„Elektroautos sind die Zukunft“

Automobil-Experte Ferdinand Dudenhöffer erklärt, mit welchem Antrieb die Verkehrswende gelingen kann, wann sich der Kauf von E-Autos lohnt und wie autonomes Fahren die Mobilität radikal verändern wird.

Porträt von Ferdinand Dudenhöffer
Ferdinand Dudenhöffer ist Professor für Automobilwirtschaft. (c) Center Automotive Research

Worin sehen Sie derzeit die größte Herausforderung für die Automobilwirtschaft?
Ferdinand Dudenhöffer: Der schreckliche Angriffskrieg Russlands in der Ukraine hat die Welt verändert. So auch die Automobilwirtschaft, die mit höheren Produktionskosten und Lieferengpässen umgehen muss. Abgesehen davon ist in der Zukunft vermehrt mit Cyber-Attacken zu rechnen, die ganze Produktionsketten durchschlagen können.

Darüber hängt die Klimafrage in der Luft. In Österreich verursacht der Sektor Verkehr um 74 Prozent mehr klimaschädliche Emissionen als noch vor 30 Jahren. Wie sollte diese Entwicklung abgebremst werden?
Dudenhöffer: Die Autobranche muss auf jeden Fall weg von den fossilen Brennstoffen. Die klimafreundliche Abzweigung führt dabei zur Elektromobilität. Die Industrie ist bereit dafür, hier läuft alles in Richtung Nachhaltigkeit, die produzierten E-Fahrzeuge werden immer besser und effizienter. Was fehlt sind stabile politische Rahmenbedingungen, die etwa eine konsequente und langfristige Förderung von E-Mobilität beinhalten.

Elektroautos sind klimafreundlicher als Verbrenner. Sollten Hersteller daher in Zukunft nur noch E-Autos produzieren?
Dudenhöffer: Ja, bei den Pkw im Privatbereich führt kein Weg am vollelektrischen Antrieb vorbei – das ist die Zukunft der Autoindustrie. Hersteller, die da nicht mitmachen, werden wohl aussortiert. Bei den Transport- und Nutzfahrzeugen könnten Brennstoffzellen (Anm.: Wasserstoff) eine emissionsarme Lösung sein.

Für die Produktion von E-Autos werden vor allem für den Akku Seltene Erden benötigt. Wie selten sind diese wirklich und kann das bei steigender Nachfrage zum Problem werden?
Dudenhöffer: Wenn Rohstoffe knapp werden, steigt der Preis. Und wenn der Preis steigt, werden Menschen unendlich kreativ, Ersatz für die knappen Rohstoffe zu finden. Zudem wird die Suche nach weiteren Vorkommen der womöglich gar nicht so Seltenen Erden intensiviert werden. Ich bin sehr zuversichtlich, dass weiterhin genügend Rohstoffe für Elektromobilität vorhanden sein werden.

Im Gleichschritt dazu braucht es einen Ausbau öffentlicher Ladestationen, ergänzt durch jene am Arbeitsplatz und der Wallbox in der privaten Garage.
Dudenhöffer: In China etabliert sich außerdem mit sogenannten Wechselstationen ein innovatives Tauschkonzept: Statt zu laden wird dort der leere Akku eines Elektroautos innerhalb von drei Minuten mit einem vollgeladenen Akku ausgetauscht. In Europa liegt der Fokus derzeit aber auf dem Schnellladen. Natürlich können sich Autobauer mit individuellen Akkus etwas besser differenzieren, aber schauen Sie, es nimmt ja auch nicht jeder sein eigenes Benzin. Gerade für Fahrzeuge, die 24 Stunden im Einsatz sind, wie Taxis in Großstädten, könnte das interessant werden.

Ein Gesamtkostenvergleich mit fossilen Verbrennern zeigt, dass die Nutzung von E-Autos dank deutlich geringerer Betriebskosten nach durchschnittlich acht bis neun Jahren zu Kostenvorteilen führt. Unter welchen Voraussetzungen lohnt sich ein E-Auto für Unternehmen und Private schon früher?
Dudenhöffer: Auf der einen Seite gibt es in Ländern wie Deutschland großzügige Unterstützungen, zum andern ändern sich die Preisstrukturen. Elektroautos kommen in die Scales, das zeigt ganz klar Tesla mit einer Umsatzrendite von 19 Prozent im ersten Quartal. Zum zweiten werden Verbrenner teuer, verlieren ihre Scales und die Abgasreinigungskosten steigen deutlich, etwa beim Diesel. Und jetzt haben wir noch nicht über die Spritpreise gesprochen. Die genannten acht Jahre sind zusammengeschmolzen.

Der Umstieg vom Verbrenner zum E-Auto ändert nichts am Flächenbedarf und der dafür notwendigen Bodenversiegelung. Noch dazu werden in letzter Zeit immer größere und schwerere Autos produziert. Ist das nicht kontraproduktiv?
Dudenhöffer: Menschen, die in demokratischen Ländern leben, entscheiden selbst, was sie sich erlauben wollen. Überdurchschnittlichen Flächenverbrauch muss man sich in Zukunft aber auch leisten können. In Städten könnten hier regulierende Marktprozesse greifen, etwa indem das Parken mit einem großen Auto mehr kostet als mit einem Kleinwagen.

Ist E-Mobilität die alleinige Klimalösung für die Autobranche oder sehen Sie weitere alternative Antriebe, die massentauglich werden könnten?
Dudenhöffer: Das aktuelle Jahrzehnt wird stark von E-Mobilität geprägt werden. Der nächste große Schritt, der kommt und die Branche radikal verändern wird, ist das autonome Fahren. Also das Fahren mit E-Autos, ohne Menschen am Steuer. Ein System erledigt alles selbsttätig. Auch komplexe Situationen wie das Durchfahren eines Kreisverkehrs oder das richtige Verhalten an einem Zebrastreifen kann der autonome Wagen bewältigen. Es gibt dabei keine Autofahrer mehr, sondern nur noch Passagiere, die solche Roboter-Taxis für eine bestimmte Zeit und eine eventuell gemeinsame Strecke anfordern. Das temporäre Anmieten von autonomen Fahrzeugen ist auch wirksam, um die Pkw-Dichte pro Kopf und den angesprochenen Flächenbedarf zu verringern.

Wie wirkt sich autonomes Fahren auf die Beziehung zwischen Menschen und Auto aus?
Dudenhöffer: Die Beziehung zum eigenen Auto als Eigentum und Statussymbol wird verschwinden. Vor allem die junge Generation will Produkte, die einfach und effizient funktionieren und jederzeit durch neue Versionen optimiert werden können.

Der Bezug zum Auto wird also so wie jener zu den Smartphones?
Dudenhöffer: In den nächsten zehn Jahren werden sich vor allem bei Privatpersonen flexible Auto-Abos, also Full-Service-Leasing, durchsetzen. Die Kunden sind dann nicht mehr Eigentümer, sondern Besitzer.

Die Mobilitätswende sieht unter anderem eine klare Reduktion der Pkw vor. Das kann nicht im Sinne der Autoindustrie sein, oder?
Dudenhöffer: Der Ausbau von öffentlichem Nahverkehr und Radwegen ist wichtig, macht aber nur im städtischen Raum Sinn. Außerhalb davon ist und bleibt das Auto auf mittleren Strecken das beste und effizienteste Verkehrsmittel, das uns zur Verfügung steht – vor allem dann, wenn es vollelektrisch betrieben wird.

Welche Verantwortung hat die Autoindustrie, um das Mobilitätsverhalten ihrer Kunden in eine klimafreundlichere Richtung zu lenken?
Dudenhöffer: Die Autoindustrie nimmt keine Rolle als Erzieher ein, sondern reagiert auf Kundenwünsche und baut danach die Fahrzeuge. Viel mehr braucht es hierbei eine umweltfreundliche Politik, die den ‚grünen‘ Rahmen vorgibt.