaut werden. Keine Bedrohung bzw. keinen Wettbewerbsnachteil für den Standort Österreich sieht der Ökonom im Fachkräftemangel: „Wenn man in der Steiermark keine Arbeitskräfte findet, wird man diese in den USA auch nicht finden. Österreich hat quantitativ keinen Nachteil, sondern qualitativ noch einen Vorteil.“ Helmenstein bezieht sich dabei auf das duale Ausbildungssystem.
Impulse aus der Praxis
Welche Chancen die grünen Transformation bereits in der Praxis ermöglicht, das zeigt Solana Renewable Technologies. Das Unternehmen hat sich der nachhaltigen Erzeugung, Speicherung und Verteilung von erneuerbarer Energie verschrieben. „Der Energiewandel hat die Branche mit voller Wucht getroffen und es war schnell klar, mit den alten Strukturen werden wir das nicht stemmen können“, betont Geschäftsführerin Marina Opferkuch und fordert eine Start-up-Mentalität. „Wir brauchen einen Wechsel vom Konkurrenzgedanken zum Kooperationsgedanken.“ Um die Klimaziele zu erreichen, seien nicht nur einige Köpfe und Hände nötig, sondern viele, die mutig sind und vorangehen, so Opferkuch. Aber selbst in der aktuellen Boomphase müsse man sich genügend Zeit für die Kundenbedürfnisse nehmen: „Im Endeffekt sind langfristige Kundenbeziehungen viel mehr wert als schnell gebaute Megawatt. Es ist ein Marathon und kein Sprint.“
Dem stimmt auch Ewald-Marco Münzer, Geschäftsführer von Münzer Bioindustrie, zu. Das steirische Familienunternehmen verschreibt sich seit 1991 der Kreislaufwirtschaft. Es geht um die Entsorgung von flüssigen und festen Abfällen sowie die Sammlung und Verwertung von Altspeisefetten für die Biodieselproduktion. „Als Frontrunner hat man immer einen Vorteil, aber auch wir haben die Herausforderung, unser Geschäftsmodell stets weiterzuentwickeln“, erklärt Münzer. Münzer ist mit seinen Technologien an mehreren Standorten in Europa, Indien und Afrika tätig: „Wir werden international für unsere Kreislaufwirtschaft und erneuerbare Energienutzung beneidet. Steirische Umwelttechnologien sind weltmarktführend und überall willkommen.“ In der Transformation seien „Anreize besser als Verbote“, wenngleich Münzer die neue Nachhaltigkeitsberichtspflicht (CSRD) als sinnreiche Leitlinie sieht, um Unternehmen zu mehr Nachhaltigkeit zu bringen.
„Manche Regulatorik ist schon gut, weil sie uns zwingt, uns weiterzuentwickeln. Es gibt Investitionsbedarf und Beratungsbedarf. Für uns als Bank bietet es sehr viel Raum, mit Kompetenz unsere 68.000 Unternehmen und 750.000 Kunden auf ihrem Weg zu begleiten“, findet Ariane Pfleger, Vorstandsdirektorin für Transformation der RLB Steiermark. Sie würde sich aber nachhaltigere Regelungen wünschen, die sich nicht von Mal zu Mal verändern. Für eine gesamthafte Unternehmensentwicklung hin zur Nachhaltigkeit brauche es Anreize, Kommunikation, Ausdauer, Resilienz und Impulse. Für Pfleger ist aber auch klar: „Über den reinen Goodwill und die Motivation werden wir es nicht schaffen, es braucht auch einen ökonomischen Benefit.“ Der größte Fehler wäre momentan, nichts zu tun, so Pfleger: „Wir haben den Auftrag und die Verantwortung, um gut an die nächste Generation übergeben zu können.“