Der bewaffnete Konflikt in der Ukraine befeuert eine Entwicklung, die bereits in den Monaten zuvor mehr als dramatisch war: Die Preise für Energie schnellen ins Unermessliche. So weist der Österreichische Strompreisindex (ÖSPI) eine Steigerung von 163,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr auf. Die Industrie, landwirtschaftliche Betriebe, aber auch Privathaushalte ächzen auch unter den enormen Belastungen durch Öl, Gas und Treibstoffe. Zudem zeigen die Unwägbarkeiten des Krieges unmissverständlich auf, wie abhängig Europa von den Lieferungen fossiler Rohstoffe aus Russland und dem Nahen Osten ist. „Der Ausbau erneuerbarer Energien muss daher nicht nur aus Klimaschutz-, sondern auch Souveränitäts-Gründen stärker in den Fokus rücken“, meint Oberösterreichs Agrar-Landesrätin Michaela Langer-Weninger. Es sei Zeit für eine grüne Energiewende.
Ein interessanter Ansatzpunkt ist dabei mit dem Erneuerbaren Ausbau-Gesetz (EAG) möglich geworden. Dieses erlaubt die praktische Umsetzung von Erneuerbaren Energiegemeinschaften (EEG). „Damit kann jetzt jeder, egal ob Produzent oder Verbraucher, bei der Energiewende mitwirken“, so Langer-Weninger. Sie sieht vor allem für die Landwirtschaft Chancen: „Jeder Hof verfügt über große Dachflächen, auf denen Photovoltaik-Anlagen montiert werden können. Der Überstrom, der nicht am Betrieb gebraucht wird, kann dann direkt an Nachbarn weitergeben werden.“ Für die Bauern entsteht damit ein neues Standbein und die Regionalwirtschaft wird gestärkt.
Genossenschaft als optimale Rechtsform
Der Direktor des Raiffeisenverbandes Oberösterreich, Norman Eichinger, sieht in den EEGs „den größten Meilenstein in der aktiven Teilhabe der Bürger an der Energiewende“. Er ist davon überzeugt, dass Genossenschaften die optimale Rechtsform für eine solche Zusammenarbeit sind: „Sie sind flexibel und erlauben es ihren Mitgliedern, rasch und unkompliziert aufgenommen zu werden. Gleichzeitig ist mit ihnen ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb möglich. Anders als bei einer GmbH ist es einfach, mit einer kleinen Gruppe zu starten und diese später um mehrere Mitglieder zu erweitern.“ Der Hauptzweck der Energiegemeinschaften liegt dabei nicht im finanziellen Gewinn, sondern in der Gemeinnützigkeit. Eichinger geht davon aus, dass es noch im März zu den ersten Gründungen kommen wird. Der größte Teil der neuen Gemeinschaften wird dabei im Bereich der Photovoltaik entstehen, weil diese Anlagen am leichtesten zu realisieren sind und am wenigsten Probleme bei der Genehmigung machen.
Innerhalb dieser freiwilligen Zusammenschlüsse bekommt der Strom eine ganz neue Qualität. Statt anonym aus der Steckdose stammt er zum Beispiel vom Nachbarbauern. Durch den direkten Handel in der Gemeinschaft kann ein Teil der Netzentgelte gespart werden. Die Kosten für Energie sind viel stabiler, weil unabhängig vom Umfeld Preise vereinbart werden können, mit denen alle Teilnehmer gut leben können. Das System ist damit weitgehend losgelöst von externen Energielieferanten und Marktschwankungen. Der Energieerzeuger erhält damit im Regelfall mehr als bei der Einspeisung von Überschussstrom ins Netz. Auch die Stromabnehmer bekommen innerhalb der EEG günstigere Tarife. „Damit das Potenzial aber vollständig gehoben werden kann, braucht es auch entsprechende Leitungen und Trafos“, fordert Langer-Weninger einen Ausbau der Infrastruktur ein.
Kommunale Projekte mit erneuerbarer Energie
Eine besondere Aufgabe bei der Schaffung von EEGs kommt den Gemeinden zu. Auch sie können viele Gebäude mit PV-Anlagen bestücken und ihre Bürger damit besser einbinden. „In der Statutarstadt Steyr will die Stadtverwaltung gemeinsam mit der Raiffeisenbank eine Erneuerbare Energiegenossenschaft gründen“, berichtet Verbandsdirektor Eichinger. Die Inbetriebnahme stehe unmittelbar bevor. Auch in Perg und in Michaelnbach sind konkrete Genossenschaftsprojekte in Planung.