Energiepioniere in der Eisenstadt

In Steyr wurde die erste „Erneuerbare Energiegemeinschaft“ als Raiffeisen-Genossenschaft in Oberösterreich gegründet.

Die Dächer der Altstadt von Steyr
Eine besondere Herausforderung sind die vielen denkmalgeschützten Gebäude in der Steyrer Altstadt, denn diese dürfen nicht mit PV-Anlagen ausgestattet werden. (c) BreeCorn

Mit dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz wurde die Grundlage geschaffen, Energie wirklich regional produzieren und auch vor Ort nutzen zu können. Privatpersonen, kleinere Unternehmen oder auch öffentliche Einrichtungen können sich über Grundstücksgrenzen hinweg zu Erneuerbaren Energiegemeinschaften (EEG) zusammenschließen, um Energie zu erzeugen, zu speichern, zu verbrauchen und zu verkaufen. Das soll eine dezentrale Energieversorgung fördern, CO2 einsparen und Kosten für die Stromabnehmer senken. 

„Die Menschen in unserem Land können damit noch stärker an der Umsetzung einer erneuerbaren Energieversorgung mitwirken. Eine Win-win-Situation für alle Beteiligten – allen voran für unsere Umwelt“, betont der Wirtschafts- und Energie-Landesrat Markus Achleitner anlässlich der Gründung der ersten EEG als Genossenschaft in Oberösterreich.

Auf Initiative von Bürgermeister Markus Vogl und Andreas Schmidbauer, Geschäftsleiter der örtlichen Raiffeisenbank, wurde das Projekt in Steyr gestartet. Mit maßgeblicher Unterstützung des Raiffeisenverbandes OÖ und des OÖ. Energiesparverbandes haben die Initiatoren alle erforderlichen Maßnahmen getroffen und sich für die Gründung eingesetzt. Stets mit dem Ziel vor Augen, die Stadt Steyr künftig zu 100 Prozent mit regionalem sauberem Strom zu versorgen. 

Neben dem lokalen Beitrag zur Energiewende und der CO2-Reduktion habe das Thema vor dem Hintergrund der Ukraine-Krise eine neue Dimension bekommen, sagt Schmidbauer: „Durch die enorm gestiegenen Energiepreise gewinnt die Möglichkeit, lokal günstigen Strom zu produzieren und auch verbrauchen zu können, noch mehr an Bedeutung.“

Pilotanlage im Stadtgut Steyr

Um ihre Ziel zu erreichen, will die EEG im Laufe der nächsten Jahre Photovoltaik-Anlagen in der ganzen Stadt errichten. Eine besondere Herausforderung sind dabei die vielen denkmalgeschützten Gebäude vor allem in der Steyrer Altstadt, denn diese dürfen nicht mit PV-Anlagen ausgestattet werden. Alternativ dazu möchte man in den peripheren Lagen der Stadt Hallen- und Fabriksdächer nutzen, um dort sauberen Sonnenstrom zu produzieren und diesen unter anderem auch den Bewohnern im historischen Stadtkern zur Verfügung stellen. 

Zuerst soll eine Anlage mit rund 125kWp auf einem Firmengebäude im Wirtschafts- und Dienstleistungspark Stadtgut Steyr errichtet werden. Der damit produzierte Strom soll zur Gänze im Bereich des Stadtgutes verbraucht werden. Dafür laufen laut Schmidbauer bereits intensivste Vorbereitungen. Diese Pilotanlage dient in erster Linie dem Erfahrungsgewinn und soll einen „Testballon“ für viele weitere Anlagen darstellen. Eine Herausforderung gibt es noch durch die Netzbetreiber zu lösen, nämlich die technische Umsetzung, sodass eine EEG mehrere produzierende Anlagen gleichzeitig verwenden kann. Die Netzbetreiber arbeiten mit Hochdruck an der Lösung dieser Problematik und voraussichtlich im vierten Quartal 2022 soll es so weit sein. Aktuell ist es technisch nur möglich, eine produzierende Anlage in einer EEG zu betreiben.

Nichtsdestotrotz sei das Interesse schon sehr groß, sagt Schmidbauer: „Wir haben schon viele Vorschläge bekommen. Viele wollen sich beteiligen, Dachflächen zur Verfügung stellen oder den Strom nutzen.“ Aktuell hat die EEG-Genossenschaft erst zwei Mitglieder: die Stadt Steyr und die Raiffeisenbank Steyr. Dabei soll es aber nicht bleiben. Eingeladen sind weitere Interessenten, Private wie Unternehmer, die bei dem Vorzeigeprojekt mitmachen wollen, egal ob als Stromerzeuger oder Stromverbraucher, betonen die Initiatoren. Neben dem positiven Beitrag für die Umwelt profitieren alle Beteiligten auch wirtschaftlich durch die attraktiven rechtlichen Rahmenbedingungen wie reduzierte Netzgebühren oder die Befreiung von Abgaben. Weiters soll künftig eine Bürgerbeteiligung bei der Errichtung von PV-Anlagen ermöglicht werden. 

„Die Kraft des Einzelnen wird in der Gemeinschaft gebündelt, um die Herausforderungen der Gegenwart zu bewältigen. Die Energiegenossenschaften sind dabei ein Schlüssel zur Energiewende, weil alle mitmachen können“, unterstreichen die beiden Ini­tiatoren Vogl und Schmidbauer.

Genossenschaftsvorteil bei der Gründung

Nicht nur der Raiffeisen-Leitgedanke „Was einer nicht schafft, das schaffen viele“ spricht bei der Gründung einer EEG für die Rechtsform der Genossenschaft, sondern vor allem deren Flexibilität insbesondere bei der Mitgliederaufnahme oder beim Austritt von Mitgliedern sowie deren Eignung für eine wirtschaftliche Tätigkeit. Nur die Genossenschaft verbindet diese beiden zentralen Anforderungen einer EEG an eine Rechtsform. 

Um eine Genossenschaft gründen zu können, ist allerdings eine positive Wirtschaftlichkeitsprognose Voraussetzung. Bei der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit stehen die Raiffeisen-Revisionsverbände potenziellen Gründern mit Beratung und einem eigenen Planungsrechner zur Seite. In Niederösterreich wurden bisher drei Energiegenossenschaften mit Hilfe des Raiffeisen-Revisionsverbandes gegründet, vier konkrete Projekte befinden sich bereits in der Pipeline.

In Oberösterreich steht der Raiffeisenverband OÖ als Gründungspartner zur Verfügung. Es werden zurzeit „eine Vielzahl an Projekten betreut“, sagt Verbandsdirektor Norman Eichinger. Schon seit 2019 beschäftigt man sich beim RV OÖ mit dem Thema der Erneuerbaren Energiegemeinschaften und war insofern gut vorbereitet. Umso erfreulicher sei es, dass das Interesse nun merklich steigt. Besonders hervorzuheben sei, dass sich die Idee von Friedrich Wilhelm Raiffeisen, gesellschaftliche Probleme mit Genossenschaften zu lösen, heute immer noch eignet, um den aktuellen Herausforderungen wie dem Klimawandel zu begegnen. Mit der Umsetzung der ersten EEG im Bundesland hofft Eichinger auf „einen Schneeballeffekt für einen gemeinsamen Weg in eine Klimaneutralität“: „Um die Kraft des Miteinanders auf die Straße zu bringen, muss man die Bürger einbinden. Dafür ist die Genossenschaft ein besonders geeignetes Vehikel“, unterstreicht Eichinger.

Gruppenfoto von der Gründung der Energie-Gemeinschaft Steyr: Markus Achleitner, Markus Vogl, Daniela Zeiner, Geschäftsführerin TIC Steyr und Vorstandsvorsitzende der EEG Steyr, Patrick Wieser, Prokurist RB Steyr und Vorstandsmitglied der EEG Steyr, Andreas Schmidbauer und Norman Eichinger
Kürzlich wurde die offizielle Gründung der Energiegenossenschaft Steyr vollzogen: Markus Achleitner, Markus Vogl, Daniela Zeiner, Geschäftsführerin TIC Steyr und Vorstandsvorsitzende der EEG Steyr, Patrick Wieser, Prokurist RB Steyr und Vorstandsmitglied der EEG Steyr, Andreas Schmidbauer und Norman Eichinger (c) City-Foto/Roland Pelzl

Energiegemeinschaft mit Vorbildfunktion

„Die Gründung der ersten Erneuerbaren Energiegemeinschaft Oberösterreichs als Genossenschaft hat eine wichtige Vorbildfunktion. Denn Erneuerbare Energiegemeinschaften sind ein zusätzlicher Motor der Energiewende in unserem Bundesland. Sie sorgen für eine höhere Akzeptanz für erneuerbare Energieanlagen und die Mobilisierung von zusätzlichem Kapital für die Errichtung derartiger Anlagen“, unterstreicht Achleitner.

Deswegen gibt es auch seitens des Landes OÖ ein eigenes Förderprogramm, das die Realisierung von Erneuerbaren Energiegemeinschaften unterstützt. Dabei werden „die für die Errichtung einer Erneuerbaren Energiegemeinschaft notwendigen detaillierten technischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Analysen gefördert“, erklärt Achleitner. Die Gesamtförderung ist mit maximal 10.000 Euro begrenzt. Das Sonderförderprogramm läuft bereits seit Mai 2021 und endet mit Ausschöpfung des zur Verfügung stehenden Budgets, spätestens jedoch am 31. Dezember 2022.