Die Landwirtschaft hat eine immense Bedeutung für die Gesellschaft, von der Lebensmittelproduktion bis zum Umweltschutz. Aber Klimawandel, technologischer Fortschritt und gesellschaftlicher Wandel stellen Landwirte vor immer größere Herausforderungen. Weltweit wollen immer mehr Menschen ernährt werden. Das heißt, die Produktion muss weiter gesteigert werden – und das auf immer weniger landwirtschaftlicher Fläche und mit massiv weniger Treibhausgasemissionen.
„In diesem Spannungsfeld brauchen wir gutes, solides handwerkliches Können unserer Bauern und vor allem viel Innovation, denn es braucht neue Wege in der Agrarwirtschaft“, bekräftigt Josef Hainzl, Aufsichtsratspräsident der Raiffeisen-Landesbank Steiermark, bei seiner Begrüßung zum diesjährigen Raiffeisen Agrarsymposium.
Dass es neue Lösungen braucht, stehe außer Frage, sagt auch RLB-Generaldirektor Martin Schaller und betont: „Innovation und Weiterentwicklung sind immer dann gefragt, wenn es grundlegende Problemstellungen gibt, wenn die alten Rezepte nicht mehr greifen. Innovation und Tradition sind aber kein Widerspruch. Innovation baut immer auf Tradition auf.“ Gerade bei Raiffeisen sei man sich dieser Tatsache bewusst. Mit dem Genossenschaftsgedanken habe Friedrich Wilhelm Raiffeisen etwas „Evolutionäres“ geschaffen: „Auf diesen Traditionen, den Werten Solidarität, Subsidiarität und Regionalität bauen wir heute auf. Wir führen diese Prinzipien weiter. Wir tradieren, transformieren die Raiffeisen-Werte in die Moderne“, so Schaller.
Vorbild und Vorreiter
Nur eine gute Idee sei zu wenig, Innovation brauche auch eine starke Umsetzung, weiß Schaller: „Als führende Bankengruppe im Land tragen wir dafür eine große Verantwortung.“ Mit „Problemlösungskapazität und Innovationskraft“ will Raiffeisen die Landwirte am Weg in die Zukunft unterstützen. „Wir wollen ein ‚Center of Gravity‘ in der Steiermark sein, denn wir sind inmitten von zentralen Zukunftsthemen Vorbild und Vorreiter. Etwa als Anbieter von Technologie, als Vernetzer zwischen Kunden oder als langfristig orientierter Finanzinvestor“, so Schaller weiter.
Neben einem starken Partner brauche es auch „fundierte Informationen als wichtigste Basis für Entscheidungen für die Zukunft“. Genau diese Informationen möchte man beim Agrarsymposium liefern und die Möglichkeit bieten, gemeinsam zu diskutieren, nachzudenken und Erfahrungen auszutauschen.
Innovation ist kein Patent
Wie Innovation gelingen kann und was es dazu braucht, weiß Josef Rohregger. Der Innovationsexperte und Meteorologe ist Mitbegründer der „zukunft.farm“ und beschäftigt sich schon mehr als 15 Jahre mit dem Thema Innovation. „Wir brauchen eine gehörige Portion Neugier und Zukunftslust sowie einen großen Schritt raus aus der eigenen Komfortzone. Die Landwirtschaft steht vor einem gewaltigen Umbruch. Wer dabei nicht Passagier, sondern Kapitän sein will, muss sich klar sein, welches Problem mit der eigenen Arbeit am Bauernhof gelöst werden soll“, appelliert der Experte.
Also zuerst muss ein Problem identifiziert werden und dann eine Lösung gefunden werden. Das ist aber noch keine Innovation, sondern im besten Fall ein Patent, so Rohregger augenzwinkernd. Entscheidend ist nämlich nicht, dass sich die Technologie verändert, sondern die Werte. „Werte gestalten die Zukunft, nicht Technologien“, unterstreicht der Experte und veranschaulicht: „Ein Vegetarier isst nicht Fleischalternativen, weil sie anders hergestellt werden, sondern weil keine Tiere bei der Produktion sterben müssen.“
Geht es rein um das Anwenden bzw. Verwenden neuer Technologien am Betrieb, rät Rohregger, sie nicht schon im Vorhinein zu verteufeln, denn die Erfahrung zeigt: „Jede Innovation startet mit einem sehr schlechten Nutzenangebot. Jede Innovation ist zu Beginn immer massiv schlecht. Erst langsam erfüllt die Innovation die Marktanforderungen und der Nutzen steigt.“
Mehrwert stiften
Ariane Pfleger, Vorstandsdirektorin für Transformation der RLB Steiermark, lieferte gemeinsam mit Martina Prutsch, Junglandwirtin und Agrarinfluencerin, Peter Stachel, Innovationsberater der Landwirtschaftskammer Steiermark, sowie Irene Gombotz, Landwirtin und Teil der „Jungen wilden Gemüsebauern“, im anschließenden Innovationsgespräch Beispiele für lösungsorientiertes Handeln.
„Innovativ zu handeln ist nicht nur wirtschaftlich sinnvoll, sondern mit Blick auf die künftigen Generationen essenziell“, so Pfleger. Raiffeisen treibe daher Innovationen etwa im Digital Banking sowie in der persönlichen Beratung voran, etwa mit speziellen ESG-Workshops für Unternehmen. Als weiteres Beispiel nennt sie auch die Gründung von regionalen Energiegenossenschaften. „Transformation ist niemals Selbstzweck, sondern soll für das Unternehmen und den Markt Mehrwert stiften“, erklärt Pfleger weiter.
Junglandwirtin Martina Prutsch weiß: „Vor uns jungen und zukünftigen Hofübernehmer stehen große gesetzliche Veränderungen und steigende gesellschaftliche Vorstellungen, die sowohl Risiken mit sich bringen, als auch Potenzial haben, um sich zu verwirklichen.“ Neben Mut und Durchhaltevermögen rät sie beim Agrarsymposium vor allem zum „Abgleichen, Abstimmen und Kombinieren der bestehenden Erfahrungen mit den neuen Technologien“.
Vernetztes Denken
Irene Gombotz spricht sich für eine stärkere Vernetzung der Landwirte aus: „Aus meiner Sicht bedarf es mehrerer Faktoren wie Bildung, Finanzierung und die Unterstützung der Politik, um mit Innovation die Herausforderungen der Zukunft in der Landwirtschaft zu bewältigen. Dabei ist für mich die Zusammenarbeit untereinander ein Hauptfaktor, denn durch den Austausch von Erfahrungen und Wissen können neue Lösungen oder Projekte entwickelt und umgesetzt werden.“
Peter Stachel hält vor allem „Offenheit und die Fähigkeit, verknüpfend denken zu können“, für notwendig, um innovativ sein zu können. Außerdem empfiehlt er, „nicht gleich von heute auf morgen den Hof komplett umzustellen“. Um neue Betriebsformen zu finden, könnte man zum Beispiel eine dezidierte Versuchsumgebung für Innovationen am eigenen Hof schaffen. „Definieren Sie eine Spielwiese und ein entsprechendes Budget, um damit etwas Neues auszuprobieren.“
Dass Innovationen teuer und risikoreich seien können, stehe außer Frage, sagt Ariane Pfleger: „Aber das größte Risiko ist, nicht in Innovation zu investieren.“