Banken performen stark im Osten

Die robuste Konjunkturentwicklung lässt das Bankengeschäft in Zentral- und Südosteuropa florieren und sorgt für eine Eigenkapitalrendite wie zu Zeiten des Osteuropa-Booms, analysiert Raiffeisen-Chefanalyst Gunter Deuber.

Die Bankenmärkte in Zentral- und Südosteuropa (CE/SEE) stehen auf robusten und profitablen Beinen, wie eine Studie von Raiffeisen Research zeigt. „Das Wirtschaftsniveau der Region liegt im Vergleich zum Vor-Corona-Niveau real um 20 Prozent höher, in Westeuropa sind es lediglich 4 bis 7 Prozent“, erklärt Raiffeisen-Chefanalyst Gunter Deuber, Leiter von Raiffeisen Research. Zudem fiel der pandemiebedingte Wirtschaftseinbruch in den CE/SEE-Ländern geringer aus als in Westeuropa, der private Konsum zog stärker an, die Geldpolitik reagierte schneller auf die Inflation, der Arbeitsmarkt sei extrem eng und die Wirtschaftsschwäche Deutschlands habe einen geringeren Einfluss. Diese makroökonomische Resilienz habe sich als ein sehr wichtiger Faktor „für das sehr gut performende Bankgeschäft in der Region“ erwiesen, so Deuber.

Dieses starke konjunkturelle Umfeld half den Banken im Vorjahr, die ohnehin schon positive Entwicklung der letzten Jahre noch einmal zu übertreffen. „Im Jahr 2024 lag die Eigenkapitalrentabilität der Banken in CE/SEE im Schnitt bei 15 bis 20 Prozent im Vergleich zu knapp 10 Prozent im Euroraum“, strich der Finanzexperte hervor. Und auch der relative Überertrag in CE/SEE liege mit knapp 8 Prozentpunkten deutlich über dem langfristigen Durchschnittswert von 4 Prozent. „Wir sind fast auf Rekordniveaus wie zu den Zeiten des Osteuropa-Booms der frühen 2000er-Jahre, dies aber bei einem deutlich geringeren Risikoprofil“, erläutert Deuber.

Dazu komme, dass auch die Nettozinsmargen der Banken in Zentral- und Südosteuropa aufgrund der höheren Zinsniveaus höher seien als im Euroraum – insbesondere in Polen, Ungarn und Rumänien. „Angesichts der gestiegenen Profitabilität ist es nicht ganz überraschend, dass es fiskalische Begehrlichkeiten gibt“, so Deuber. Aktuell sind der Bankenstudie zufolge 85 Prozent der regionalen Bankaktiva von einer Extrabesteuerung betroffen – etwa in Tschechien, Ungarn, Polen, Rumänien, der Slowakei und Slowenien. Die Besteuerung sei in der aktuellen Lage für die Banken zwar verkraftbar, es stelle sich aber die Frage, wie langfristig diese Maßnahmen sein werden.

Südosteuropa ist attraktiv

Das Ertragspotenzial für das zentral- und südosteuropäische Bankengeschäft schätzt der Raiffeisen-Experte insgesamt auf 30 Mrd. Euro, wovon zwei Drittel auf Zentraleuropa entfallen. Maßgeblich dazu trage die erkennbare Erholung der Ertragsdynamik im wichtigsten Bankenmarkt Polen bei. Zu den wesentlichen Ertragstreibern zählt Deuber grundsätzlich die relativ niedrige Arbeitslosenquote in CE/SEE, die das Retailgeschäft der Banken stützen und die Risikokosten niedrig halten. Dazu komme, dass die Inflationsdynamik im Vergleich zum Euroraum leicht erhöht sei und sich auch nicht so schnell entspannen werde. „Daher sind die Zinsen weniger stark gesunken als im Euroraum und werden auch länger auf einem höheren Niveau bleiben. Die Bankenmärkte in Südosteuropa sind aktuell und aus langfristiger Sicht die Ertragsperlen im regionalen Bankengeschäft“, konstatiert Deuber. So lagen in Rumänien und Serbien die Eigenkapitalrenditen im Vorjahr durchschnittlich bei 20 Prozent. Im Aggregat sei der südosteuropäische Bankenmarkt profitabler als jener in Zentraleuropa. 

Bei den Marktanteilen in der Region sind die österreichischen Großbanken weiterhin klar führend. Mit ihren Töchterbanken kommen sie auf einen Anteil von 20 bis 30 Prozent des gesamten regionalen Bankgeschäfts. Auch im grenzüberschreitenden Großfinanzierungsgeschäft in Osteuropa haben die österreichischen Player mit einem Marktanteil von 21 Prozent die Nase vorn. Dahinter folgen mit einem deutlichen Abstand französische (9 Prozent) und britische Geldinstitute (7 Prozent). 

Konsolidierung bleibt Thema

Bei der Konsolidierung der CE/SEE-Märkte sieht Deuber einige Optionen für die Top-Player, allerdings dürfe man auch die regionalen Akteure wie die ungarische OTP-Bank nicht unterschätzen. „Die Zeichen stehen auf Konsolidierung“, betonte der Raiffeisen-Experte. Zu den interessanten Bankmärkten mit Übernahmekandidaten gehört Rumänien, weil es groß genug sei, noch einiges an Konsolidierungspotenzial habe und sich im EU-Raum befindet. Auch Polen dürfte für potenzielle Markteintritte an Relevanz gewinnen, da unter anderem die österreichische Erste Group einen Markteintritt „in welcher Form auch immer“ nicht ausschließe. Die italienische UniCredit könnte mit der angestrebten Übernahme der deutschen Commerzbank wieder indirekt in den polnischen Markt eintreten. Auf mehr Interesse dürfte auch der serbische Bankenmarkt stoßen, wenn auch die Konsolidierung bisher sehr stark lokal getrieben war. 

Es gibt aber auch viele kleinere, neue Akteure, die in der Region Fuß fassen wollen. In Tschechien etwa versuchen Fintechs, Marktanteile zu erobern. „Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass solche Player von Großbanken gekauft werden könnten“, so Deuber. Mittelfristig sei es aber spannend, wie die französische Société Générale, die einst eine führende europäische Großbank in der Region war und noch in zwei Ländern präsent ist, ihre Präsenz beurteilen wird. Ganz zur Gruppenstrategie passt diese schon länger nicht. Allerdings sei das aktuelle Marktumfeld etwas zu teuer für M&A-Transaktionen. Man müsse nun abwarten, wie sich das ganze internationale Börsenumfeld entwickeln werde, schätzt Deuber. Viel werde auch vom Timing abhängen.

Russland verlor an Boden

Die zunehmende geopolitische Komplexität und Unsicherheit wirkt sich auch auf das internationale Bankgeschäft, insbesondere in Osteuropa (CEE), aus. Der Ukraine-Krieg führte zu substanziellen Veränderungen in den CEE-Bankbilanzen. Seit 2013 sei das Exposure westlicher Banken in Russland um 65 Prozent gefallen, während es in den EU-Märkten der Region um 40 Prozent zugelegt habe, berichtet Deuber. Die Russland-Obligos liegen derzeit bei „nicht-systemischen“ 4 Prozent der Gesamtaktiva westlicher Banken in CEE und bedeuten nur noch 3 Prozent. In der Vergangenheit lagen diese Werte um die 20 Prozent.

Die Bedeutung der stabileren EU-Märkte legte in den letzten Jahren zu. Die Exposures westlicher Banken liegen in der Region bei über 90 Prozent der regionalen CEE-Aktiva, vor rund zehn Jahren war es noch 74 Prozent. „Das zeigt, dass die EU-Mitgliedschaft einen finanziellen Wert hat“, so Deuber. Dass einige Banken aus Westeuropa der Region in den vergangenen Jahren den Rücken gekehrt haben, führt Deuber vor allem darauf zurück, dass viele Länder der Region entgegen den Erwartungen den Euro nicht so rasch eingeführt haben, wie von vielen erhofft.

Solide Ertragsperspektiven

Für 2025 erwarten die Raiffeisen-Research-Analysten weiterhin solide Ertragsperspektiven. „Die geldpolitische Lockerung sollte weiterhin vorsichtig voranschreiten, während die Kunden offenbar weniger Gelder in Termineinlagen umschichten. Zugleich entwickelt sich das Veranlagungsgeschäft positiv, während auch im Jahr 2025 nicht mit deutlich höheren Risikokosten zu rechnen ist“, analysiert Ruslan Gadeev, Senior Bankenanalyst bei Raiffeisen Research.

Zudem sieht Gadeev eine positive Entwicklung bei der Vergabe von Wohnimmobilienkrediten, gleichzeitig könnte das Firmenkundengeschäft heuer leicht anziehen. „Im Bereich der Gewerbeimmobilienfinanzierung, ein Sorgenkind in Österreich und Deutschland, steht die Region CE/SEE deutlich besser da. Die notleidenden Kredite legen hier im Gegensatz zu Westeuropa nicht zu, ihre Niveaus sind in diesem Sektor deutlich unter jenen in Teilen Westeuropas“, betont Gadeev. 

AusgabeRZ5-2025

Mehr lesen

Anzeige
Porsche Inserat

Aktuelles

Anzeige

Die Welt der Raiffeisenzeitung