Um den Ausstoß von Treibhausgasen deutlich zu reduzieren, will die Regierung den Anteil von Bioethanol zu Benzin erhöhen. Da fast ein Drittel der heimischen Treibhausgasemissionen auf den Verkehrssektor zurückzuführen ist, sei es umso wichtiger, alternative Kraftstoffe zu entwickeln. Dabei habe der Ottokraftstoff „E10“ großes Potenzial, Teil der Lösung in der Verkehrswende zu sein, sagt Elisabeth Köstinger, Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus, bei einem Besuch der Bioethanol-Anlage der Agrana in Pischelsdorf.
E10 besteht zu 90 Prozent aus Superbenzin und zu 10 Prozent aus Bioethanol, einem Alkohol, der durch Vergärung von Biomasse gewonnen wird. „Das entstandene CO2 wurde zuvor beim Pflanzenwuchs aus der Atmosphäre gebunden, daher sind Vergärung und Verbrennung klimaneutral“, erläutert die Ministerin in Pischelsdorf, wo Bioethanol überwiegend aus Weizen und Mais hergestellt wird. Als Nebenprodukt entstehen Eiweißfuttermittel, wodurch die Soja-Importe verringert werden.
Weniger Feinstaub
Schon seit Jahren werde in Österreich E5 (95 Prozent Super und 5 Prozent Ethanol) verkauft – die Erhöhung des Alkohol-Anteils auf 10 Prozent stelle für die meisten Benzinmotoren kein Problem dar. Im Vergleich zu E5 verringere die Verwendung von Super E10 die Stickoxid-Emissionen um durchschnittlich 25 Prozent. Auch der Feinstaub-Partikelausstoß könne durch eine Steigerung von E5 auf E10 verringert werden. „Ethanol hat wesentlich weniger Partikel. Wir haben Messungen gemacht, die zeigen, dass der Feinstaub je nach Motor um 20 bis 70 Prozent reduziert werden kann, also wirklich eine massive Verbesserung“, hält Bernhard Geringer, Vorstand des Instituts für Fahrzeugantriebe an der Technischen Universität (TU) Wien, fest.
Deutschland, Frankreich, Finnland und Schweden haben E10 bereits eingeführt. Österreich will nun aus ökologischen Gründen nachziehen. „Die Energie- und Verkehrswende wird nur dann möglich sein, wenn wir alle Technologien nützen. Die Erhöhung des Bioethanol-Anteils bei Benzin kann ein nächster wichtiger Schritt sein. Die Erzeugung von Bioethanol ist eine Win-win-Situation. Wenn wir – wie die Agrana in Pischelsdorf – aus Mais oder Weizen Ethanol erzeugen, entstehen zusätzlich Eiweißfuttermittel für unsere Tiere. Somit können wir im Sinne der österreichischen Eiweißstrategie die Abhängigkeit von Sojaimporten reduzieren“, erklärt Köstinger.
Sofort umsetzbar
Auch Agrana-CEO Markus Mühleisen sieht großes Potenzial in einer höheren Beimischung von Bioethanol zu Benzin: „Um der Verschlechterung der österreichischen Klimabilanz endlich Einhalt zu gebieten, muss jede sinnvolle Maßnahme zur Reduktion von fossilen Brennstoffen genutzt werden. Ein sofort umsetzbarer Weg, Treibhausemissionen nachhaltig zu senken, wäre der verstärkte Einsatz von Bioethanol, also eine Erhöhung der Ethanol-Beimischung zu Benzin von aktuell 5 auf 10 Prozent. Die Erhöhung der Beimischung ist auch im Arbeitsprogramm der Bundesregierung verankert. Wir hoffen daher auf eine rasche Umsetzung“, so Mühleisen.
Für die Produktion verwendet die Agrana vor allem Weizen und Mais, allerdings keine Lebensmittel, wie der Vorstandsvorsitzende betont: „Wir verwenden Futterweizen und andere Rohstoffe, die eigentlich für die Futterproduktion vorgesehen sind, und Reststoffe. Die Hälfe dessen, was wir verarbeiten, kommt aus der Reststoffproduktion.“ Das Werk Pischelsdorf produziert auf Volllast – 40 Prozent der Produktion wird in Österreich für die E5-Beimischung eingesetzt, mehr als die Hälfte wird jedoch exportiert. Das heißt, in Pischelsdorf wird von Beginn an die Bio-Ethanolmenge hergestellt, die für eine 10-prozentige Beimischung zu Benzin nötig wäre. Anders ausgedrückt: Durch den Export entgehen Österreich jährlich mehr als 200.000 Tonnen an Treibhausgaseinsparungen bzw. werden 60 Prozent des Treibhausgas-Einsparungspotenzials anderen Ländern gutgeschrieben. Bei einem prognostizierten Preis für CO2-Zertifikate von rund 40 Euro je Tonne CO2 sind das rund 8 Mio. Euro, rechnet die Agrana vor.
Ethanol-Diesel möglich
Bisher war die Beimengung von Bioethanol nur bei Benzin ein Thema. Doch laut einer neuen Studie könnte es mittlerweile auch Diesel beigemengt werden. „Das geht zwar nicht zum direkten Beimischen bzw. nur zu 3 oder 4 Prozent, aber man kann das durch Modifikationen im Motor, die sind nicht so aufwendig, ändern“, erklärt Geringer, der in seinem Institut dazu bereits Tests machte. Der Schadstoffausstoß konnte dadurch ebenfalls deutlich reduziert werden.
In Schweden würde zudem bereits ein Nutzfahrzeughersteller Diesel-Lkw mit Ethanol-Diesel E95 serienmäßig anbieten. „Das ist letztlich Ethanol mit einem Zündbeschleuniger“, erklärt Geringer. Damit könnten etwa auch die Transportbranche bzw. die Landwirtschaft den CO2-Ausstoß deutlich reduzieren. „Auf Diesel-Motoren kann man dort mittel- bis langfristig nicht verzichten. Mit Ethanoldiesel könnte man aber hervorragend die Nachhaltigkeit deutlich verbessern.“
Die Bioraffinerie Pischelsdorf gilt als Musterbeispiel für eine Komplettverwertung der eingesetzten Rohstoffe und trägt wesentlich zur Verwirklichung des Grundgedankens einer geschlossenen Kreislaufwirtschaft bei. Denn durch die enge Anbindung der Bioethanol-Anlage an die angrenzende Weizenstärkefabrik wird das eingesetzte Getreide zu 100 Prozent verwertet. Konkret gehen die nach Gewinnung von Weizenstärke und Weizengluten ungenutzt bleibenden Rohstoffbestandteile in die Bioethanol-Erzeugung sowie in die Herstellung des gentechnikfreien Eiweißfuttermittels „ActiProt“. Letzteres ersetzt den EU-Import von rund 200.000 Tonnen gentechnisch verändertem Sojaschrot aus Übersee. Schließlich werden mit hochreinem CO2, das die benachbarte Anlage des Industriegaskonzerns Air Liquide aus den Gärtanks der Bioethanol-Anlage verflüssigt, am Standort Pischelsdorf aus einem Rohstoff viele hochwertige Produkte hergestellt.