„Der Ruf nach Zusammenarbeit wird immer lauter“

Das Genossenschaftswesen in Vorarlberg ist in Bewegung. In welche Richtung es geht und vor welchen Herausforderungen es steht, weiß Christine Höfle-Beyweiss, Leiterin des Revisionsverbandes der RLB Vorarlberg.

Christine Höfle-Beyweiss
Christine Höfle-Beyweiss © RLB Vorarlberg

109 Genossenschaften betreut der Revisionsverband der Raiffeisen Landesbank Vorarlberg im westlichsten Bundesland Österreichs. Im vergangenen Jahr sind erneut zwei dazugekommen und gleich mehrere stehen bereits in den Startlöchern. Konkret sind es 16 Raiffeisenbanken, 15 Energiegenossenschaften, 17 Milchverwertungsgenossenschaften und 61 Genossenschaften aus weiteren Bereichen. 

2022 kam es zu zwei Neugründungen: die Raiffeisen Montfort Klimaschutzgemeinschaft, die es sich zum Ziel gesetzt hat, Klimaschutzprojekte lokal voranzutreiben, zu unterstützen und selbst zu entwickeln, und die Projekt- und Strukturentwicklungsgenossenschaft Bezau. Sie folgt einem bereits erprobten Muster von Genossenschaften in Vorarlberg und ist die inzwischen neunte Projekt- und Strukturentwicklungsgenossenschaft im Ländle. Mit ihnen betreiben Gemeinden und Regionen ein aktives und nachhaltiges Flächenmanagement, werden unternehmerisch am Immobilienmarkt tätig, evaluieren, sichern und verwerten Flächen sowie strategisch relevante Immobilien. Zweck ist es, den eigenen Standort für Private und Unternehmen attraktiv zu machen. 

„Schon an den beiden Neugründungen 2022 ist ein Trend klar erkennbar: Genossenschaften bewegen sich immer noch mehr in Richtung Nachhaltigkeit und Regionalität“, so Christine Höfle-Beyweiss, Leiterin des Revisionsverbands der RLB Vorarlberg. „Das passt perfekt zusammen, stecken diese Werte doch im Kern einer Genossenschaft.“

Unsicherheit als Treiber

Im heurigen Jahr wird es aller Voraussicht nach wieder mehrere neue Genossenschaften in Vorarlberg geben. Kooperativen für erneuerbare Energien, biodynamische Landwirtschaft, einen regionalen Schlachthof und weitere Projekt- und Strukturentwicklungsgenossenschaften stehen kurz vor ihrer Gründung. Ein Grund, warum das Genossenschaftswesen derzeit eine Hochblüte erlebt, sieht Höfle-Beyweiss in der Gesellschaft selbst: „Der Ruf nach Zusammenarbeit wird immer lauter. Mehr und mehr Menschen sind davon überzeugt, gemeinsam mehr erreichen zu können.“ Auf die vielen Herausforderungen unserer Zeit kann die Genossenschaft die richtige Antwort sein. „Die Volatilität und Unsicherheiten in der Wirtschaft sind auch im Genossenschaftswesen spürbar“, betont die Leiterin des Revisionsverbands. „Eben weil Genossenschaften von sich aus auf nachhaltige, regionale Kreisläufe hin ausgerichtet sind, sind sie für Gründer in diesen Zeiten besonders attraktiv.“

Niederschwellige Gründung

Um eine Genossenschaft zu starten, braucht es nicht viel, weiß Höfle-Beyweiss: „Es sind eben kein übergroßes Startkapital, kein Investor, keine Investorin in der Hinterhand notwendig.“ Die wichtigste Voraussetzung sieht sie in Menschen, die ein gemeinsames Ziel vereint, die sich gegenseitig unterstützen wollen, um miteinander etwas zu erreichen, das sie alleine nicht schaffen würden. Doch auch eine Genossenschaftsgründung ist keine blinde Sozialromantik: „Eine Genossenschaft ist nicht auf Gewinnmaximierung ausgerichtet, aber sie muss wirtschaftlich rentabel sein. Auch eine Genossenschaftsidee muss ein funktionierendes Geschäftsmodell besitzen.“