Die Bioraffinerie Pischelsdorf hat es aktuell mit drastischen Kostensteigerungen im Energiebereich zu tun. Agrana-Vorstand Norbert Harringer spricht von einer Verdrei- bis sogar Vervierfachung im gesamten Konzern. Einen möglichen Energienotstand habe man aber bereits Anfang März antizipiert. So wurde schon damals beschlossen, die Produktionskontinuität entsprechend sicherzustellen und bereits vor einem Beschluss der Bundesregierung auf eine alternative Brennstoffart umzustellen. Die Zuckerfabriken der Agrana sind entlang dieses Vorhabens bereits umgestellt und führen die Produktion mit Heizöl extraleicht fort. „Das tut zwar weh im Hinblick auf unsere Klimaambition, bis 2040 entsprechend klimaneutral zu sein, wir sehen es aber als notwendig, um die Versorgungssicherheit gegenüber unseren Kunden sicherzustellen“, so Harringer. Die OMV hat angekündigt, in der ersten Oktoberhälfte die Produktion wieder hochzufahren, wodurch die Versorgung mit Heizöl extraleicht so weit sichergestellt ist.
In Pischelsdorf werden aktuell weitere Vorkehrungen für die Produktionssicherheit getroffen. Zwar kommen 90 Prozent der Energie derzeit von der Abfallverbrennungsanlage der EVN, die sich direkt daneben befindet; nur die Trocknungsanlagen werden aktuell noch mit Gas versorgt. Hier ist man gerade dabei, die Prozesse im Notfall auf den Einsatz von Bioethanol umzurüsten. Aufgrund der komplexen Technologie sei mit der vollständigen Umstellung aber nicht vor diesem Winter zu rechnen, so der Vorstand.
Komplette Entkoppelung
Direkte Auswirkungen des Ukraine-Kriegs spürt man im Werk Pischelsdorf vor allem durch die Verschiebung der Handelsströme. Größere Probleme bereiten dem Unternehmen die kriegsbedingt hohen Rohstoffpreise. Diese Tendenz zeigte sich zwar bereits ausgehend von der Ernte 2021, hat sich jedoch mit dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs erneut gesteigert. So spricht man bei Futterweizen, der vor drei bis vier Jahren noch um 170 bis 220 Euro pro Tonne auf den Markt ging, aktuell von einem Preis von mindestens 320 Euro pro Tonne. Einen Ausschlag auf über 400 Euro pro Tonne hat es dieses Jahr bereits gegeben. „Seit wenigen Monaten sehen wir auch eine komplette Entkoppelung der Börsen vom physischen Markt. Die an den Börsen gehandelten Preise für Weizen und Mais haben nichts mehr mit der Realität am Markt zu tun“, so Norbert Harringer. Derartige Unterschiede zwischen Börse und Markt gab es in der Vergangenheit in dieser Form noch nie und bereiten in Hinblick auf die Verkaufspreise große Schwierigkeiten. Bis dato sei es der Agrana aber gut gelungen, die Preiserhöhungen am Markt unterzubringen. Mit einer Entspannung der Preissituation sei derzeit auch nicht zu rechnen.
Generell sei zu beobachten, dass die Papierfabriken schon vor etwa zwei Monaten begonnen haben, aufgrund geringerer Nachfrage die Produktionsmenge zu reduzieren. Dies wird als Zeichen für eine abschwächende Konjunktur gesehen. „Wir mussten deswegen auch den Ausstoß in unserer Weizenstärkeanlage reduzieren“, berichtet der Agrana-Vorstand.
Ergebnis verdoppelt
Ebenso werden der weiter andauernde Krieg in der Ukraine und die Verwerfungen an den Energie- und Rohstoffmärkten sowie die rasant steigenden Kapitalkosten seitens der Agrana als Gründe dafür angeführt, dass eine Werthaltigkeitsprüfung für die Cash Generating Unit (zahlungsmittelgenerierende Einheit) Frucht ausgelöst wurde. „Dabei wurden zahlungsunwirksame Wertminderungen auf Assets und Goodwill ermittelt, die das Ergebnis der Betriebstätigkeit (Ebit) im ersten Halbjahr 2022/23 mit 91,3 Mio. Euro belasten“, berichtet die Agrana. Schon im abgelaufenen Geschäftsjahr wurden aus demselben Grund Abschreibungen von 70 Mio. Euro getätigt. Ansonsten hat sich das operative Ergebnis des Agrana-Konzerns im ersten Halbjahr 2022/23 im Periodenvergleich auf 86,5 Mio. Euro mehr als verdoppelt. Ein Treiber dafür war das verbesserte Ethanolgeschäft, zudem konnte auch das Segment Zucker wieder aus der Verlustzone geführt werden. Die Konzernumsatzerlöse stiegen im Vergleich zur Vorjahresperiode um knapp 26 Prozent auf 1,79 Mrd. Euro. Der Ausblick auf das gesamte Geschäftsjahr wird trotz der Asset- und Goodwill-Wertminderung bestätigt, das Ebit sollte um mehr als 50 Prozent ansteigen.
Umstellung auf E10
Mit Blick auf die Zukunft wurde die Forderung nach einer Erhöhung der Bioethanol-Beimengungsquote in Österreich seitens der Agrana erneuert. In der Bioraffinerie Pischelsdorf wird derzeit mehr als das Doppelte des heimischen Eigenbedarfs produziert. Harringer sieht in E10 einen „wichtigen Schritt Richtung Dekarbonisierung“, denn jährlich könne man dadurch rund 200.000 Tonnen an Treibhausgasen einsparen. Aktuell wird in Österreich Benzin 5 Prozent Bioethanol beigemischt.
Durch einen Anstieg auf 10 Prozent wäre nur mit einer marginalen Preiserhöhung zu rechnen, die sich höchstens im niedrigen Cent-Bereich zeigen würde, versichert er. Die Lebensmittelversorgung würde zudem nicht beeinträchtigt werden, da zur Produktion des Ethanols lediglich Reststoffe oder Getreide in Futtermittelqualität zur Produktion eingesetzt werden. Für Harringer ist es deshalb ein logischer Schritt und „die Versorgungssicherheit würde dadurch grundlegend verbessert werden“. Warum dieser Umstieg bis dato noch nicht erfolgte, könne er sich nicht erklären – es scheitere offenkundig an politischem Willen, das im Regierungsabkommen festgehaltene Ziel von 10 Prozent umzusetzen.