Kryptowerte sind trotz der noch relativ geringen Volumina im Vergleich zum traditionellen Finanzsystem aus dem Kapitalmarkt nicht mehr wegzudenken. Ihr wirtschaftlicher und medialer Einfluss steigt stetig an. „Die Wachstumsraten sind so signifikant, dass wir sie nicht ignorieren können“, erklärt Christian Wolf, Head of Strategic Partnerships & Ecosystems in der Raiffeisen Bank International (RBI). Das sichtbarste Zeichen für diese Entwicklung war und ist der Veranlagungsmarkt in Kryptowerte wie Bitcoin oder Ethereum. Aber auch abseits dieser Veranlagungsklasse ist die Entwicklung von digitalen Assets dynamisch – auch im traditionellen Bankenbereich. Bis Mitte 2026 will ein Konsortium aus mittlerweile zehn europäischen Banken, an dem die RBI mitbeteiligt ist, einen Euro-Stablecoin begeben, der den regulatorischen MiCAR-Vorgaben (Markets in Crypto-Assets Regulation) entspricht. Dazu wurde nun die niederländische Gesellschaft Qivalis gegründet.
Zum CEO von Qivalis wurde Jan-Oliver Sell aufgrund seiner unternehmerischen und operativen Führungserfahrung bestellt. Zuvor war Sell unter anderem Geschäftsführer bei Coinbase Germany, wo er die erste Krypto-Verwahrungslizenz überhaupt von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) erhielt, sowie in Führungspositionen bei Binance und iFunded tätig. Sell wird im Vorstand von CFO Floris Lugt unterstützt, der zuvor als Lead Digital Assets Wholesale Banking bei ING tätig war und umfangreiche Erfahrungen aus früheren Positionen in den Bereichen Treasury und Risikomanagement mitbringt. Als Aufsichtsratspräsident fungiert der prominente britische Bankier und Regulierer Howard Davies. Damit wird auch die europäische Dimension des Vorhabens abgebildet. Die Lizenz soll noch bis Weihnachten bei der Zentralbank beantragt werden.
Der Gründungsschritt sei „ein klares Signal dafür, dass die größten Finanzinstitute Europas konkrete Schritte unternehmen, um an einer digitalen, auf der Blockchain basierenden und vertrauenswürdigen Zukunft zu bauen, die auf der kollektiven Glaubwürdigkeit und der regulatorischen Aufsicht führender europäischer Banken beruht“, teilte Qivalis mit. „Die Stablecoin-Landschaft reift endlich über die frühe experimentelle Phase hinaus. Diese Entwicklung könnte zu keinem besseren Zeitpunkt kommen“, so Wolf mit Blick auf die geopolitischen Entwicklungen. Aktuell wird der Stablecoin-Markt mit einem Volumen von über 300 Mrd. US-Dollar von zwei US-Unternehmen dominiert, während sich europäische Stablecoins mit einem Volumen von insgesamt 500 Mio. Euro noch in den Kinderschuhen befinden. Zudem wird die derzeit größte Euro-Stablecoin EURC (Euro Coin) vom US-Anbieter Circle begeben. Europa sei im Zahlungsverkehr schon lange von US-Dienstleistern wie Mastercard und Visa abhängig. „Ich glaube nicht, dass der Stablecoin die einzige Antwort darauf ist, aber es kann eine Antwort sein“, sagt Wolf.

„Die Stablecoin-Landschaft reift endlich über die frühe experimentelle Phase hinaus.“
Christian Wolf
Großes Interesse
Die Idee hinter dem Stablecoin ist es, die extreme Volatilität von Kryptowerten herauszunehmen und über ein breites Netzwerk Zahlungen zu erleichtern und kostengünstiger zu gestalten. Dazu wird beim Herausgeber eines Stablecoins eine Reserve, meist in echtem Geld, im Wert von 1:1 hinterlegt, was für Stabilität sorgen soll. Aktuell wird dieser digitale Vermögenswert vor allem dazu eingesetzt, eine Brücke zwischen der klassischen Finanzbranche und den Kryptoassets zu bilden, indem er Investoren erleichtert, dort Transaktionen durchzuführen. Ursprünglich hat sich die RBI mit folgenden europäischen Geldinstituten zusammengeschlossen, um gemeinsam europäische Stablecoin-Standards zu setzen: Banca Sella (Schweiz), CaixaBank (Spanien), Danske Bank (Dänemark), DekaBank (Deutschland), ING (Niederlande), KBC (Belgien), SEB (Schweden) und UniCredit (Italien). Anfang Dezember trat die französische BNP Paribas dem Konsortium bei.
Banken kommt im Vergleich zu anderen Anbietern grundsätzlich das hohe Vertrauen, aber auch die strenge Regulierung in der Entwicklung der Stablecoins zugute, betont Wolf. Mit den zehn Banken, die nun am Start sind, habe man eine gute Basis für ein ausreichend großes Distributionsnetzwerk in Europa, um den Netzwerkeffekt sicherzustellen. Das Konsortium sei aber prinzipiell offen gestaltet, weitere Geldinstitute könnten sich der Initiative anschließen, so Wolf.
„Einen Stablecoin technisch zu begeben, ist keine große Herausforderung – diesen aber in ein ordentliches regulatorisches Set-up sowie Risikomanagement einzubetten, durchaus“, sagt Wolf. Die RBI habe rund drei Jahre an dem Projekt gearbeitet. „Es ist gar nicht so leicht, neun Banken auf eine Linie zu bringen“, berichtet Wolf. Die Kosten liegen in einem niedrigen einstelligen Millionenbereich – auch weil in der Gründungsphase über die Kapitalinjektionen auch die ersten Reserven gebildet werden müssen. „Alles deutet darauf hin, dass unser Fahrplan halten wird und wir Mitte nächsten Jahres den ersten Stablecoin handeln werden können“, so Wolf.
Welche Marktvolumina mit dem Euro-Stablecoin erreicht werden können, sei nur schwer zu prognostizieren: „Ich glaube nicht, dass wir in fünf Jahren 300 Milliarden Euro sehen werden. Wenn wir ein Volumen von sechs bis zehn Milliarden schaffen, sind wir schon nicht schlecht unterwegs“, gibt Wolf eine Prognose. In der Eurozone habe man etwa mit der Instant-Payment-Lösung zwar schon einen gut funktionierenden Zahlungsverkehr in Echtzeit. „Das hilft uns zwar lokal, aber international kaum. Wir haben aber globale Lieferketten abzubilden“, so Wolf. Der Stablecoin kann uns helfen, ein effizientes und rasches Zahlungsverkehrsnetz zu etablieren. „Der Kunde wird nicht zu uns kommen und sagen: ,Ich brauche einen Stablecoin’. Er wird eine Zahlung von A nach B mit gewissen Bedingungen haben wollen. Das wollen wir künftig im Hintergrund mit dem Stablecoin erleichtern“, so der RBI-Experte.
Auch Beitritt zu „Wero“
Die RBI hat aber nicht nur die Entwicklung des Stablecoins im Fokus, sondern engagiert sich darüber hinaus auch bei der European Payments Initiative (EPI) für ein einheitliches und souveränes Zahlungsökosystem in Europa. Dort fungiert die Bankengruppe nun als Acceptor Payment Service Provider (PSP). Mit Unterstützung von 14 großen europäischen Banken und zwei führenden Zahlungsdienstleistern hat die EPI den mobilen Zahlungsdienst „Wero“ ins Leben gerufen, der allen europäischen Unternehmen und Bürgern angeboten werden soll. Mit mehr als 46 Millionen Nutzern und ersten großen Handelspartnern will der europäische mobile Zahlungsdienst den etablierten Playern wie PayPal, Apple Pay und Klarna Konkurrenz machen.
Wero bietet eine einfache, sichere und schnelle Lösung für Zahlungen von Konto zu Konto an, die darauf ausgelegt ist, Zahlungen für Verbraucher und Händler gleichermaßen zu vereinfachen. Durch den EPI-Beitritt ermöglicht die RBI nun den Händlern innerhalb ihres Netzwerks, Wero-Zahlungen zu akzeptieren, und erleichtert so nahtlose und sichere Transaktionen über mehrere Kanäle hinweg, zum Beispiel im E-Commerce und bald auch bei Point-of-Sale-Transaktionen.








