„Wir sind an einem ganz besonderen Punkt und wollen jetzt die nächste Wachstumsphase einläuten“, sagt Agrana-Vorstandsvorsitzender Markus Mühleisen und erklärt den „Krisenmodus“ der vergangenen drei Jahre für beendet. Die Pandemie und der Ukraine-Krieg hätten gezeigt, dass die Agrana gut durch Krisen kommen kann: „In keinem unserer weltweit 55 Werke gab es Produktionsausfälle. Wir haben unseren Beitrag zur Versorgungssicherheit geleistet und auch ganz ordentliche finanzielle Ergebnisse erzielt.“
Nun sei es allerdings an der Zeit, wieder in den Wachstumsmodus zu kommen. In den Strategieplänen sieht man dabei sowohl in den Kernmärkten – durch stärkere Vernetzung – noch Potenzial und man hat Zukunftsmärkte identifiziert. „Vor allem in unseren Segmenten Frucht und Stärke sehen wir Wachstumschancen“, erklärt Mühleisen. Konkret geht es um biobasierte Materialien, pflanzenbasierte Proteine und den Ausbau der Clean-Label-Produkte, von denen es bereits 300 Rezepturen bei Agrana gibt. Im Bereich der natürlichen Geschmacksstoffe rechnet man auch mit dem schnellsten Wachstum. Im Stärkesegment sieht man vor allem bei Biokunststoffen als Ersatz für das von der EU verbotene Mikroplastik große Chancen. „Wir können dieses Problem lösen“, betont Mühleisen. Neben neuen Lösungen für die Kosmetik-Branche wird auch an neuen stärkebasierten Baumaterialen gearbeitet. Vor allem bei natürlichen Geschmacksstoffen werde man einen raschen Anstieg sehen.
Das Wachstum mit Spezialprodukten ist für den CEO ein logischer Schritt: „Das sind jetzt nicht die Riesenmengen, aber es steckt enorme Wertschöpfung drinnen.“ Und: „Das ist ein ganz anderer Wettbewerb. Da geht es um Know-how und nicht um den Preis.“ Die neue Strategie sieht zudem hohe Flexibilität vor, je nachdem wie sich Märkte und Preise entwickeln und auch Regelwerke können sich rasch ändern. „Die Unsicherheiten werden hoch bleiben“, ist Mühleisen überzeugt.
Entwicklungen auf Kurs
Die Entwicklung im laufenden Geschäftsjahr spiegelt das auch teilweise wider. So setzt sich zwar im Segment Zucker der positive Trend fort, allerdings hat der Rüsselkäfer 2.000 der 38.000 Hektar eliminiert. Die Menge sei trotzdem so gut, dass beide Zuckerfabriken in Österreich abgesichert sind. Der Zuckergehalt ist aufgrund der heurigen Wetterlage etwas geringer als im Vorjahr. Das Segment Frucht entwickle sich aufgrund vieler Innovationen auch gut. Nur das Stärkesegment habe es heuer schwerer, weil der Ethanolpreis gesunken ist und sich die Konjunktur abschwächt. Deutliche Absatzrückgänge gebe es etwa bei Papier und Karton. Zudem würden mehr Kunden aufgrund der hohen Inflation ihre Lagerbestände abbauen.
„Insgesamt ist die Agrana auf Kurs.“ Man rechnet für das laufende Geschäftsjahr mit einem Umsatzwachstum und einem deutlichen Anstieg beim Ergebnis der Betriebstätigkeit (Ebit). Im Vorjahr erzielte die Agrana einen Umsatz von 3,6 Mrd. Euro und ein Ebit von 88,3 Mio. Euro. Durch den Wachstumskurs sollen die Zahlen „noch deutlich größer“ werden, konkreter wird Mühleisen nicht: „Jetzt schon Zahlen zu nennen, wäre unseriös.“
Notwendige Investitionen sind derzeit noch aus eigenen Mitteln machbar, trotzdem laufen Diskussionen über weitere Finanzierungsmöglichkeiten – auch eine Kapitalerhöhung sei eine Option. In Gmünd werden zum Beispiel aktuell 23 Mio. Euro in eine neue Stärkelinie für die Bauindustrie investiert. Mehr Rohstoffe werden dafür nicht benötigt, weil man „mehr in die Tiefe geht“. Wenn die Wachstumsstrategie aufgeht, dann werde man in Zukunft aber auch mehr Rohstoffe benötigen.