„Wir sind Stütze und Schnittstelle“

Seit Mitte Juni steht Andreas Weber dem Dachverband der Raiffeisen-Geschäftsleitervereinigungen als Präsident vor. Wir sprachen mit ihm über die Stärken des Verbandes, das aktuelle Marktumfeld und die Schwerpunkte seiner Funktionsperiode.

Herr Weber, Sie wurden vor etwa vier Monaten zum Obmann des Dachverbandes gewählt. Welche Aufgaben hat der Verband und wo liegen seine Stärken?
Andreas Weber: Der Dachverband wurde vor 50 Jahren als Interessenvertretung der Geschäftsleiterinnen und Geschäftsleiter gegründet. Das Kernziel damals war das Verhandeln von Gehalts- und Pensionsvereinbarungen sowie das Vermitteln zwischen Geschäftsleitung und Eigentümervertreter bei schwierigen Themen. Aber natürlich hat sich der Dachverband weiterentwickelt und ist heute Stütze und Schnittstelle der Primärbanken zu allen Sektorstufen und -themen. 

Wie kann es gelingen, in einem dezentralen Sektor wie Raiffeisen die Raiffeisenbanken aller Bundesländer zu koordinieren?
Weber: Das ist die große Herausforderung: Wie kann es gelingen, in der Dezentralität Themen, die für uns Raiffeisenbanken wichtig sind, dort zu platzieren, wo diese weiterentwickelt und bestenfalls gelöst werden können. 
Im Vorstand des Dachverbandes haben wir jeweils zwei Vertreter aus jedem Bundesland und wir stimmen uns intensiv ab. Diese Landesvertreter sind wiederum die Schnittstelle vor Ort zu den Landesbanken. Wir stimmen uns jedenfalls regelmäßig mit den bundesweiten Organen des Raiffeisen-Geldsektors ab und entsenden Vertreter in die Bundesgremien und Produkttöchter. 

Wie kann man es bewerkstelligen, diese Zusammenarbeit noch weiter zu verbessern?
Weber: Wichtig ist mir ein offener und ehrlicher Umgang miteinander – direkt und bestimmt im Sinne des Eigentümervertreters, denn das ist es, was wir eigentlich sind: Eigentümervertreter der Raiffeisenbank International und der Landesbanken. Der Wille seitens der Generaldirektoren der Landesbanken ist durchaus da, unsere Interessen zu wahren. Unser Ziel ist es aber, über kurz oder lang auch Mitglied in der Kooperationsgenossenschaft zu werden. Derzeit ist das aber noch nicht absehbar.

Welche Schwerpunkte wollen Sie als neuer DV-Präsident setzen?
Weber: Wir haben uns klar zum Ziel gesetzt, die Kommunikation zu verbessern und die Interessenvertretung der Geschäftsleiter noch mehr in den Fokus zu stellen. Schon umgesetzt haben wir ein Thema in der eigenen Governance: Wenn der Vorstand des Dachverbandes einen Vertreter für die Produkttöchter bestellt, so ist dieses Mandat nur so lange aufrecht, wie er Mitglied im Vorstand des Dachverbandes ist. Wer uns vertritt, muss aktives Mitglied im Vorstand des Dachverbandes sein. Das haben wir auch in unseren Statuten so festgehalten. Neben dem Ziel, näher an die Kooperationsgenossenschaft zu rücken, wollen wir die Sektorarbeit intensivieren und hier vor allem bei der Kommunikation ansetzen: Nicht zuletzt über eine neue Homepage werden wir Informationen direkt an die Raiffeisenbanken weitergeben. Man wird den Dachverband künftig stärker wahrnehmen.

Andreas Weber im Interview
© RZ/Michael Hintermüller

Wie wichtig ist Ihnen die Zusammenarbeit mit den Funktionärinnen und Funktionären?
Weber: Als Eigentümervertreter sitzen wir mit unseren Funktionären in einem Boot. Hier ist es mir wichtig zu signalisieren, dass man gemeinsam Dinge beschließen und weiterbringen muss. Es ist nicht zielführend, die Geschäftsleiter immer auf der einen Seite und die Eigentümervertreter auf der anderen Seite zu sehen. Hier wollen wir näher zusammenrücken. Unser neuer Generalsekretär Florian Wurz wird hier seinen Schwerpunkt setzen und das Verbindende in den Vordergrund stellen. 

Das Marktumfeld für Regionalbanken wird immer schwieriger. Welchen Wettbewerbsvorteil haben Raiffeisenbanken gegenüber dem Mitbewerb?
Weber: Unser Asset ist die Selbstständigkeit der Raiffeisenbanken. Daher ist es eines unserer wichtigsten Ziele, diese Selbstständigkeit auch weiterhin aufrechtzuerhalten. Ich bin zu 100 Prozent überzeugt, dass eine selbstständige Raiffeisenbank viel erfolgreicher ist als eine Bank innerhalb einer Konzernstruktur. Entscheidungen vor Ort zu treffen, das Eigenkapital in der Bank zu halten, als regionale Größe in der Region zu investieren und damit direkt die Region zu unterstützen ist ein Wert, den wir mit allen Mitteln beibehalten müssen.

Was sehen Sie als die größte Herausforderung während Ihrer Amtszeit als Dachverbandspräsident?
Weber: Wir müssen das Thema Bürokratie in den Griff bekommen. Die Banken sind derzeit mit den regulatorischen Anforderungen gestraft und die Geschäftsleiter mit Themen abseits des Marktes eingespannt. Es muss uns gelingen, das auf ein für die Banken erträgliches Maß zu bringen, sodass wir uns um die Kunden kümmern können. Denn die Kundenzentrierung war stets die Stärke von Raiff­eisen, und wenn wir die verlieren, dann verlieren wir unser Geschäftsmodell. Herausforderungen gibt es auch bei der Effizienz von Kreditprozessen, da müssen wir sicher auch an uns arbeiten. In unserem Sektor ist auch die EDV-Unterstützung ein großes Thema. Wenn wir da an einem Strang ziehen, können wir sicher für das Kundengeschäft vieles verbessern.

Wie beurteilen Sie das aktuelle wirtschaftliche Umfeld der Raiffeisenbanken?
Weber: Der Wirtschaft in Österreich hat sicher stark geschadet, dass es Verordnungen wie die KIM-Verordnung gibt. Damit hat man im privaten Wohnbaugeschäft, wo es nie Probleme gegeben hat, die Kreditgenehmigungen um 60 bis 70 Prozent reduziert. Die Banken können das kompensieren – Leidtragende sind investitionswillige Kunden, die kein Geld mehr bekommen, und die Bauwirtschaft. Wenn man sich also die schlechte Konjunktur in Österreich oder auch Deutschland ansieht, ist das teilweise ein selbstgemachtes Problem. Man kann alles regulieren, aber am Ende muss man sich fragen, was übrig bleibt.

Ist hier eine Besserung in Sicht?
Weber: Unser Ziel wäre es, dass sich das Thema KIM-Verordnung vielleicht bis Mitte nächsten Jahres erledigen könnte. Ich hoffe da auf die vernünftigen Kräfte in der Aufsicht und in der Regierung.

Welche Rolle spielt der Wettbewerb durch FinTech-Unternehmen für Raiffeisen?
Weber: Das sehe ich nicht so problematisch, wie es schon einmal war. Einerseits hat Corona gezeigt, dass es wichtig ist, Nahversorger wie regionale Banken zu haben. Andererseits macht Raiffeisen sehr viel in diesem Bereich – zum Beispiel die Kooperation mit Bitpanda, die uns weiterbringt. Wir dürfen neue Themen wie Krypto nicht verteufeln, sondern müssen schauen, wie wir sie nutzen können und das Beste daraus machen. Ich glaube, das ist der Weg von Raiffeisen.

Andreas Weber im Interview
© RZ/Michael Hintermüller

Wie haben sich durch Digitalisierung und digitale Transformation die Kundenbedürfnisse verändert?
Weber: Die Kunden gehen seltener in die Bank, die Transaktionen vor Ort werden viel weniger. Vor allem junge Kunden brauchen ganz selten die Bankstelle, weil sie alles über das Handy oder den Laptop erledigen. Wo es die Bank braucht, ist in der qualitativen Beratung, zum Beispiel wenn man ein Eigenheim errichten oder Geld veranlagen will. Aber auch hier ist der Kunde viel informierter und anspruchsvoller als noch vor 25 Jahren. Dadurch ist die Anforderung an den Kundenbetreuer heute eine viel größere. Deswegen investieren wir viel in die Beratung, aber auch in Spezialisierung. Bei uns in der Raiffeisenbank Amstetten gibt es nicht nur eine eigene Abteilung für das Firmenkundengeschäft, sondern etwa auch für die Projektfinanzierung, regionale Unternehmer, den Agrar- und den Wohnbaubereich. Wir haben auch eine digitale Bankstelle.

Wie funktioniert die digitale Bankstelle?
Weber: Wir haben uns bewusst gegen ein Telefonservice-Center in Wien oder in Bratislava entschieden, weil der Kunde dort einfach nicht die Qualität in der Abwicklung bekommt. In unserer digitalen Bankstelle kümmern sich Mitarbeiter vor Ort um telefonische Anfragen. Es gibt spezielle Räume mit Bildschirmen, in denen der Kunde entscheiden kann, ob er nur am Telefon beraten werden möchte oder ob er den Berater persönlich sehen will. Wenn jemand beispielsweise seine Kreditkarte verloren oder Probleme mit seiner Bankomatkarte hat, können die Mitarbeiter in etwa 80 Prozent der Fälle sofort helfen. Das ist sicher die Zukunft.

Die regionale Verankerung wird oft als Stärke von Raiffeisen gesehen, gleichzeitig ist die Anzahl der Raiffeisenbanken in den letzten Jahren zurückgegangen. Welche Vertriebsansätze braucht es zukünftig angesichts dieses Strukturwandels?
Weber: Grundsätzlich halten wir ganz bewusst an unserem Bankstellensystem fest, weil wir es uns noch leisten können. In meinem Genossenschaftsgebiet haben wir 18 Bankstellen, während der Mitbewerb nur eine oder zwei hat. Allerdings müssen wir auch darüber nachdenken, wie wir diese Bankstellen optimal nutzen. Um die Effizienz der Bankstellen zu steigern, brauchen wir vertriebsstarke Mitarbeiter. Wir steuern unseren Vertrieb bereits intensiv, indem wir über die digitale Bankstelle Kunden ansprechen und Termine in den Bankstellen oder direkt beim Kunden organisieren, sei es persönlich, über WhatsApp, Teams oder andere Kommunikationsmittel. Das Bankstellennetz zu erhalten kostet Geld – aber nicht so viel, wie man glaubt, wenn es gut genutzt wird.

Welche Erwartungen stellen Sie an sich selbst in Ihrer neuen Rolle?
Weber: Ich hoffe, ich kann den Dachverband und die Vorstandskollegen näher zusammenzubringen. Es ist mir wichtig, dass eine gute Stimmung herrscht, in der wertschätzend und auf Augenhöhe miteinander umgegangen wird.
Unabhängig von der Größe der Bundesländer – ob das große Oberösterreich oder das kleine Burgenland – sind für mich alle gleichwertig. Ich möchte sicherstellen, dass wir im Dachverband produktiv und respektvoll zusammenarbeiten. Und dass am Ende des Tages, wenn ich einmal aufhöre, gesagt wird: „Er hat das initiativ und gut gemacht.“

AusgabeRZ43-2024

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