Raiffeisen Burgenland will die Gründung von Energiegenossenschaften vorantreiben. Warum ist das für die Bankengruppe so wichtig?
Eva Fugger: Zum einen fühlen wir uns verpflichtet, unsere Region wirtschaftlich und gesellschaftlich zu fördern. Zum anderen stehen uns alle Instrumente zur Verfügung, die Entwicklung von nachhaltiger Energie voranzutreiben. Das sind unsere Kernkompetenzen in der Errichtung und im Betrieb von Genossenschaften, dann unser finanzielles Know-how und die Bereitschaft als Obleute und Vorstände ehrenamtlich mitzuarbeiten. Wenn wir diese Assets mit der technischen Kompetenz von Kooperationspartnern verbinden, kann echter Mehrwert für die Bevölkerung und die Betriebe im Burgenland entstehen.
Am Ende werden durch den Ausbau von erneuerbarer Energie in Form von Biogas, Photovoltaik, Wasserkraft, Geothermie usw. Infrastrukturprojekte entstehen, die einerseits zur Bewältigung der Energiekrise beitragen und andererseits neue Finanzierungen schaffen – jene „grünen Finanzierungen“, denen wir uns als verantwortungsbewusster Player verpflichtet fühlen.
Das gesteckte Ziel ist es, insgesamt 18 Energiegenossenschaften zu gründen. Wie viele sind bisher gegründet worden?
Fugger: Diese 18 Energiegenossenschaften sind inzwischen schon alle gegründet worden. Sie decken über 99 Prozent des Burgenlands ab. Damit können alle Bürger, Vereine, Unternehmen und Gemeinden partizipieren. Der Run auf die Energiegenossenschaften ist groß: Es haben sich bereits 2.200 Interessenten vorregistriert und über hundert unserer 171 burgenländischen Gemeinden um einen Informationsabend für ihre Bürger angefragt. Davon fanden inzwischen 60 mit rund 5.000 Teilnehmern statt.
Für welche Teilnehmer sind Energiegenossenschaften interessant? Und mit welchen Vorteilen können sie rechnen?
Fugger: Wir rollen ein Modell aus, das man durchaus als „Zukunftsenergie für alle“ bezeichnen kann. Durch unser flächendeckendes Angebot können private Haushalte, Klein- und Mittelbetriebe, Gemeinden und Vereine mitmachen. Und das lohnt sich jedenfalls, egal wie viel jemand an Strom produziert oder verbraucht.
Wir können ein außerordentlich faires und stabiles Preismodell sowohl für Erzeuger als auch Verbraucher anbieten. Als gemeinnützige Genossenschaften kalkulieren wir keinen Gewinnbeitrag und auch die Kosten sind durch die ehrenamtliche Arbeit der Funktionäre gering. Schließlich profitieren die Genossenschaften von den steuerlichen Vorteilen nach dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz. Und auch die Stabilität ist gewährleistet, weil wir in der Preisgestaltung unabhängig von den Strommärkten und von Fremdanbietern sind.
Gibt es minimale und maximale Größen für die Energiegenossenschaften, ab denen sich so ein Projekt rentiert?
Fugger: Ab etwa hundert Haushalten mit einem durchschnittlichen Strombedarf können wir kostendeckend arbeiten. Nach oben hin gibt es keine Grenze.
„Wir rollen ein Modell aus, das man durchaus als ‚Zukunftsenergie für alle‘ bezeichnen kann. 2023 wollen wir den Break-Even schaffen.“
Eva Fugger
Wie hoch sind die durchschnittlichen Investitionskosten und wie sieht die Kosten-Nutzen-Analyse aus?
Fugger: Auf der Sollseite stehen bei uns rund 500.000 Euro, die wir in die Raiffeisen Nachhaltigkeitsinitiative und die Energiegenossenschaften investiert haben. Darunter fallen Investitionen in den Gründungsprozess, in die IT, Informationsveranstaltungen und Marketing. Die laufenden Betriebskosten werden knapp kalkuliert und können ab etwa hundert Mitgliedern auch erlöst werden. Auf der Habenseite verbuchen wir einen Reputationsgewinn durch die Positionierung als zentraler Player in der Region zur Förderung der Nachhaltigkeit. Natürlich wollen wir als Banken darüber hinaus auch wirtschaftlich profitieren, indem wir neue Kunden insbesondere für nachhaltige Finanzierungen gewinnen.
Was sind derzeit die Herausforderungen im Gründungsprozess und wie schnell kann eine Energiegenossenschaft gegründet werden?
Fugger: Die Energiegenossenschaften sind mit Unternehmen vergleichbar, das heißt, es braucht die Einrichtung einer betrieblichen Organisation, einer Buchhaltung, einer Mitgliederverwaltung usw. Viele, die gleichzeitig mit uns dieselbe Idee hatten, sind an dieser notwendigen Professionalisierung gescheitert. Wir wissen inzwischen genau, wie es geht und können daher auch recht schnell gründen.
Welche Erfahrungen nimmt man aus den bisherigen Gründungen mit?
Fugger: Die Gründungsphase braucht ausreichend Vorlaufzeiten und Geduld. Eine wichtige Erfahrung war auch, dass zum Energiethema viel Informationsbedarf in der Bevölkerung und bei den Mitarbeitern besteht. Noch überwiegen bei den meisten Menschen Skepsis und Zurückhaltung. Daher geht es im Wesentlichen darum, möglichst viel Wissen bereitzustellen.
Im Fokus stehen Solaranlagen auf Dächern. Wie viel des Strombedarfs kann eine Energiegenossenschaft abdecken?
Fugger: Die Genossenschaft kann genau so viel Strombedarf abdecken, wie durch ihre Mitglieder eingespeist wird. Deshalb ist es ein wichtiger strategischer Aspekt, in den Genossenschaften mittelfristig die Energiequellen zu diversifizieren, also Solarenergie durch andere alternative Energieformen wie etwa Wind, Biomasse usw. zu ergänzen. Damit kann das Strompotenzial signifikant erhöht werden.
Wie groß ist die Akzeptanz der Burgenländer für erneuerbare Energiequellen?
Fugger: Die Burgenländer sind dem Thema erneuerbare Energien und „Dächer vor Äcker“ gegenüber sehr aufgeschlossen. Es gibt eine hohe Bereitschaft in den Ausbau von Photovoltaik-Anlagen zu investieren. Weil aber die Nachfrage derzeit so stark ist, haben die Elektrobetriebe Probleme, die notwendigen Bauteile zu bekommen. Hier versuchen wir mit einer Kooperation mit dem Raiffeisen Lagerhaus zu unterstützen.
Was sind die Pläne für 2023?
Fugger: In erster Linie wollen wir unsere 18 Energiegenossenschaften zum Laufen zu bringen und den wirtschaftlichen Break-Even erreichen. Darüber hinaus prüfen wir weitere Investitionsvorhaben in erneuerbare Energie. Zum bereits vorhandenen Nachhaltigkeitsrechner für Photovoltaik soll auch ein Rechner für einen Kesseltausch für unsere Mitglieder folgen.